- WLC Weekend Toernooi, Eindhoven, 2021 -
15.10. - 17.10.

 
Im Auftrag des Herrn (Arpad Elo) unterwegs
Special Guest: David Kardoeus
 
Anreise mit Hindernissen

Mit dem Herbst wird wieder die schachliche Hochzeit eingeleitet. Die Mannschaftskämpfe haben begonnen, und auch das ein oder andere Open findet wieder statt. Dennoch sind diese Turniere rar gesät, und auch wenn man spielwillig ist, muss man schon nehmen, was man kriegen kann. In Eindhoven fand ein größeres Wochenend-Open mit 6 Runden statt. Ein brutaler Terminplan, wir kommen gleich dazu, aber Sebastian wollte spielen - also nichts wie hin. Ich beschränkte mich auf die Betreuertätigkeiten, aber wir hatten diesmal noch einen Gast: David Kardoeus von Werder Bremen, der frisches Blut in unser Gespann brachte.

Schwierige Anreise am Freitag Nachmittag: Aus den 3 Stunden, gerechnet ab Ostfriesland, wurden 4,5. Grausige Staus im Umfeld von Utrecht. Wir nutzten schon die abgefahrensten Ausweichrouten über obskure Feldwege, wobei ich einmal eine Brücke übersah, wonach wir fast im Blues Brothers-Stil abgeflogen wären. Die Anmeldefrist wurde gerissen, aber per Telefon wurde die Lage entschärft. Wir regelten noch kurz die Unterkunft, und dann ging es für Bast und Kadde auch schon ans Brett.
 

The good ol' Blues Brothers boys
So ungefähr wären wir fast abgeflogen

Freitag Abend, 19:30 Uhr
Auftakt mit zwei Punkten

Eine Runde musste am Freitag Abend aber nur überstanden werden von unseren beiden Helden, zudem noch gegen „untere Hälfte“. Am Start waren etwa 100 Teilnehmer in zwei Open. Bedenkzeit war 90 Minuten + 30 Sekunden Inkrement für die gesamte Partie. Also keine zweite Zeitperiode. Nur so kann man sechs Runden in drei Tage quetschen. Quantität vor Qualität? Ich sag immer: Da geht noch was!

GM Dgebuadze war der Topgesetzte, Sebastian lauerte immerhin schon auf Rang fünf, David an neun. Es gab jede Menge Live-Bretter, die Übertragung hier hat auch endlich mal reibungslos funktioniert, sogar die Bedenkzeiten wurden im Grunde korrekt übertragen. Schlecht war allerdings, dass die Paarungen nicht vor Rundenbeginn bekanntgegeben wurden, zumindest nicht im Internet.

Keine Probleme am Freitag für unsere Jungs, die jeweils gegen 1900 mit Schwarz spielten. Sebastians Gegner spuckte früh einen Bauern und das Läuferpaar, was er dann im Nachgang nicht nachweisen konnte. Eingangs des Doppelturmendspiels mit zwei Minusbauern gab der Niederländer auf. Kadde stand in der Eröffnung etwas verdächtig, glich aber schnell aus und überspielte seinen Gegner nach Damentausch völlig.

Schon reichlich spät waren wir dann in unserer Unterkunft. Ein nettes Holzhaus, welches sogar eine Sauna beinhaltete. Schon weit nach Mitternacht wurde diese dann auch noch angeworfen. Am nächsten Tag jedoch drohte ein Mammutprogramm: 3 Runden standen auf dem Zettel. Auch wenn ich als Manager nicht spielte, musste ich doch um 2:30 Uhr mal langsam um Ruhe bitten!
 

Blick in den Saal
Rustikal, es fehlte nur die Bondse Bowlingbaan

Samstag, Teil I
Wieder zwei Punkte

Am Samstag Morgen um 9 Uhr ging es an die Bretter zur 2. Runde. Mit Weiß gegen Leute um die 2000 mussten erneut zwei Punkte eingefahren werden, wollte man denn oben mitspielen. Und dies gelang. Davids Gegner gab recht früh und recht sinnfrei zwei Figuren für einen Turm (und einen Bauern). Er bekam später nochmal eine Chance, den Kampf zu verwickeln, aber ließ diese aus und hatte im Endspiel einfach Material weniger. Hier ein ganz kurzer Blick auf den kritischen Moment:

David - de Vries (1993) 1-0

Sebastian stand schnell positionell stark:
 

Weiß mit dem Siebenbauern-Angriff

Welch ein Bild! Sieben Bauern auf der 4. Reihe. Das sieht man nicht alle Tage. Doch Bast hatte Probleme in der Umsetzung. Nach einem positionellen Missverständnis hat er dann auch nochmal taktisch „reingeschissen“, wie Maik immer so schön sagt. Doch am Ende ging alles gut aus. Hier das Drama in vollster Blüte:

Sebastian - van der Meiden (2012) 1-0

Das war ein Wackler, die Frage war: Nur ein Ausrutscher oder doch schlechte Form? Abwarten…

Samstag, Teil II
Die Meister warten

In der Nachmittagsrunde, 14 Uhr, warteten zwei Meister: Sebastian traf auf den Großmeister im Feld, David auf IM Grooten. Immerhin hatte Sebastian nochmal Weiß. Dgebuadze ist ein alter Bekannter. Beim NordWest-Cup 2020 hat Sebastian gegen ihn Remis abgelehnt und dann überzogen. Auch diesmal gab es wieder ein „unmoralisches Angebot“ des Meisters in schlechterer Stellung:

Sebastian - Dgebuadze (2437) 1/2

Ein schnelles Remis also! Sebastian hat vielleicht etwas unterschätzt, wie gut seine Stellung wirklich war. Man hätte noch lange kneten können. Andererseits: Remis gegen den GM im Feld und nun drei Stunden Pause vor der nächsten Runde waren keine schlechten Dinge.

Dramatischer zu ging es bei Kadde gegen IM Herman Grooten. Der Meister hatte einen Eröffnungsvorteil liegenlassen wie die Petersilien auf einem Teller im Schnellimbiss. David übernahm die Initiative. Leider entglitt sie ihm nach und nach, Grooten konnte sich durch Abtausche entlasten. Im Endspiel war der Niederländer dann trickreicher:

Grooten (2286) - David 1-0

Bitter für den Werderaner. Grooten hatte schon in der Runde zuvor etwas Dusel gehabt. Diese dramatische Partie sehen wir noch am Ende des Berichtes.

Samstag, Teil III
Dramatische Niederlagen

Nun also die dritte Runde des Tages! Immerhin konnte Sebastian drei Stunden Pause einlegen, David war dieser Luxus nicht vergönnt. Der klassische Bulletproof-Kaffee hatte bis dato immer geholfen, die nötigen Energiereserven bereitzustellen, aber das Getränk hatte nach der Abendrunde wohl ausgedient. Bislang zumindest für Sebastian ein vernünftiges Turnier: 2,5/3 und den Großmeister schon weg. Nun ging es mit Schwarz gegen einen gleichstarken Gegner.

Der Oldenburger glich das Spiel aus, aber Weiß fand immer neue Ressourcen und stand immer mal wieder auf Gewinn, fand aber auch regelmäßig nicht die richtigen Fortsetzungen. Ganz am Ende hatte Sebastian noch mal die Möglichkeit zu einem Dauerschach. Aber er war schon seit längerer Zeit nur noch auf Inkrement unterwegs - und musste dem letztlich Tribut zollen:

van Roon (2247) - Sebastian 1-0

Für Kadde gab es den größten anzunehmenden Unfall: Weiß-Null gegen 1700… Schuld war hier eine Eröffnungskatastrophe:
 

David mit Weiß nach Lb5

Der Werderaner hatte soeben nach einer schon fragwürdigen Neuerung (f4) 14. Lb5? ausgegraben. Schwarz bekam nun nach … c6 eine Gewinnstellung: Wg. Db6+ muss der Läufer ziehen. Aber das Damenschach kommt dann dennoch nebst Lxb2. David kämpfte danach wie ein Löwe und erreichte letztlich ein Turmendspiel mit nur einem Minusbauern. Aber Schwarz spielte auch extrem stark und gönnte sich den ganzen Zähler.

Die Sauna blieb an diesem Abend aus.

Sonntag
Die Pflicht ruft - wer antwortet?

Zwei Runden noch, es galt, sauber aus dem Turnier zu kommen. Pflichtaufgaben mussten erledigt werden. Basts Momentum war allerdings wohl verflogen. Erneut hatte er mit Weiß - wie in Runde zwei - eine positionell starke Stellung, aber konnte nichts daraus machen. Sein Gegner, ein älteres Kaliber Marke Haudrauf, früher mal 2200, jetzt im mittleren 2000er-Bereich, verwickelte erfolgreich und spielte auch insgesamt eine sehr starke Partie. Hier ein kurzer Überblick über die kritische Phase:

Sebastian - Faber (2063) 0-1

David bekam die Möglichkeit, mit Schwarz gegen Trompowsky einmal feucht durchzuwischen. Hier ein kurzer Einblick in die technische Phase der Partie gegen einen 2000er:

van Zon (2008) - David 0-1

Vor der letzten Runde ging es in die Eindhover Innenstadt, die gut besucht war. Die Suche nach einem vernünftigen Fressladen blieb allerdings erfolglos, so mussten dann am Ende doch wieder die guten alten Fritten vom Kebab-Haus herhalten. Die waren wohl nicht besonders nahrhaft bei Sebastian, es ging in der letzten Runde bei ihm recht ruhig zur Sache:
 

Sebastian mit Schwarz am Zug

Schwarz hat hier den rückständigen Bauern auf e7. Nach nun z.B. Ld7 bleibt Weiß auf einem schlechten Läufer sitzen, entscheidender ist aber wohl, dass nach Ld7 Schwarz mal die Möglichkeit hat, den e-Bauern vorzustoßen, der Läufer könnte dann auf e6 nehmen. Andererseits fürchtete Sebastian, dass Weiß den Läufer mit Lc2 in den Angriff einschaltet. Aber nach dem von ihm gespielten 16. … La4? bleibt er einfach auf der Schwäche e7 sitzen. Nach 17. Tf-e1 Tf-e8 nahm Weiß auf a4, und - bot Remis an. Die Annahme des Angebots war Sebastians bester Zug in dieser Partie, er hätte lange zu leiden gehabt.

David überstand diesmal eine Eröffnungskatastrophe unbeschadet. Sein Gegner wurde der Komplikationen nicht Herr, und am Ende blieb eine Figur im Netz der Verwicklungen hängen. Kadde beendete die Partie stilvoll:
 

Weiß am Zug

26. d7+ Lxd7 27. Tf8+ 1-0

Fazit

Ein paar Elo-Verluste für unsere beiden Kämpfer war nicht das, was man wollte. Immerhin noch eine Top Ten-Platzierung für David. GM Dgebuadze gewann das Turnier punktgleich mit dem jungen niederländischen FM van Osch und einem deutschen 2100er. Es gab übrigens die Möglichkeit, in den ersten vier Runden ein Bye zu nehmen. Man bekommt dann einen halben Punkt für diese Runde. Mehrere oben platzierte Spieler machten davon Gebrauch. So nahm der Zweitplatzierte van Osch ein Bye für Samstag Abend. Man spart so etwas Kraft und erleichtert seinen Spielplan.

Vielleicht ist das interessant. Andererseits will man ja Schach spielen. Das Programm ist aber schon ziemlich hart. Ansonsten ist alles gesagt: Vernünftige Spielbedingungen (man könnte vielleicht mal lüften), viele Live-Bretter auf der Haben-Seite, schlechte Auslosungsphilosophie als Minus. Die Niederlande praktizierten übrigens 1G… Das hat aber wohl nicht überall Anklang gefunden. So z.B. hagelte es viele Absagen beim traditionell starken Turnier in Hoogeveen. Im Gegensatz zu Deutschland ist man aber konsequent: 1G, und dann aber keine weiteren Auflagen im Saal.

In Deutschland wird ja zum Teil bei Schachturnieren 1G praktiziert UND ein strenges Regime auferlegt: Desinfektion, Abstand, Maske (außer am Brett), keine Zuschauer… Da hat man das Prinzip irgendwie nicht richtig verstanden. Das zumindest war in den Niederlanden auch für mich als Kiebitz kein Problem.
 

Das wüsteste Team seit Nitro und Glycerin

Schmankerl: Dramatische Partie aus Runde 2

Hier noch eine dramatische Partie aus der zweiten Runde: IM Herman Grooten mit Schwarz gegen einen portugiesischen 2100er (Jahrgang ’94). Das war schon als Zuschauer faszinierend. Grooten hing in den Seilen, am Ende war es ausgeglichen. der IM zeigte, wie später gegen David, dass seine Stärken im positionellen Bereich liegen. Schließlich kam es, wie es kommen musste: Der schwächere Spieler warf sich mal wieder selbst ins Schwert.

Margarido (2129) - Grooten (2286) 0-1

Hier noch wie immer der Link zur offiziellen Seite: Link

frank modder, 20.10.2021

Die Klosettfrage

Scheinbar schon von Bud Spencer und Terence Hill ausdiskutiert, kam sie in den Niederlanden erneut aufs Tapet. In einigen Dingen ticken die Uhren drüben schon anders, so z.B. im Straßenverkehr. Fährt der Niederländer in einen Verkehrskreisel, so sind drei Verhaltensweisen zu beobachten, die sich von der Häufigkeit her in etwa die Waage halten: Links blinken, rechts blinken, gar nicht blinken. In ersterem Fall ist man immer geneigt, wild gestikulierend auf die Hupe zu drücken, um ein Desaster zu verhindern. Aber man gewöhnt sich dran.

Aber auch im sanitären Bereich gibt es hier und da wohl Unstimmigkeiten, die der Klärung bedürfen:
 

Merkwürdiges Schild auf der Toilette
im Turniersaal. Nicht im Stehen pinkeln?
 
Das war dann später die Folge des Schildes.
 
Hinweis auf dem Klo unserer Unterkunft. Da drüben muss man wohl schon manches erlebt haben.