Empfehlung:
Das Treppchen
Im hessischen Gladenbach
fand die diesjährige Deutsche Einzelmeisterschaft im Schnellschach
statt. Sebastian hatte sich durch seine Placierung (4.) bei der Landesmeisterschaft
in Verden im Januar einen Startplatz gesichert. 29 Teilnehmer machten sich
auf den Weg nach Hessen. An zwei Tagen wurden neun Runden nach Schweizer
System ausgetragen. Die Bedenkzeit war etwas anders als auf Landesebene:
Statt 30-Minuten-Partien wurde mit jeweils 25 Minuten plus 5 Sekunden Inkrement
gespielt. Das hat sich eigentlich auch bewährt - der Zeitplan konnte
gut eingehalten werden. Anders war es z.B. zuletzt beim World Cup in Tromsø.
Dort wurde mit 10 Sekunden Zeitzugabe pro Zug gespielt und die Partien
dauerten teilweise an die zwei Stunden…
Ziel von Sebastian
war die obere Tabellenhälfte. Gesetzt war er an Platz 26. Also durchaus
ein ambitioniertes Ziel. Das Turnier ging wie gesagt über zwei Tage,
eine gute Entscheidung war die Anreise am Tag vorher. Gladenbach ist ein
recht kleines Städtchen mit ca. 12000 Einwohnern. Am Abend war es
gar nicht so leicht, dort noch etwas zu Essen zu bekommen. In der Unterkunft
sagte man uns, man empfehle "das Treppchen" (nettes Lokal am Hauptplatz).
Wir grinsten natürlich nur. Klar, daß ich Sebastian prompt für
das Turnier ebenfalls das Treppchen empfohlen habe... Aber sein Ziel war
ja schon abgesteckt!
Fotos können
wie immer per Klick vergrößert werden
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Impressionen aus
Gladenbach.
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Der Spielort:
Haus des Gastes.
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Erster Tag
Sebastian startete
ins Turnier mit einer Niederlage gegen IM An. Donchenko (2467 ELO). Hier
war ein schiefgegangenes Eröffnungsexperiment Grundstein des Verlustes.
Es folgte ein solides Schwarzremis gegen FM Schenderowitsch (2300). Sebastian
schien hier etwas passiver zu stehen, als er ein Remis ablehnte. Aber er
demonstrierte aktive Ideen und stand nachher teilweise sogar besser. Es
folgte eine weitere Weißniederlage, diesmal gegen IM Spieß
(2429). Sebastian spielte die Eröffnung ungenau und stand etwas schlechter,
als er einen taktischen Fehler beging und eine Figur verlor.
Hier eine andere Partie
der 3. Runde:
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FM Vatter (2288)
- GM Krämer (2542)
Stellung nach 18.
Sc6:
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Die Stellung ist nicht
unkritisch für Schwarz, vermutlich war schon der letzte Zug ... Se4
nicht genau. Hier nun sollte Schwarz auf c6 zurückschlagen, leistete
sich aber mit 18. … Sc3:+?? einen für einen GM schon ordentlichen
Bock. Nach 19. Dc3: hängt die Da5, der Se7 mit Schach und Schwarz
hat schon eine Figur weniger. Schwarz gab kopfschüttelnd kurz darauf
auf.
Für Sebastian
galt es nach dem verhaltenen Auftakt, sich nun auf die Hinterbeine zu stellen.
In Runde vier gab es den ersten vollen Punkt. Gegner war Kai Uwe Steingräber
(2153) aus Delmenhorst. Weiß spielte einen wenig ambitionierten Aufbau
und Sebastian hatte schnell etwas Vorteil. Auch wenn er taktische Möglichkeiten
ausließ, konnte er doch in ein gewonnenes Schwerfigurenendspiel abwickeln.
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Sebastian und
Kai Uwe spielten...
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...schau' mich
nicht an, er war's!
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Es folgte die letzte
Partie des ersten Tages, welcher um 14 Uhr begonnen hatte. Es wurde ohne
Pause durchgespielt und die fünfte und letzte Runde war dann auch
gegen 19:30 Uhr beendet. Sebastian spielte Weiß gegen Heinl (2173).
Schwarz nahm hier früh einen vergifteten Bauern, was ihn eine Figur
kostete. Diese Partie brachte Sebastian dann in der folgenden Stellung
in gutem Stil nach Hause:
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Müer (2231)
- Heinl (2173)
Stellung nach 23.
… Th8
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Weiß hat eine
völlige Gewinnstellung. Hier kann man schon über eine Sondervorstellung
von Matt-Tricks Reloaded nachdenken. Sebastian schloss die Partie prosaisch
mit 24. Sd6: Sd6: 25. Se5+ Ke8 26. De7:+ 1-0. Somit 2,5 Punkte, also 50%
am ersten Tage. Damit konnte Sebastian doch relativ zufrieden sein. Eine
solide Leistung.
Eine Partie aus der
4. Runde:
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Ulms (2123) -
IM Zelbel (2393)
Stellung nach 33.
… Df4:
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Hier waren zwei Spieler
am Werk, die beide ein gutes Turnier hinlegten. Ulms landete als einziger
weiblicher Teilnehmer auf Platz 8, der junge IM Patrick Zelbel räumte
am Ende sogar den 3. Platz ab. Die Stellung ist ein gutes Beispiel zum
Thema „der schwächere Spieler schlägt sich selbst“: Weiß
hatte eine gute Partie gespielt, zuletzt aber den Bauern f4 aufgegeben,
vermutlich, um sich auf a7 zu bedienen, unterlag nun aber einem Gespenst:
34. Da7: Ld5: 35. Dd4 Le4: 36. Le4: Te4: 37. Dd6:?? Te1+ 0-1.
Zweiter Tag
Der zweite Tag lief
leider nicht sehr erfolgreich an. Gegen FM Bode (2329) opferte Sebastian
mit Schwarz früh einen Bauern.Weiß nahm sich dann viel Bedenkzeit,
arbeitete aber einen sehr starken Plan aus, die Königsstellung von
Sebastian zu schwächen. Diese Partie ging verloren. Sehr bitter wurde
die sechste Runde. Gegen Bräuer (2285) hatte Sebastian - erneut mit
Schwarz - nach einer starken Partie irgendwann einen schnellen Gewinn verpaßt,
aber musste nach einem Qualitätsverlust (gegen Bauer) um das Remis
kämpfen. Dies gelang nicht.
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Ein Blick auf
das Turnierparkett.
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Sebastian mit
Schwarz gegen Franz Bräuer.
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Es folgte ein spielfreier
voller Punkt. In der letzten Runde machte Gegner Spivak (2344) bereits
vor der Partie eine Art Remisangebot. Aber Sebastian wollte spielen und
diese Partie wurde nochmal ein kleines Schmankerl. Man folgte 17 Züge
lang einer Partie Carlsen - Kramnik, bis Schwarz dann abwich. Mein Kommentar
dazu war: "Aber er musste irgendwann abweichen - schließlich hatte
Kramnik verloren!" Sebastian widerlegte den schwarzen Aufbau und gewann
etwas später Dame gegen Turm und Springer. Die Stellung des Gegners
brach dann auch schnell zusammen. 4,5/9. Also am Ende immer noch 50%.
Aus der Schlußrunde:
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IM An. Donchenko
(2467) - GM Krämer (2542)
Stellung nach 53.
… Sc2
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Die entscheidende
Stellung um den Turniersieg. Krämers direkter, punktgleicher Konkurrent
GM Glek hatte seine Partie der letzten Runde zu diesem Zeitpunkt bereits
remisiert. Schwarz hätte also bei einem Sieg den Titel sicher, bei
Remis würde es einen Stichkampf geben. Remis hatte Schwarz einige
Züge vorher abgelehnt. Weiß spielte jetzt 54. a5?? (notwendig
war Th8 oder Th7, um evtl. Schachs "von hinten" geben zu können) und
gab auf nach 54. … Le3 55. Td1 Sd4 56. Ta1 Tf2+.
Fazit
Eine gut organisierte
Veranstaltung des DSB mit ordentlichen Spielbedingungen und reibungslosem
Ablauf. Zur anschließenden Siegerehrung gesellten sich dann noch
DSB-Präsident Bastian und (Ex-)Bundestrainer Bönsch. Der Turniersieg
ging also an GM Krämer vor GM Glek und IM Zelbel. Bei den Frauen,
die parallel spielten, gewann WGM bzw. IM Pähtz.
Sebastians Bilanz mit
einer Ausbeute von 50% fiel sicherlich nicht so schlecht aus, auch wenn
ein kampfloser Punkt darunter war. Auch das Ziel der oberen Tabellenhälfte
wurde mit Platz 17 knapp verfehlt, aber dennoch war es ein Abschneiden
neun Plätze über seinem Setzlistenrang. Und die Performance von
ca. 2250 ELO war auch im Rahmen dessen.
Ein netter Trip, kann
man gerne wiederholen.
- frank modder,
03.10.2013
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Siegerehrung.
Mittig mit grünem
T-Shirt der Turniersieger Krämer,
davor sitzend rechts
Frauen-Siegerin Pähtz.
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