Herbstlicher
Doppelpack
Wir wollen hier den
Faden wieder aufnehmen, den wir nach Pardubice 2023 fallengelassen haben.
Zwei Turniere aus dem Herbst sollen noch besprochen werden, beide fanden
unmittelbar hintereinander statt. Ohne Ruhetag dazwischen! Zunächst
im idyllischen Hoogeveen, dann im ländlichen Kamp-Lintfort (NRW).
Sebastian trat vorbereitet mit guten (Eröffnungs-)„Argumenten“
in die Diskussionen mit seinen Gegnern ein. Doch waren diese überzeugend?
Das Rechercheportal turm-holthusen.de macht den Faktencheck!
Hoogeveen
36 Teilnehmer ab 2000
ELO (plus ein paar kuriose Ausnahmen) und an Platz 15 gesetzt, 9 Runden
bei bekannter Bedenkzeit Fischer Kurz. Eine Runde pro Tag, dabei ein Tag
mit einer Doppelrunde. Wie sagen doch die Niederländer? Een
dag niet geschaakt is een dag niet geleefd. Doppelt hält manchmal
auch besser!
Erste Hälfte
In der ersten Runde
ging es gegen die Standard-Inderin: Anfang 40, WGM, Zahl unter 2000. Wait,
what? Hatte mal fast 2400… Zuletzt hart runtergespielt mit Nullen gegen
1500/1600. Was ist da los? Hat es da jemand auf die Rating-Preise abgesehen?
Schwer zu sagen. Die Schachszene wird immer kurioser, und wenn man denkt,
man hat schon alles gesehen… Sebastian stand völlig auf Gewinn,
selbst nach mehreren Ungenauigkeiten war die Stellung noch haltbar - aber
auch das gelang nicht. Immerhin hat sie am Ende des Turnieres mal wieder
2200 performt - geht doch! Hier die Partie:
Sebastian
- Swati 0:1
Sebastian konsolidierte
sich: Schwarzremis gegen einen starken Jugendlichen mit 2100, danach zwei
Siege gegen junge Gegner unter 2000. Der erste Sieg war noch sehr wackelig,
der zweite Sieg hingegen schon recht souverän. Sebastian wint met
speels gemak! Hier der Wackel-Sieg:
Sebastian
- Nijdam 1:0
Auch hier zeigen wir
gemeinerweise wieder nicht, wie das Endspiel weiterging. Aber man muss
sich etwas beschränken mit den Analysen. Ich finde die Verwicklungen
in der Zeitnotphase interessant genug.
Zweite Hälfte
Also rangerobbt und
2,5/4. Aber es lief nicht gut weiter. Weiß-Null gegen einen 2200er.
Remis abgelehnt und dann nicht den richtigen Plan gefunden. Schwarz-Remis
gegen eine junge Mongolin unter 2000 - aber hier hatte Bast Chancen in
der Eröffnung ausgelassen. Und nochmal Null-Diät mit Schwarz
gegen einen jungen FM. Hier wurde eine Taktik übersehen.
So blieben zwei Runden.
In der vorletzten Runde ging es gegen einen walisischen FM Anfang 60, der
seinen Titel bereits im letzten Jahr errungen hat - geht doch! Der sympathische
Frührentner bot allerdings Schach der Marke Kaffeehaus („gegen einen
schwächeren Gegner hätte das vielleicht noch klappen können“
war sein Kommentar hinterher) und Sebastian gelang eine starke Partie.
Hier die leicht entkoffeinierte Version.
Sebastian
- Kett 1:0
Am Ende noch ein taktisches
Handgemenge gegen 2400 - und ein Verlust. Hier kam Sebastian etwas zu spät
ans Brett, da die Autobahnabfahrt Hoogeveen gesperrt war. Wie schon im
letzten Jahr, auch Google wusste nichts davon. Warum sperren die immer
am letzten Turniertag ihre Autobahnabfahrt? Ich werde das mal prüfen,
vielleicht gibt es da einen Halloween-Umzug oder so etwas.
Fazit
Sattes Minus von 40
Punkten. Das hatte man sich ja ganz anders vorgestellt. Manche Gegner sind
aber auch furchtbar unterbewertet. Natürlich muss man dann die Chancen,
die es meistens auch gab, reinmachen. Da muss also im taktischen Bereich
angegriffen werden.
Kurios übrigens,
was sich alles so auf Turnieren tummelt. Es gab noch zwei „Amateur“-Turniere,
eines vormittags und eines am Nachmittag. In beiden (!) Turnieren trat
ein 8jähriger (nochmal: !) niederländischer Junge ohne ELO an,
der reihenweise die 1900er wegfegte: Einmal performte er knapp 2000, einmal
sogar knapp 2100. Der steigt also mit einer schönen ELO von 2000 ein.
In ganz Deutschland
haben wir überhaupt keinen U10-Spieler mit 2000 ELO. Und auch im Bereich
1900 taucht nur ein Name auf. Den jungen Niederländer kann man sich
mal merken für die Zukunft. Da war ich ja echt froh, dass ich nicht
in dem Turnier spielen musste als Semi-Schach-Rentner! Brrrr! Verlassen
wir den Ort des Grauens und gehen wir zum nächsten Turnier.
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Am Brett in Hoogeveen
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Kamp-Lintfort
Die Deutsche Meisterschaft
der Ordnungshüter - traditionell wie immer ausgetragen in der ersten
Novemberwoche. 44 Teilnehmer, 15 davon über 2000, Sebastian an „3“
gesetzt. 7 Runden, eine pro Tag. Auch hier: Fischer Kurz. Keine Corona-Kids
oder obskure indische WGM. Es ging wie gesagt am Tag nach der letzten Hoogeveen-Runde
direkt weiter in Kamp-Lintfort mit der Auftaktpartie. In NRW galt
es, einen zweiten Platz aus dem Vorjahr zu verteidigen - oder vielmehr:
Noch zu verbessern. Und bis zwei Runden vor Schluß schien die Mission
auf einem guten Wege zu sein - dann gab es doch noch die Goldene Ananas.
Schwerer Auftakt
Es gab zunächst
Siege gegen 1800 und 2000, verdient, umkämpft und gegen 2000 auch
mal mit einem Schreckmoment. Ärgerlich war das Weiß-Remis gegen
1900 in Runde drei. Eine Eröffnungsüberraschung, etwas schlechtere
Stellung - da war das Remis aber durchaus pragmatisch. Und für den
weiteren Turnierverlauf sollte sich dieses Schweizer Light-Gambit durchaus
als günstig herausstellen.
Doppel-FM-Sieg
Nun ging es gegen zwei
der drei FM im Feld: Zunächst mit Schwarz gegen Prediger (2200). Hier
gab Weiß einen Bauern, mühte sich aber bis fast zur Zeitkontrolle,
diesen nachzuweisen. Nach einem Fehler seines Gegners kurz vor Zug 40 konnte
Sebastian durch eine technisch einwandfreie Leistung einen ganzen Punkt
buchen. Seine beste Partie in Kamp-Lintfort!
Prediger
- Sebastian 0:1
Stark war auch die
Weiß-Partie gegen FM Natsidis (2300). Nur nicht der vorletzte Zug
der Partie. Es war aber auch der vorletzte Fehler, und Bast gewann schließlich
in einer (Fast-)Miniatur. Wow! 30 Punkte im Plus zu diesem Zeitpunkt und
punktgleich an der Spitze mit Seriensieger FM Kotter - und der besseren
Buchholzzahl.
Sebastian
- Natsidis 1:0
Finale - oh, ha…
Nun also Bast und FM
Kotter (2300) gegeneinander, Sebastian auch noch mit Weiß. Mit der
schlechteren BHZ war der FM also in Zugzwang. Bei einem Remis müsste
Sebastian aber natürlich wohl die letzte Partie mit Schwarz auch noch
gewinnen. Gegen Kotter stand Bast in den letzten Jahren drei- oder viermal
fett auf Gewinn, ein voller Zähler gelang ihm aber nie…
Diesmal steuerte der
Serienmeister die Partie in der Eröffnung auf recht untheoretische,
positionelle Pfade und konnte Sebastian im Endspiel überrumpeln. Allerdings
kein zwangsläufiger Verlauf. So oder so war es wieder mal Essig mit
dem 1. Platz.
Sebastian
- Kotter 0:1
Schade - das Endspiel
musste man wohl nicht verlieren. Na gut. Null gegen 2300 ist an sich noch
kein Drama. Mit einem Sieg in der letzten Runde gegen 2000 hätte Sebastian
das Turnier nun zu einem vernünftigen Ende und einem 2. Platz bringen
können, aber er verlor in einem taktischen Handgemenge mit Fehlern
auf beiden Seiten. Hier ein Diagramm aus der Partie:
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Zahn - Sebastian
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Weiss hat soeben 21.
Dg5-b5? gespielt. Wie hätte Schwarz jetzt gewinnen können? Auflösung
am Ende.
Fazit
Lange Zeit doch ein
sinniges Turnier. Gegen Kotter in Runde 6 stand Sebastian ja wieder einmal
kurz vor einem drohenden Turniersieg. Doch wieder mal Danke - für
nichts! Aber James Bond kommt zurück in 2024 in „Niedersächsische
Landeseinzelmeisterschaft“.
frank modder, 08.01.2024
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Wird es bei der
LEM 2024 an die
Fleischtöpfe
gehen? Wir bleiben dran...
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Lösung:
Schwarz konnte gewinnen mit 21. … Lb4! Droht u.a. Lxc3. Also sagen wir
22. cxb4 Sxd4 23. exd4 Txe2 24. Sf3. Jetzt kommt es zum Damentausch mit
24. … Dd5, und die Stellung ist danach gewonnen. Sogar relativ leicht,
wie einige Varianten zeigen. |