„Lüne“
statt „Pardu“
In der ersten Augustwoche
spielten Sebastian und ich mit unserem Vereinskollegen Maik Schäfer
das Schachfestival in Lüneburg. Meistens ging es ja im Sommer nach
Pardubice, aber warum in die Ferne schweifen... Aber natürlich musste
Lüneburg da eine hohe Hürde nehmen, um an „Pardu“ heranzureichen.
Wir werden sehen, ob es ihnen gelang.
Wie auch in Tschechien
wurde mit einer Runde pro Tag gespielt, und zwar immer nachmittags um 16
Uhr. Insgesamt 9 Runden nach dem Bedenkzeitmodus Fischer Kurz. An den Vormittagen
fanden ein B-Open und zwei Einladungsturniere statt. Manch Hartgesottene
nahmen an zwei Turnieren gleichzeitig teil. Wir ließen es ruhiger
angehen mit einer Partie täglich. Unsere Ferienwohnung war ok, aber
die 8 km Fahrt zum Turnierort konnte lang werden - die Verkehrsdichte ist
im relativ grünen Lüneburg nicht angenehmer als woanders.
Örtlichkeiten
Gespielt wurde im Hotel
Seminaris. Wohl zum letzten Male, da sie als Sponsor wegfallen, wie zu
hören war. Zunächst das Positive: Es gab annähernd 40 Live-Bretter
und auch ansonsten vernünftiges Spielmaterial. Kaffee, Tee und Wasser
standen gratis zur Verfügung. Leider sind auch ein paar negative Punkte
zu nennen. Der Wichtigste: Es gab keine Klimatisierung. Die Temperaturen
waren übel. Wenn man den Spielsaal betrat, bekam man gleich den sprichwörtlichen
Hammer vor den Kopf. Nach ein paar Minuten badete man in seinem eigenen
Schweiß. Sogar der Hitzefreund und sportlich topfitte Sebastian empfand
es als sehr belastend, und das will schon was heißen.
An den Brettern in
der rechten Saalhälfte hätte man sich noch etwas mehr Armfreiheit
gewünscht. Die Geräuschkulisse war auch nicht optimal. Es gab
Baustellenlärm und auch von einem Blindbrett, wo man die Züge
ja jeweils laut ansagt, kamen immer wieder mehrminütige laute Diskussionen.
Hier hätte man meiner Meinung nach seitens der Veranstalter Hilfestellung
bieten müssen, anstatt es tagelang laufen zu lassen.
Frank und Maik
Mein Turnier kann man
mit einem Wort zusammenfassen: Desaster. Zum Auftakt musste ich gegen einen
IM antreten, hier zog ich mich einigermaßen achtbar aus der Affäre.
In den folgenden vier Runden kam ich aber über vier Unentschieden
gegen 1700er nicht hinaus. Zweimal musste ich sogar am Ende Verluststellungen
retten, da ich es übertrieben hatte. Mit Weiß versuchten die
Gegner nicht viel und wollten auf Remis bunkern, trotz harter Kämpfe
konnte ich meine wenigen Chancen nicht wahrnehmen.
So hoffte ich immer
weiter, aber in Runde sechs habe ich zwei leichte Taktiken übersehen.
Zwischenzeitlich stand ich auf Verlust, dann auf Gewinn, aber verpatzte
diese Partie zur Null. Ich habe dann gemerkt, dass gerade unter den klimatischen
Bedingungen im Spielsaal das Weiterspielen für mich nicht sinnvoll
ist. Aber natürlich muss man nach eigenen Fehlern suchen. Mir fehlte
nach Karlsruhe etwas die Praxis und meine Vorbereitung auf Lüneburg
fing zu spät an.
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Wiese - Modder
Schwarz am Zug
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Mein Drama in der Schlußrunde:
Hier gewann einfach 24. ... Sxe8 und nach 25. Dxf4 Ld7 26. Te7 Td8 kann
Weiß die Figur kaum nachweisen. Stattdessen zog ich 24. ... c5?,
worauf Weiß allerdings seine Chance auf Vorteil nicht wahrnahm und
mit 25. Dc3? antwortete und mir eine weitere Chance einräumte,
auf e8 zu schlagen.Aber nach 25. ... Se4?? fiel der Vorhang nach
26.
T2xe4 nebst der tödlichen Drohung Te7.
Maik spielte zunächst
besser und besiegte auch einen Gegner mit knapp 2000 ELO, dazu ein Remis
gegen einen weiteren Spieler dieser Spielstärke. Am Ende gab es aber
drei Nullen in Folge, in den beiden letzten Partien dabei gegen deutlich
schwächere Gegner. Aber es gab viele Überraschungen in Lüneburg
- mit dem schwächeren Gegner ist es nicht so weit hin. Oder lag es
an der Hitze? Auch Maik litt darunter und brach das Turnier vor der letzten
Runde ab. Hier seine angesprochene Gewinnpartie:
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Koellner (2000)
- Maik
Weiß am Zug
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In der 3. Runde gegen
einen aufstrebenden Nachwuchsspieler hatten beide Seiten ihre Chancen gehabt,
die Partie zu gewinnen. Im Diagramm nun hätte sich Weiß mit
Remis begnügen müssen durch Dxc5, wonach Schwarz ein Dauerschach
geben muss. Weiß wollte hier aber wohl von der knappen Bedenkzeit
von Maik profitieren und griff zu 57. Sf5?, wonach Maik kaltblütig
mit 57. ... Se6 konterte. Weiß stand danach mit dem Rücken
zur Wand, hätte aber nun auf jeden Fall erstmal etwas gegen die Drohung
f3 machen sollen. Nach 58. Dd7? f3 fiel der Vorhang.
Sebastian
Sebastian hatte sich
schon etwas vorgenommen. Auch ihm fehlte etwas die Praxis, man musste also
zunächst mal eine Standortbestimmung vornehmen. Es gab für ihn
ein erweitertes Ping-Pong: Zwei schwächere Gegner, gefolgt von einem
sehr Starken. In den ersten fünf Runden war er also viermal Favorit,
in dem Fall waren die Gegner aus dem Bereich 1800-2000 ELO. Diese vier
Partien gewann Sebastian mehr oder weniger souverän, meist stand er
um den 20. Zug herum bereits auf Gewinn.
Dazwischen lag das
Duell gegen die Nr. 2 der Setzliste, Dimitrij Kollars, der fast 2600 Punkte
aufwies. Bast spielte mit Weiß sehr ambitioniert. Letztlich war eine
recht scharfe Stellung entstanden, in der die beiden Kontrahenten zu unterschiedlichen
Seiten rochiert hatten. Sebastians König war potentiell schwächer,
da weniger geschützt. Kollars war im Königsangriff letztlich
schneller.
Somit stand Sebastian
bei 4,0/5 und traf in Runde sechs auf einen starken Gegner - IM Malte Colpe
(2366). Diese Partie war so etwas wie die Crux in diesem Turnier für
Bast, darum schauen wir hier etwas genauer hin:
Colpe
- Bast
Das ausgelassene Sxb1
war so etwas wie ein kleiner Bruch in einem bis dahin vernünftigen
Turnier. Drei Runden blieben noch, aber es ging nun wieder mit schwächeren
Gegnern weiter. In Runde sieben forcierte der Oldenburger die Dinge wohl
zu früh und musste hart darum kämpfen, noch ein Unentschieden
zu erreichen. In der vorletzten Runde gab es eine dramatische, und leider
erneut unbefriedigende Partie für Sebastian, die wir hier ein wenig
vorstellen wollen. Nachdem unser Kämpfer die Gewinne ausgelassen hatte,
musste er am Ende glücklich sein, nicht verloren zu haben:
Kiesel
- Bast
Die Partie ist im Grunde
eine Tragödie für Schwarz. Es ist unklar, warum diese Partie
nicht gewonnen werden konnte.
In der letzten Runde
gab es ein Remis gegen einen aufsteigenden Jugendspieler mit knapp 2100
DWZ-Punkten. Hier brachte sich Bast durch einen quasi Fingerfehler in der
Eröffnung um eine im Gewinnsinne spielbare Stellung. Ein ernüchterndes
Weißremis. 5,5/9 und leider wohl keine Zugewinne in den Ratingkategorien.
Ich denke aber, Sebastian wird das Geschehen aufarbeiten, und dann gibt
es wieder aufsteigende Ergebnisse.
Sonstiges
Es gab eine Menge Außenseitersiege
und auch kuriose Fehler. Ein prägnantes Beispiel gab es in der folgenden
Partie:
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David Wachinger
- IM Kolbus
Weiß am Zug
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Hier zog der Bremer
David Wachinger Td-g1, wonach der IM mit dem Abzug Tf1+ die gegnerische
Dame (gegen Turm) hätte gewinnen können. Es kam jedoch Df5+.
Das ist für einen IM schon ein ziemlicher Klops. Diese Partie endete
mit einem Remis. Übrigens ein sehr starkes Turnier des Bremers (mit
Sieg gegen GM!) und einer knapp verpassten IM-Norm.
Fazit
Von den Leistungen
her ein Turnier zum Vergessen - lediglich Sebastian brachte die ersten
ca. 2/3 Drittel des Turniers Leistung aufs Brett. Danach gab es vollkommen
unverständliche Fehler (Sc4 bei Colpe, Txc6 bei Kiesel, Eröffnungsfehler
in der Schlussrunde), die man auch nicht mit fehlendem spielerischen Können
erklären kann. Ansonsten: Pardubice konnte nicht von Lüneburg
gefährdet werden - trotz des Kontinentalklimas in Tschechien.
Zuletzt noch der Link
zur Turnierseite:
Offizielle
Turnierseite
- frank modder,
15.08.2019
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Sebastian zeigt
Maik
in der Analyse, was
Phase ist.
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