Gelungener
Formtest beim Schnellturnier im Ruhrgebiet
Um nach zweimonatigem
Fristen in den heimischen Analysierküchen mal wieder die Form zu testen,
spielten Sebastian Müer und ich ein Schnellturnier im westfälischen
Herne. Am Start gut hundert Teilnehmer, unter ihnen die Großmeister
Fridman (die deutsche Nr. 2), Orlov, Meijers und Levin, dazu eine ganze
Reihe von Internationalen Meistern. Gespielt wurden 9 Runden nach Schweizer
System mit einer Bedenkzeit von 15 Minuten pro Spieler und Partie. Sebastian
war an Pos. 19 gesetzt, ich knapp in der unteren Hälfte.
Runden 1 und 2 -
Der schwierige Auftakt
Sebastian startete
gut mit zwei Siegen gegen schwächer eingestufte Gegner, auch wenn
die beiden Punkte in hartem Kampf errungen werden mussten. Bei mir war
der Auftakt etwas differenzierter zu betrachten: 1. Runde gegen GM Levin.
Es gelang mir, den Meister um einen wichtigen Zentralbauern zu erleichtern,
aber er hatte Gegenspiel über die offene f-Linie. Später brachte
er ein Figurenopfer, ich hoffte jedoch - da das Material schon reduziert
war - den Angriff abzuwehren und mit der Mehrfigur zu spielen, doch meine
Zeit wurde zu knapp und ich fand nicht die richtige Verteidigung. Runde
zwei war Schrott: Mein klar schwächerer Gegner hatte Turm und Läufer
für Angriff geopfert. Ich wollte konsolidieren, übersah aber
ein Matt. 0 aus 2 - aber danach war ich zumindest hellwach.
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Das Spiellokal
- ein Gemeindehaus.
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Ein Blick in den
großen der beiden Spielsääle.
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Runden 3 und 4 -
Hallo, wach!
Sebastian hatte seine
Hallo-Wach-Aktion in Runde drei. Gegen den 2500er-IM Hausrath hatte er
eine Gewinnstellung mit per Saldo Dame gegen Turm und Läufer (s. nächstes
Bild). Aber es ist schwer, einen solchen ELO-Pudding an die Wand zu nageln,
und El Basto stellte einen Springer ein. Danach spielten die gegnerischen
Figuren auch schön zusammen und bauten ein Mattnetz. Durch diese unglückliche
Niederlage ließ sich Sebastian aber nicht beirren und besiegte danach
erstmal deutlich einen schwächer eingestuften Gegner. 3 aus 4 also
für ihn danach.
Ich konnte in diesen
beiden Runden gegen zwei schwächer einzuschätzende Gegner zwei
relativ klare Siege erzielen. In Runde drei stand ich zwar klar besser,
habe aber noch keinen direkten Materialgewinn gesehen, als mein Gegner
in knapper Zeit mir plötzlich die Hand entgegenstreckte. "Da fällt
jetzt alles", meinte er nur. Ich nahm die Hand entgegen, wusste zwar nicht,
was er meinte, aber nickte verständnisvoll: "Einiges". Mit 2 aus 4
war ich wieder einigermaßen in der Spur.
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Sebastian gegen
IM Hausrath.
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Bevor man sich
die Augen ruiniert -
hier das Diagramm.
Natürlich Weiß am Zug.
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Runden 5 und 6 -
Potzblitz!
Sebastian konnte in
Runde 5 einen weiteren schönen Sieg verbuchen, als es dann in Runde
6 zum Show-Down kam: Gegner war der Internationale Meister Podzielny. Dazu
zitiere ich Wikipedia: "Aufgrund seiner überragenden Spielstärke
im Blitzschach erhielt er den Spitznamen Potz-Blitz." In dieser Partie
jedoch sollte der Meister einen Schluck seiner eigenen Medizin zu schmecken
bekommen... Da wir uns nun schon einmal im Ruhrpotz aufhielten, wollte
Sebastian natürlich auch den Jack-Potz knacken - Potztausend!* Als
ich ans Brett kam, hatten beide Spieler noch die Dame und einen Springer,
Sebastian verfügte über einen Mehrbauern. Die (mechanische) Uhr
wies jedoch ein fast schon hängendes Blättchen bei ihm auf, während
der Westfalenblitz noch über ca. 2,5 Minuten verfügte.
Sebastian tauschte
die Damen und blitzte in rasendem Tempo das Endspiel in die Gewinnzone
- in bester Schlawin-Manier (man
erinnere sich hier). Ich würde sagen, so gefühlte
20 Züge in 2 Sekunden. Er schaffte zwei verbundene Freibauern und
rannte zur Umwandlung. Aber würde die Zeit reichen? Sie reichte. Danach
war sogar der Gegner erstmal wie vom Blitz getroffen: "Unglaublich.". Mit
5 aus 6 war El Basto nunmehr ganz oben mit dabei. Bei mir lief es in diesen
Runden gemächlicher. Ein Endspiel gegen einen FM verloren und danach
einen schwächeren Spieler schnell klar besiegt - 3 aus 6.
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Sebastian vs.
Podzielny.
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Sebastian vs.
Levin aus der Schlußrunde.
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Runden 7 bis 9 -
Großmeisterliches
In den drei Schlußrunden
hatte Sebastian es zweimal mit Großmeistern zu tun. Zunächst
in Runde 7 Meijers mit Weiß und am Ende Levin mit den schwarzen Steinen.
Beide Gegner hatten eröffnungsseitig noch etwas mehr drauf und Sebastian
konstatierte am Ende, zweimal klar verloren zu haben. Dazwischen lag noch
eine Partie gegen einen FIDE-Meister. Hier konnte Sebastian eine seiner
besten Leistungen zeigen und den starken Gegner mit Schwarz völlig
überspielen.
Mein Finale war erfolgreicher:
Drei Gegner mit um die 2100 ELO und 2,5 Punkte. Zunächst hatte ich
gegen einen weiblichen Gegner eine Gewinnstellung, fand aber das Matt nicht.
Sie hatte einen gefährlichen Freibauern, ich einen Mehrläufer.
Ich fand dann noch ein Dauerschach. In Runde acht hatte ich einen Bauern
verloren, kämpfte mich aber durchs Endspiel und bekam den Bauern wieder,
als in den beiderseits letzten Spielsekunden folgende Stellung erreicht
wurde:
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Ich vorne links
gegen Limberg.
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Modder - Limberg,
Schwarz am Zug.
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In "starker" Zeitnot
eine komplizierte Lage. Wenn er umwandelt, wandele ich mit Schach um, er
spielt jedoch danach Kg1 und ich habe mit zwei Schwerfiguren auf dem offenen
Brett kein Schach mehr. Ich fürchtete hier schon, den Jasmin-Laake-Sekundentod
zu sterben (zur Erinnerung
ebenfalls obiger Link, das 4-Damen-Endspiel
- ist das wirklich schon 5 Jahre her?).
Mein Gegner nahm die Dame in die Hand und wischte damit über das Feld
c1, zog dann aber die Hand zurück. Gilt das eigentlich als berührt-geführt?
Er spielte dann allerdings Tc4+. Ich hatte vor, darauf Kh5 zu spielen,
aber ich rechnete nur wie wild an Umwandlungssachen herum. Nachdem er tatsächlich
Schach gegeben hatte, hatte ich darum einen Blackout und zog Kg5????. Es
folgte die Umwandlung mit Schach und ich ging nach g6. Daraufhin vergaß
mein Gegner jedoch, daß sein Turm nicht mehr auf der 5. Reihe stand
und zog Dg5+????, zwei Züge später fiel auch sein Blättchen.
In der Schlußrunde
knüppelte mein Gegner taktisch drauf, aber ich hatte mit dem Mehrmaterial
nach harter Verteidigung ein gewonnenes Endspiel. Der Gegner wollte mit
Turm gegen Dame noch ein Festungsmotiv installieren, aber überschritt
die Zeit.
Fazit:
Sebastian hat mit 6,0
aus 9 einen hervorragenden 11. Platz belegt, dazu mit der zweitbesten Buchholzzahl
seiner Punktegruppe, gleichauf mit ihm ist u.a. die vierfache und amtierende
US-Meisterin Zatonskih. Seine ELO-Leistung lag bei 2370, die DWZ-Leistung
bei 2363. Sebastian zeigte sich mit seiner Leistung sehr zurfrieden. Das
war auch ich: 5,5 Punkte, Platz 31, ELO-Leistung 2198. Allerdings muß
man relativieren: Die DWZ-Leistung weicht mit 2016 doch stark ab und meine
Buchholzzahl ist auch sehr schlecht, sprich der ein oder andere schwächere
Gegner war bei mir mit dabei. Allerdings blieb mir der 2. Ratingpreis in
meiner Wertungsgruppe. Alles in allem also: Generalprobe geglückt.
- frank modder,
21.08.11
Hier noch der Link
zur offiziellen
Turnierseite.
* Sonstiges:
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Es ist nur ein
Gerücht, daß wir uns als
Preis für die
beste Partie für unsere I-Potz das
neue Lied von Paul
Potz herunterladen konnten.
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P.S.: Unser nächstes
Turnier ist entweder in Potzhausen oder in Potzdam, wir überlegen
noch. (Hey, ich habe nicht damit angefangen!).
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