10 Jahre in
Erfurt
Genau 10 Jahre nach
unserem ersten Auftritt in Erfurt beim dortigen Weihnachtsopen waren Sebastian
und ich 2016 wieder vor Ort, insgesamt jetzt zum 4. Mal. Am 2. Weihnachtstag
ging es mittags los und abends startete gleich das Turnier. Als dritten
Mann hatten wir unseren Vereinskameraden von Union Oldenburg, Marc Schuette,
mit dabei. Nach Ende des Turniers ging es dann noch direkt für zwei
Tage nach Berlin, um dort Silvester zu feiern.
Erfurt ist mittlerweile
eine riesige Veranstaltung mit ca. 450 Teilnehmern in 4 Open. Leider verfehlte
ich diesmal knapp die Qualifikationshürde für das Meisterturnier
und musste im Hauptfeld starten. 8 Runden Schweizer System wurden gespielt,
wobei als Bedenkzeit 2h/40+30min herhalten mussten. Ohne Inkrement also.
Früher war es immer eine Umstellung, wenn irgendwo ein Turnier mit
Inkrement gespielt wurde, heute ist es eher anders herum.
Gespielt wurde wieder
im Radisson Hotel, wobei allerdings nur das Meisterturnier im obersten,
17. Stock stattfand - der Rest spielte unten im 1. Stock, was natürlich
sehr unglücklich für mich war. Generell ist das Hotel eher schlecht,
bis auf das Frühstück. Alles ist auf eine Massenhaltung zugeschnitten
und es gibt zu wenig Aufzüge, zumindest in den Stoßzeiten. Die
Standardzimmer sind auch einfach schlecht, beim nächsten Mal müssen
wir hier aufwerten.
Das Turnier
Ich ging gesundheitlich
angeschlagen in das Turnier. In Runde 1 kam ich über Remis mit Schwarz
gegen 1700 nicht hinaus, der Gegner spielte aber auch sehr stark, wobei
sein Bauernopfer vielleicht doch nicht so streng war. Runde 2 brachte knapp
1700 und ich hatte sehr schnell eine starke Stellung, die ich nach und
nach ruinierte, allerdings war der Weg zu mehr auch nicht so klar. Ich
stellte dann einen Bauern weg, kämpfte aber und hatte nochmal eine
unerwartete Chance:
|
Modder - Riegel
Stellung nach dem
42. Zug von Schwarz
|
Hier hätte ich
gehabt 43. Sh6+ Kh8 44. Lxc7 Sxd3 45. Sxf7+ Kg8 46. Sxe5 mit Gewinnchancen.
Nachdem ich dies übersehen hatte, war die Stellung schnell verloren.
Da beide Partien für mich eine Quälerei waren, stieg ich aus
dem Turnier aus und sekundierte anschließend Sebastian. Das war die
richtige Entscheidung, und es wurden immerhin ein paar mehr oder weniger
entspannte Tage in Erfurt.
Sebastian
Und nun etwas ausführlicher
zu Sebastians Partien. Er stand zuletzt kurz vor dem FM-Titel mit 2289
Punkten, aber leider spielte er in einer Mannschaftspartie sowie jeweils
in der letzten Runde bei der Deutschen Meisterschaft und der Deutschen
Polizeimeisterschaft etwas unglücklich und stampfte sich runter auf
2237. Aber sein Niveau schien zuletzt verbessert, also schauen wir mal,
wie es ihm in Erfurt erging.
Tag 1
Zum Auftakt gegen Schmidt
(2019) gab Sebastian mit Weiß früh das Läuferpaar auf,
und Schwarz schien ganz passabel zu stehen. Aber der Oldenburger verstand
die Stellung einfach besser und letztlich endete diese Partie nach einem
groben Fehler seines Gegners, der Sebastian eine Springergabel nebst Materialgewinn
ermöglichte.
Tag 2
Es folgte eine ungleich
schwierigere Aufgabe am folgenden Tag in der Vormittagsrunde: Die Nr. 1
der Setzliste, IM Jonas Lampert, der mittlerweile die 2500er Marke erreicht
hat. Aber Bast kann sich ja gerade da besonders motivieren. Nach 17 Zügen
war eine kritische Stellung erreicht:
|
Lampert - Müer
Stellung nach dem
17. Zug von Weiß
|
Schwarz steht passiv,
es ist nicht klar, wie er sich weiter entwickeln soll. Weiß droht
zum Beispiel einfach mit 0-0, wonach Lxf6 droht - der Te8 hängt. Hier
spielte Sebastian aber ein sehr starkes Qualitätsopfer: 17.
Dxd6
18. Dxe8+ Sxe8 19. Lxd6 Sxd6 20. Lxa6 Sxa6 und erreichte damit folgende
Stellung:
|
Lampert - Müer
Stellung nach dem
20. Zug von Schwarz
|
Nunmehr hat Schwarz
schöne Felder für seine Springer und sein Läufer auf g7
ist plötzlich eine Macht, die Bauern am Damenflügel drohen auch
vorzugehen.Vermutlich hat man hier vollständige Kompensation. Nachdem
Weiß die Qualität zurückgab, wurde ein einfaches Turmendspiel
erreicht mit g- und h-Bauer gegen f- und h-Bauer. Aber Weiß zog ewig
herum, wobei hier Sebastian leider auf der Uhr stark im Nachteil war. Weiß
übertrieb es aber und Bast hätte einmal 3malige Stellungswiederholung
reklamieren können, zu diesem Zeitpunkt schrieb er aber bereits nicht
mehr mit. Am Ende stampfte er einen Bauern weg und die Stellung war theoretisch
verloren, kurz darauf fiel sein Blättchen.
In der Nachmittagsrunde
wartete auf Sebastian ein talentierter 12jähriger Spieler mit 2039
Punkten. Aber mit Weiß fand Bast gut in die Partie, auch wenn er
bessere Möglichkeiten hier und da nicht nutzte. Schließlich
holte er sich eine Qualität, aber der Gegner hatte immerhin zwei Bauern
dafür und der weiße Vorteil war nicht ganz so klar. Und plötzlich
war Bast in Zeitnot und er griff daneben:
|
|
Müer - Weishäutel
Stellung nach dem
36. Zug von Schwarz
|
Optisch ist Schwarz
hier höchstens Brusthöhe.
Aber Sebastian musste
alles reinhauen, um zu gewinnen.
|
Eine unklare Stellung.
Selbst wenn Weiß sich z.B. auf a7 und b7 bedienen könnte, hätte
Schwarz mit Te8-e6-g6 genug Gegenspiel, um die Stellung zu halten. Hier
nun allerdings war das von Sebastian gespielte 37. Le2 nicht der
Zug der Wahl. Jetzt nämlich hätte 37.
Dxe5 38. Sxe5 Te8 Material
gewonnen: 39. Sf7+ Kg8 40. Lh5 g6 41. Sh6+ Kg7 42. Sf5+ Kf6 43. Sd6 Te6,
und 44. Se4+ scheitert einfach an Txe4 etc.
Nachdem Schwarz aber
stattdessen 37.
h6 spielte, tauschte Sebastian die Damen und stellte
seinen Springer nach e5. Schwarz kam mit den Bauern am Königsflügel
vor und opferte schließlich die Qualität auf e5, um mit vier
Freibauern gegen den blanken König zu stürmen. Damit geriet er
allerdings von einer fast gewonnenen in eine Verlustsituation. Sebastian
spielte nun wieder sehr streng, aktivierte seinen Freibauern auf der c-Linie
und fand mit seinem König die richtige Route durch die feindlichen
Bauern.
Beide wandelten um,
und nach ein paar Schachgeboten gingen Schwarz die Züge aus und Sebastian
setzte Matt. Bitter für Schwarz, und sicher keine kindgerechte Behandlung
von Bast für seinen Gegner! 2,0/3 scheinen aber in Ordnung, immerhin
war da auch die Lampert-Partie
Tag 3
Unangenehme Aufgabe
in der 4. Runde für Sebastian, nämlich Schwarz gegen Greiner
(2098). Denn Weiß zeigte in dieser Partie, dass er nur Remis wollte.
Bast quetschte alles aus der Stellung heraus, und in einem Damenendspiel
gewann er einen Bauern. Der Gegner opferte einen weiteren Bauern, um einen
Freibauern zu erhalten und sich somit ausreichendes Gegenspiel zu besorgen.
Es ergab sich dann folgende Lage:
|
Greiner - Müer
Stellung nach dem
35. Zug von Weiß
|
Hier hätte Sebastian
wohl direkt 35.
b3 versuchen müssen mit der etwaigen Folge 36. cxb3
d4 37. Db8+ Kg7 38. De5+ Kf8 39. Dd6+ Ke8 40. a6 d3 41. Ka2 d2 42. a7 Da5+
und Schwarz verbleibt in einem Damenendspiel mit einem Mehrbauern. Da kann
man dann noch spielen zumindest. Sebastian gab den b-Bauern kurz darauf
in einer etwas anderen Konstellation, wonach ihm aber wegen des starken
a-Bauern nur ein Dauerschach blieb.
Mit Weiß in Runde
5 musste nun aber ein Sieg her. Und Sebastian machte auch tatsächlich
kurzen Prozess mit seinem Gegner Everett (2109). Nach nur 20 Zügen
stand Bast bereits auf Gewinn, als es folgendermaßen zu Ende ging:
|
Müer - Everett
Stellung nach dem
20. Zug von Schwarz
|
Sebastian spielte 21.
Sc6, wonach Schwarz noch mal versuchte, alles auf eine Karte zu setzen
mit 21.
h5 22. gxh5 Lh3. Aber Bast reagierte nach 23. Lf3 Lxg2
24. Lxg2 f3 kaltblütig mit 25. Txf3 Txf3 26. Ld2 nebst
Aufgabe von Schwarz. 3,5 Punkte aus 5 Runden und die Performance stimmten
bis dato.
Tag 4
Es wurde ein schwerer
Tag für Sebastian, zumindest auf dem Papier. Einmal gegen IM und einmal
gegen 2400. Zunächst ging es gegen IM Berchtenbreiter (2384). Durch
gute Vorbereitung gelang es Bast, eine starke Stellung zu erreichen. Hier
ein kurzer Eindruck dieser Partie:
|
Müer - Berchtenbreiter
Stellung nach dem
17. Zug von Schwarz
|
Weiß muss hier
besser stehen. Sebastian spielte 18. Txb5, genauer wäre aber
Lxb5 gewesen, aber Bast wollte seinem Gegner kein Tempo schenken. In der
Partie folgte 18.
Ta4 19. Tb7 Tc8 20. Lb5 Ta8 21. c4 Sec6, und
es zeigte sich, dass a5 ein ganz gutes Feld für den Springer ist.
Kurz darauf wiederholte man Züge und die Partie endete mit einem Remis.
Dennoch ein grundsätzlich positives Ergebnis.
Nach Doppelweiß
war davon auszugehen, dass Bast in den beiden letzten Runden jeweils Schwarz
bekommen würde, so kam es dann auch. Vorletzter Gegner war FM Brüdigam
(2412). Erneut erreichte Sebastian eine ganz gute Stellung, nachdem einmal mehr
die Vorbereitung ins Schwarze getroffen hatte. Hier ein kurzer Eindruck:
|
Brüdigam
- Müer
Stellung nach dem
18. Zug von Schwarz
|
Bast hatte soeben b5
gespielt. Weiß liquidierte zwei Bauernpaare am Damenflügel,
aber die schwarzen Figuren waren einfach besser aufgestellt. Ein Remis
aber wollte Weiß nicht. Als dann der a- und der d-Bauer sowie Damen
und Springer vom Brett gingen, hätte man getrost Remis machen können.
Weiß spielte aber noch 37 Züge weiter, ohne dabei jedoch irgendeine
Art von Problemen stellen zu können, auch musste Sebastian keine einzigen
Züge finden. Remis wurde unausweichlich.
Ein erfolgreicher Tag
für Sebastian, er zeigte, dass er gegen 2400er auf Augenhöhe
mitspielen kann. Und was Zählbares sprang ja auch heraus. Vielleicht
war es etwas ärgerlich, die schöne Stellung gegen Berchtenbreiter
recht schnell aus der Hand gegeben zu haben, aber letztlich konnte er zufrieden
sein. Die Performance war auch weiterhin stark mit 2337.
Tag 5
Der letzte Gegner war
unangenehm. Schwarz gegen Schupp (2079), wobei dieser aber wohl als stärker
einzuschätzen war, zumindest auch im Turnier agierte er deutlich besser.
In einer ruhigen Eröffnung verwechselte Sebastian die Züge, und
Weiß stand sehr solide, auf mehr als auf Ausgleich konnte Bast da
wohl nicht mehr hoffen. Er nahm ein sehr frühes Remisangebot seines
Gegners an.
|
Marc Schuette,
links, spielte ein sehr gutes Turnier, eine Doppelnull am 4. Tag warf ihn
etwas zurück, aber am Ende gab es noch einen Sieg und eine Performance
von 2258.
|
Fazit:
Starkes Turnier dennoch
von Sebastian. Performance 2300 und Rückkehr auf 2250 Wertungspunkte.
Zuletzt hatte Sebastian ja 2x Probleme in der letzten Runde, hier zumindest
mal bekam er in der Schlusspartie keine Schwierigkeiten, den guten Gesamteindruck
konnte diese Partie auch nicht vewässern.
Unter dem Strich blieben
3 Gewinnpartien, alle gegen Gegner bis max. 2100 Punkte. Zwei davon waren
eindeutig, nur die Partie gegen den jungen Gegner stand auf Messers Schneide.
Dem gegenüber steht nur eine einzige Niederlage, und die war mit Schwarz
gegen die Nr. 1, wobei Sebastian hier auch ein Remis eigentlich schon in
der Tasche hatte.
Viermal Remis insgesamt,
dabei wie gesagt gegen die beiden 2400er auf Augenhöhe mitgespielt,
zumindest gegen Berchtenbreiter sogar Remis aus der Position der Stärke
heraus. Es zeigte sich aber auch zwei Mal, dass es mit Schwarz schwierig
ist für Bast, gegen 2000er zu gewinnen, wenn diese einzig und allein
auf ein Remis spielen. Hier muss er vielleicht nochmal an seinem Repertoire
feilen.
Zuletzt noch der Link
zur Turnierseite:
Offizielle
Turnierseite
- frank modder,
03.01.2017
|
Berlin Berlin
|
****
|