- 11. Internationales Schnellschachturnier Herne, 2011 -
21.08.
 

Eine Hand am Pott(z) in Westfalen
 
Gelungener Formtest beim Schnellturnier im Ruhrgebiet

Um nach zweimonatigem Fristen in den heimischen Analysierküchen mal wieder die Form zu testen, spielten Sebastian Müer und ich ein Schnellturnier im westfälischen Herne. Am Start gut hundert Teilnehmer, unter ihnen die Großmeister Fridman (die deutsche Nr. 2), Orlov, Meijers und Levin, dazu eine ganze Reihe von Internationalen Meistern. Gespielt wurden 9 Runden nach Schweizer System mit einer Bedenkzeit von 15 Minuten pro Spieler und Partie. Sebastian war an Pos. 19 gesetzt, ich knapp in der unteren Hälfte.

Runden 1 und 2 - Der schwierige Auftakt

Sebastian startete gut mit zwei Siegen gegen schwächer eingestufte Gegner, auch wenn die beiden Punkte in hartem Kampf errungen werden mussten. Bei mir war der Auftakt etwas differenzierter zu betrachten: 1. Runde gegen GM Levin. Es gelang mir, den Meister um einen wichtigen Zentralbauern zu erleichtern, aber er hatte Gegenspiel über die offene f-Linie. Später brachte er ein Figurenopfer, ich hoffte jedoch - da das Material schon reduziert war - den Angriff abzuwehren und mit der Mehrfigur zu spielen, doch meine Zeit wurde zu knapp und ich fand nicht die richtige Verteidigung. Runde zwei war Schrott: Mein klar schwächerer Gegner hatte Turm und Läufer für Angriff geopfert. Ich wollte konsolidieren, übersah aber ein Matt. 0 aus 2 - aber danach war ich zumindest hellwach.
 

Das Spiellokal - ein Gemeindehaus.
Ein Blick in den großen der beiden Spielsääle.

Runden 3 und 4 - Hallo, wach!

Sebastian hatte seine Hallo-Wach-Aktion in Runde drei. Gegen den 2500er-IM Hausrath hatte er eine Gewinnstellung mit per Saldo Dame gegen Turm und Läufer (s. nächstes Bild). Aber es ist schwer, einen solchen ELO-Pudding an die Wand zu nageln, und El Basto stellte einen Springer ein. Danach spielten die gegnerischen Figuren auch schön zusammen und bauten ein Mattnetz. Durch diese unglückliche Niederlage ließ sich Sebastian aber nicht beirren und besiegte danach erstmal deutlich einen schwächer eingestuften Gegner. 3 aus 4 also für ihn danach.

Ich konnte in diesen beiden Runden gegen zwei schwächer einzuschätzende Gegner zwei relativ klare Siege erzielen. In Runde drei stand ich zwar klar besser, habe aber noch keinen direkten Materialgewinn gesehen, als mein Gegner in knapper Zeit mir plötzlich die Hand entgegenstreckte. "Da fällt jetzt alles", meinte er nur. Ich nahm die Hand entgegen, wusste zwar nicht, was er meinte, aber nickte verständnisvoll: "Einiges". Mit 2 aus 4 war ich wieder einigermaßen in der Spur.
 

Sebastian gegen IM Hausrath.
Bevor man sich die Augen ruiniert -
hier das Diagramm. Natürlich Weiß am Zug.

Runden 5 und 6 - Potzblitz!

Sebastian konnte in Runde 5 einen weiteren schönen Sieg verbuchen, als es dann in Runde 6 zum Show-Down kam: Gegner war der Internationale Meister Podzielny. Dazu zitiere ich Wikipedia: "Aufgrund seiner überragenden Spielstärke im Blitzschach erhielt er den Spitznamen Potz-Blitz." In dieser Partie jedoch sollte der Meister einen Schluck seiner eigenen Medizin zu schmecken bekommen... Da wir uns nun schon einmal im Ruhrpotz aufhielten, wollte Sebastian natürlich auch den Jack-Potz knacken - Potztausend!* Als ich ans Brett kam, hatten beide Spieler noch die Dame und einen Springer, Sebastian verfügte über einen Mehrbauern. Die (mechanische) Uhr wies jedoch ein fast schon hängendes Blättchen bei ihm auf, während der Westfalenblitz noch über ca. 2,5 Minuten verfügte.

Sebastian tauschte die Damen und blitzte in rasendem Tempo das Endspiel in die Gewinnzone - in bester Schlawin-Manier (man erinnere sich hier). Ich würde sagen, so gefühlte 20 Züge in 2 Sekunden. Er schaffte zwei verbundene Freibauern und rannte zur Umwandlung. Aber würde die Zeit reichen? Sie reichte. Danach war sogar der Gegner erstmal wie vom Blitz getroffen: "Unglaublich.". Mit 5 aus 6 war El Basto nunmehr ganz oben mit dabei. Bei mir lief es in diesen Runden gemächlicher. Ein Endspiel gegen einen FM verloren und danach einen schwächeren Spieler schnell klar besiegt - 3 aus 6.
 

Sebastian vs. Podzielny.
Sebastian vs. Levin aus der Schlußrunde.

Runden 7 bis 9 - Großmeisterliches

In den drei Schlußrunden hatte Sebastian es zweimal mit Großmeistern zu tun. Zunächst in Runde 7 Meijers mit Weiß und am Ende Levin mit den schwarzen Steinen. Beide Gegner hatten eröffnungsseitig noch etwas mehr drauf und Sebastian konstatierte am Ende, zweimal klar verloren zu haben. Dazwischen lag noch eine Partie gegen einen FIDE-Meister. Hier konnte Sebastian eine seiner besten Leistungen zeigen und den starken Gegner mit Schwarz völlig überspielen.

Mein Finale war erfolgreicher: Drei Gegner mit um die 2100 ELO und 2,5 Punkte. Zunächst hatte ich gegen einen weiblichen Gegner eine Gewinnstellung, fand aber das Matt nicht. Sie hatte einen gefährlichen Freibauern, ich einen Mehrläufer. Ich fand dann noch ein Dauerschach. In Runde acht hatte ich einen Bauern verloren, kämpfte mich aber durchs Endspiel und bekam den Bauern wieder, als in den beiderseits letzten Spielsekunden folgende Stellung erreicht wurde:
 

Ich vorne links gegen Limberg.
Modder - Limberg, Schwarz am Zug.

In "starker" Zeitnot eine komplizierte Lage. Wenn er umwandelt, wandele ich mit Schach um, er spielt jedoch danach Kg1 und ich habe mit zwei Schwerfiguren auf dem offenen Brett kein Schach mehr. Ich fürchtete hier schon, den Jasmin-Laake-Sekundentod zu sterben (zur Erinnerung ebenfalls obiger Link, das 4-Damen-Endspiel - ist das wirklich schon 5 Jahre her?). Mein Gegner nahm die Dame in die Hand und wischte damit über das Feld c1, zog dann aber die Hand zurück. Gilt das eigentlich als berührt-geführt? Er spielte dann allerdings Tc4+. Ich hatte vor, darauf Kh5 zu spielen, aber ich rechnete nur wie wild an Umwandlungssachen herum. Nachdem er tatsächlich Schach gegeben hatte, hatte ich darum einen Blackout und zog Kg5????. Es folgte die Umwandlung mit Schach und ich ging nach g6. Daraufhin vergaß mein Gegner jedoch, daß sein Turm nicht mehr auf der 5. Reihe stand und zog Dg5+????, zwei Züge später fiel auch sein Blättchen.

In der Schlußrunde knüppelte mein Gegner taktisch drauf, aber ich hatte mit dem Mehrmaterial nach harter Verteidigung ein gewonnenes Endspiel. Der Gegner wollte mit Turm gegen Dame noch ein Festungsmotiv installieren, aber überschritt die Zeit.

Fazit:

Sebastian hat mit 6,0 aus 9 einen hervorragenden 11. Platz belegt, dazu mit der zweitbesten Buchholzzahl seiner Punktegruppe, gleichauf mit ihm ist u.a. die vierfache und amtierende US-Meisterin Zatonskih. Seine ELO-Leistung lag bei 2370, die DWZ-Leistung bei 2363. Sebastian zeigte sich mit seiner Leistung sehr zurfrieden. Das war auch ich: 5,5 Punkte, Platz 31, ELO-Leistung 2198. Allerdings muß man relativieren: Die DWZ-Leistung weicht mit 2016 doch stark ab und meine Buchholzzahl ist auch sehr schlecht, sprich der ein oder andere schwächere Gegner war bei mir mit dabei. Allerdings blieb mir der 2. Ratingpreis in meiner Wertungsgruppe. Alles in allem also: Generalprobe geglückt.

- frank modder, 21.08.11

Hier noch der Link zur offiziellen Turnierseite.

* Sonstiges:

 
Es ist nur ein Gerücht, daß wir uns als
Preis für die beste Partie für unsere I-Potz das
neue Lied von Paul Potz herunterladen konnten.
 
P.S.: Unser nächstes Turnier ist entweder in Potzhausen oder in Potzdam, wir überlegen noch. (Hey, ich habe nicht damit angefangen!).

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