- Schachfestival Erfurt 2016 -
26.12. - 30.12.

 
Zum 4. Mal im Osten beim Weihnachtsopen
 
10 Jahre in Erfurt

Genau 10 Jahre nach unserem ersten Auftritt in Erfurt beim dortigen Weihnachtsopen waren Sebastian und ich 2016 wieder vor Ort, insgesamt jetzt zum 4. Mal. Am 2. Weihnachtstag ging es mittags los und abends startete gleich das Turnier. Als dritten Mann hatten wir unseren Vereinskameraden von Union Oldenburg, Marc Schuette, mit dabei. Nach Ende des Turniers ging es dann noch direkt für zwei Tage nach Berlin, um dort Silvester zu feiern.

Erfurt ist mittlerweile eine riesige Veranstaltung mit ca. 450 Teilnehmern in 4 Open. Leider verfehlte ich diesmal knapp die Qualifikationshürde für das Meisterturnier und musste im Hauptfeld starten. 8 Runden Schweizer System wurden gespielt, wobei als Bedenkzeit 2h/40+30min herhalten mussten. Ohne Inkrement also. Früher war es immer eine Umstellung, wenn irgendwo ein Turnier mit Inkrement gespielt wurde, heute ist es eher anders herum.

Gespielt wurde wieder im Radisson Hotel, wobei allerdings nur das Meisterturnier im obersten, 17. Stock stattfand - der Rest spielte unten im 1. Stock, was natürlich sehr unglücklich für mich war. Generell ist das Hotel eher schlecht, bis auf das Frühstück. Alles ist auf eine Massenhaltung zugeschnitten und es gibt zu wenig Aufzüge, zumindest in den Stoßzeiten. Die Standardzimmer sind auch einfach schlecht, beim nächsten Mal müssen wir hier aufwerten.
 


2007...
... und 2016

Das Turnier

Ich ging gesundheitlich angeschlagen in das Turnier. In Runde 1 kam ich über Remis mit Schwarz gegen 1700 nicht hinaus, der Gegner spielte aber auch sehr stark, wobei sein Bauernopfer vielleicht doch nicht so streng war. Runde 2 brachte knapp 1700 und ich hatte sehr schnell eine starke Stellung, die ich nach und nach ruinierte, allerdings war der Weg zu mehr auch nicht so klar. Ich stellte dann einen Bauern weg, kämpfte aber und hatte nochmal eine unerwartete Chance:
 

Modder - Riegel
Stellung nach dem 42. Zug von Schwarz

Hier hätte ich gehabt 43. Sh6+ Kh8 44. Lxc7 Sxd3 45. Sxf7+ Kg8 46. Sxe5 mit Gewinnchancen. Nachdem ich dies übersehen hatte, war die Stellung schnell verloren. Da beide Partien für mich eine Quälerei waren, stieg ich aus dem Turnier aus und sekundierte anschließend Sebastian. Das war die richtige Entscheidung, und es wurden immerhin ein paar mehr oder weniger entspannte Tage in Erfurt.

Sebastian

Und nun etwas ausführlicher zu Sebastians Partien. Er stand zuletzt kurz vor dem FM-Titel mit 2289 Punkten, aber leider spielte er in einer Mannschaftspartie sowie jeweils in der letzten Runde bei der Deutschen Meisterschaft und der Deutschen Polizeimeisterschaft etwas unglücklich und stampfte sich runter auf 2237. Aber sein Niveau schien zuletzt verbessert, also schauen wir mal, wie es ihm in Erfurt erging.

Tag 1

Zum Auftakt gegen Schmidt (2019) gab Sebastian mit Weiß früh das Läuferpaar auf, und Schwarz schien ganz passabel zu stehen. Aber der Oldenburger verstand die Stellung einfach besser und letztlich endete diese Partie nach einem groben Fehler seines Gegners, der Sebastian eine Springergabel nebst Materialgewinn ermöglichte.

Tag 2

Es folgte eine ungleich schwierigere Aufgabe am folgenden Tag in der Vormittagsrunde: Die Nr. 1 der Setzliste, IM Jonas Lampert, der mittlerweile die 2500er Marke erreicht hat. Aber Bast kann sich ja gerade da besonders motivieren. Nach 17 Zügen war eine kritische Stellung erreicht:
 

Lampert - Müer
Stellung nach dem 17. Zug von Weiß

Schwarz steht passiv, es ist nicht klar, wie er sich weiter entwickeln soll. Weiß droht zum Beispiel einfach mit 0-0, wonach Lxf6 droht - der Te8 hängt. Hier spielte Sebastian aber ein sehr starkes Qualitätsopfer: 17. … Dxd6 18. Dxe8+ Sxe8 19. Lxd6 Sxd6 20. Lxa6 Sxa6 und erreichte damit folgende Stellung:
 

Lampert - Müer
Stellung nach dem 20. Zug von Schwarz

Nunmehr hat Schwarz schöne Felder für seine Springer und sein Läufer auf g7 ist plötzlich eine Macht, die Bauern am Damenflügel drohen auch vorzugehen.Vermutlich hat man hier vollständige Kompensation. Nachdem Weiß die Qualität zurückgab, wurde ein einfaches Turmendspiel erreicht mit g- und h-Bauer gegen f- und h-Bauer. Aber Weiß zog ewig herum, wobei hier Sebastian leider auf der Uhr stark im Nachteil war. Weiß übertrieb es aber und Bast hätte einmal 3malige Stellungswiederholung reklamieren können, zu diesem Zeitpunkt schrieb er aber bereits nicht mehr mit. Am Ende stampfte er einen Bauern weg und die Stellung war theoretisch verloren, kurz darauf fiel sein Blättchen.

In der Nachmittagsrunde wartete auf Sebastian ein talentierter 12jähriger Spieler mit 2039 Punkten. Aber mit Weiß fand Bast gut in die Partie, auch wenn er bessere Möglichkeiten hier und da nicht nutzte. Schließlich holte er sich eine Qualität, aber der Gegner hatte immerhin zwei Bauern dafür und der weiße Vorteil war nicht ganz so klar. Und plötzlich war Bast in Zeitnot und er griff daneben:
 

Müer - Weishäutel
Stellung nach dem 36. Zug von Schwarz
Optisch ist Schwarz hier höchstens Brusthöhe.
Aber Sebastian musste alles reinhauen, um zu gewinnen.

Eine unklare Stellung. Selbst wenn Weiß sich z.B. auf a7 und b7 bedienen könnte, hätte Schwarz mit Te8-e6-g6 genug Gegenspiel, um die Stellung zu halten. Hier nun allerdings war das von Sebastian gespielte 37. Le2 nicht der Zug der Wahl. Jetzt nämlich hätte 37. … Dxe5 38. Sxe5 Te8 Material gewonnen: 39. Sf7+ Kg8 40. Lh5 g6 41. Sh6+ Kg7 42. Sf5+ Kf6 43. Sd6 Te6, und 44. Se4+ scheitert einfach an Txe4 etc.

Nachdem Schwarz aber stattdessen 37. … h6 spielte, tauschte Sebastian die Damen und stellte seinen Springer nach e5. Schwarz kam mit den Bauern am Königsflügel vor und opferte schließlich die Qualität auf e5, um mit vier Freibauern gegen den blanken König zu stürmen. Damit geriet er allerdings von einer fast gewonnenen in eine Verlustsituation. Sebastian spielte nun wieder sehr streng, aktivierte seinen Freibauern auf der c-Linie und fand mit seinem König die richtige Route durch die feindlichen Bauern.

Beide wandelten um, und nach ein paar Schachgeboten gingen Schwarz die Züge aus und Sebastian setzte Matt. Bitter für Schwarz, und sicher keine kindgerechte Behandlung von Bast für seinen Gegner! 2,0/3 scheinen aber in Ordnung, immerhin war da auch die Lampert-Partie…

Tag 3

Unangenehme Aufgabe in der 4. Runde für Sebastian, nämlich Schwarz gegen Greiner (2098). Denn Weiß zeigte in dieser Partie, dass er nur Remis wollte. Bast quetschte alles aus der Stellung heraus, und in einem Damenendspiel gewann er einen Bauern. Der Gegner opferte einen weiteren Bauern, um einen Freibauern zu erhalten und sich somit ausreichendes Gegenspiel zu besorgen. Es ergab sich dann folgende Lage:
 

Greiner - Müer
Stellung nach dem 35. Zug von Weiß

Hier hätte Sebastian wohl direkt 35. … b3 versuchen müssen mit der etwaigen Folge 36. cxb3 d4 37. Db8+ Kg7 38. De5+ Kf8 39. Dd6+ Ke8 40. a6 d3 41. Ka2 d2 42. a7 Da5+ und Schwarz verbleibt in einem Damenendspiel mit einem Mehrbauern. Da kann man dann noch spielen zumindest. Sebastian gab den b-Bauern kurz darauf in einer etwas anderen Konstellation, wonach ihm aber wegen des starken a-Bauern nur ein Dauerschach blieb.

Mit Weiß in Runde 5 musste nun aber ein Sieg her. Und Sebastian machte auch tatsächlich kurzen Prozess mit seinem Gegner Everett (2109). Nach nur 20 Zügen stand Bast bereits auf Gewinn, als es folgendermaßen zu Ende ging:
 

Müer - Everett
Stellung nach dem 20. Zug von Schwarz

Sebastian spielte 21. Sc6, wonach Schwarz noch mal versuchte, alles auf eine Karte zu setzen mit 21. … h5 22. gxh5 Lh3. Aber Bast reagierte nach 23. Lf3 Lxg2 24. Lxg2 f3 kaltblütig mit 25. Txf3 Txf3 26. Ld2 nebst Aufgabe von Schwarz. 3,5 Punkte aus 5 Runden und die Performance stimmten bis dato.

Tag 4

Es wurde ein schwerer Tag für Sebastian, zumindest auf dem Papier. Einmal gegen IM und einmal gegen 2400. Zunächst ging es gegen IM Berchtenbreiter (2384). Durch gute Vorbereitung gelang es Bast, eine starke Stellung zu erreichen. Hier ein kurzer Eindruck dieser Partie:
 

Müer - Berchtenbreiter
Stellung nach dem 17. Zug von Schwarz

Weiß muss hier besser stehen. Sebastian spielte 18. Txb5, genauer wäre aber Lxb5 gewesen, aber Bast wollte seinem Gegner kein Tempo schenken. In der Partie folgte 18. … Ta4 19. Tb7 Tc8 20. Lb5 Ta8 21. c4 Sec6, und es zeigte sich, dass a5 ein ganz gutes Feld für den Springer ist. Kurz darauf wiederholte man Züge und die Partie endete mit einem Remis. Dennoch ein grundsätzlich positives Ergebnis.

Nach Doppelweiß war davon auszugehen, dass Bast in den beiden letzten Runden jeweils Schwarz bekommen würde, so kam es dann auch. Vorletzter Gegner war FM Brüdigam (2412). Erneut erreichte Sebastian eine ganz gute Stellung, nachdem einmal mehr die Vorbereitung ins Schwarze getroffen hatte. Hier ein kurzer Eindruck:
 

Brüdigam - Müer
Stellung nach dem 18. Zug von Schwarz

Bast hatte soeben b5 gespielt. Weiß liquidierte zwei Bauernpaare am Damenflügel, aber die schwarzen Figuren waren einfach besser aufgestellt. Ein Remis aber wollte Weiß nicht. Als dann der a- und der d-Bauer sowie Damen und Springer vom Brett gingen, hätte man getrost Remis machen können. Weiß spielte aber noch 37 Züge weiter, ohne dabei jedoch irgendeine Art von Problemen stellen zu können, auch musste Sebastian keine einzigen Züge finden. Remis wurde unausweichlich.

Ein erfolgreicher Tag für Sebastian, er zeigte, dass er gegen 2400er auf Augenhöhe mitspielen kann. Und was Zählbares sprang ja auch heraus. Vielleicht war es etwas ärgerlich, die schöne Stellung gegen Berchtenbreiter recht schnell aus der Hand gegeben zu haben, aber letztlich konnte er zufrieden sein. Die Performance war auch weiterhin stark mit 2337.

Tag 5

Der letzte Gegner war unangenehm. Schwarz gegen Schupp (2079), wobei dieser aber wohl als stärker einzuschätzen war, zumindest auch im Turnier agierte er deutlich besser. In einer ruhigen Eröffnung verwechselte Sebastian die Züge, und Weiß stand sehr solide, auf mehr als auf Ausgleich konnte Bast da wohl nicht mehr hoffen. Er nahm ein sehr frühes Remisangebot seines Gegners an.
 

Marc Schuette, links, spielte ein sehr gutes Turnier, eine Doppelnull am 4. Tag warf ihn etwas zurück, aber am Ende gab es noch einen Sieg und eine Performance von 2258.

Fazit:

Starkes Turnier dennoch von Sebastian. Performance 2300 und Rückkehr auf 2250 Wertungspunkte. Zuletzt hatte Sebastian ja 2x Probleme in der letzten Runde, hier zumindest mal bekam er in der Schlusspartie keine Schwierigkeiten, den guten Gesamteindruck konnte diese Partie auch nicht vewässern.

Unter dem Strich blieben 3 Gewinnpartien, alle gegen Gegner bis max. 2100 Punkte. Zwei davon waren eindeutig, nur die Partie gegen den jungen Gegner stand auf Messers Schneide. Dem gegenüber steht nur eine einzige Niederlage, und die war mit Schwarz gegen die Nr. 1, wobei Sebastian hier auch ein Remis eigentlich schon in der Tasche hatte.

Viermal Remis insgesamt, dabei wie gesagt gegen die beiden 2400er auf Augenhöhe mitgespielt, zumindest gegen Berchtenbreiter sogar Remis aus der Position der Stärke heraus. Es zeigte sich aber auch zwei Mal, dass es mit Schwarz schwierig ist für Bast, gegen 2000er zu gewinnen, wenn diese einzig und allein auf ein Remis spielen. Hier muss er vielleicht nochmal an seinem Repertoire feilen.

Zuletzt noch der Link zur Turnierseite:

Offizielle Turnierseite

- frank modder, 03.01.2017
 

Berlin Berlin

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