- 16. Winter-Spezial in Brakel 2010 -
19.11. - 21.11.

 
Sebastian Müer gewinnt das gut besetzte Open
im ostwestfälischen Brakel in meisterlicher Manier
 
Über 60 Teilnehmer am Start

Zum dritten Mal in diesem Jahr waren Sebastian Müer und ich bei einem ostwestfälischen offenen Turnier am Start. Über 60 Teilnehmer versammelten sich zu einem 5-rundigen Open, darunter zwei Fide-Meister und Chessbase-DVD Autor Jacoby. Zumindest für Sebastian hat sich die Reise gelohnt – an Platz 3 gesetzt, holte er sich den ungeteilten Turniersieg. Dies ist bereits sein dritter Erfolg in diesem Jahr in Nordrhein-Westfalen. Anscheinend also ein gutes Pflaster.

Brakel liegt im Kreis Höxter, irgendwo zwischen Paderborn und Göttingen. Die Stadt hat ca. 17000 Einwohner und ist entsprechend beschaulich. Gespielt wurde im etwas abgelegenen Hotel Kaiserbrunnen. Die Spielbedingungen waren gut, jedes Brett hatte seinen eigenen Tisch und Digitaluhren. Bedenkzeit war 2 Stunden für 40 Züge und 30 min. für den Rest.
 

Das Hotel Kaiserbrunnen, der Austragungsort
Der Spielsaal

Verlauf

Neben Sebastians Turniersieg war mein Abschneiden diesmal sehr schlecht. Zum Auftakt gegen einen stärkeren Gegner nach hartem Gefecht knapp verloren, danach am 2. Tag einen schwächeren Gegner geschlagen sowie gegen einen FM verloren. Nicht das Gelbe vom Ei, aber noch nicht so schlecht. Am 3. Tag aber schaffte ich gegen zwei z.T. klar schlechtere Gegner nur Remis, wobei ich einmal am Rande des Verlusts wandelte. 2,0/5 waren zu wenig, ich hatte aber schon vorher kein gutes Gefühl.

Sebastian spielte dagegen umso stärker. Zum Auftakt zwei Siege. Den zweiten Sieg erreichte er in einem Endspiel ohne Bauern, in dem er mit Läufer und Springer den blanken König mattsetzen musste – eine gefürchtete Konstellation, aber Sebastian meisterte es perfekt. Es folgte ein Remis in Runde 3, wobei die Stellung mit Mehrbauer eigentlich gewonnen war.

Die größte Schlacht folgte in der vorletzten Runde. Sebastian spielte gegen den bis dato als einzigem Spieler bei 100% stehenden Dr. Ohse vom SK Delmenhorst. In der dramatischen Zeitnotschlußphase schwankte die Stellung immer zwischen ausgeglichen und etwas Vorteil für Sebastian. Da Sebastian gewinnen musste, lehnte er zweimal ein Remis ab, bis dann sein eigenes Angebot abschlägig beschieden wurde, da er auf der Uhr zurücklag. Kurz darauf bot sein Gegner wieder an, aber Sebastian konnte einen Bauern gewinnen. Ein Freibauer lief, doch auf dem anderen Flügel gingen eigene Bauern verloren. Als die Stellung in die Verlustzone zu geraten drohte, überschritt sein Gegner die Zeit. Dieser erwies sich als sportlich fair und erkannte die Niederlage an, er hatte ja auch selber die Möglichkeit gehabt, Remis zu machen.

Die Schlussrunde brachte Sebastian gegen den einzig anderen Spieler mit bis dato 3,5 Punkten. Ein wirkliches Finale also. In der Weißpartie konnte der Oldenburger nach einer harten Auseinandersetzung einen taktischen Schlag landen und eine Figur gewinnen, danach gab sein Gegner auf. Damit ungeteilter Turniersieg mit 4,5 Punkten, dass muß man in 5 Runden auch erstmal schaffen! Meiner Meinung nach spielt Sebastian derzeit sein stärkstes Schach. Die Performance dürfte bei knapp 2400 DWZ/ELO gelegen haben, damit schiebt er sich hart an die 2200er Grenze heran. Respekt vor dieser Leistung!
 

Sebastian in seiner Partie der zweiten Runde
(mit dem späteren Läufer-Springer-Matt)
Ich stand mehrfach "auf dem Acker"
(zur Abwechslung mal auf einem Ostwestfälischen)

Sonstiges

Es gab bei diesem Turnier einige kuriose Situationen, z.B. musste der Schiedsrichter mehrmals in hanebüchenen Konstellationen eingreifen. So weigerte sich ein Spieler in völliger Verluststellung, nach einer Umwandlung seines Gegners dessen geschlagene Dame „herauszurücken“. Natürlich gab es auch wieder dramatische Partien: So hatte ein Junge in einem ausgeglichenen Läuferendspiel einen Riesenzeitvorteil von gut einer Stunde, sein Gegner hatte nur noch 48 Sekunden für den Rest. Aber der Junge verstampfte es, blitzte mit, verlor einige Bauern und die Läufer gingen vom Brett. Nach Umwandlung in eine Dame erzielte der Gegner das Matt gleichzeitig mit dem Ablaufen seiner Bedenkzeit, was lt. den Regeln für ihn gewonnen war.

Kurios war auch am zweiten Spieltag abends das Erscheinen eines betrunkenen Hotelgastes im Spielsaal während einer laufenden Runde. Er setzte sich mitten in den Raum und lallte munter drauflos in schönstem Sächsisch. Es mussten erst mehrere Hotelangestellte gerufen werden, welche nach längerem Zureden den Gast schließlich zum Verlassen des Spielsaals bewegen konnten.

Unter dem Strich ein gelungenes Turnier, und den Turniersieg konnten wir ja auch mitnehmen. Vielleicht war der Altersschnitt etwas hoch und der Schiedsrichter hier oder da etwas zu streng, aber da wollen mir mal nicht die Nadel im Heuhaufen suchen. Mit dem Turnier in Brakel ist unsere Ostwestfalentour für dieses Jahr komplett. So, und nun muß ich schnell die Holthuser Vereinsmeisterschaft zur DWZ-Auswertung bringen, sonst rutsche ich wieder unter eine magische Grenze :-).

- frank modder, 24.11.10
 

Der strahlende Turniersieger