- GM VLASTIMIL HORT ZUM SIMULTAN IN EMDEN -
 

"... ich versichere, daß alle Personen in den folgenden Erzählungen mindestens einige Millionen Lichtjahre
von der Realität entfernt sind.“
Vlastimil Hort, eingangs seines Buches „Schwarzweiße Erzählungen“

Ganz so schlimm war es wirklich nicht beim neuerlichen Gastspiel des tschechisch-deutschen Großmeisters in Emden. Der stets gutgelaunte und nie um eine Anekdote verlegene Hort trat gegen 35 hiesige Schachfreunde an. Eingeladen hatte, wie schon vor drei Jahren, der SK Königsspringer Emden. Sehr relaxt erschien der Meister kurz nach 19 Uhr im Spiellokal. Dort rätselte man schon gebannt, wie der GM wohl eröffnen würde. Beim letzten Mal ließ er an allen Brettern 1. d4 ziehen und forderte zum Gegenzug auf. Hort ließ überall 2. Sf3 antworten, erst dann machte er sich auf seine erste Runde. Dieses mal spielte er in der einen Saalhäfte 1. e4, in der anderen bevorzugte er erneut den Damenbauern mit dem Hinweis: „Ich bin hier auf Damengambit eingestellt.“ Zuvor aber lockerte „Vlasti“ die Stimmung mit folgender Aufgabe (Lösung am Ende):
 

Weiß am Zug setzt Matt in 2 Zügen

Dies konnte keiner lösen. Dementsprechend über seine Gegnerschaft im Bilde ging’s dann los. Unter gelegentlicher Abgabe eines Kommentars drehte der Champ seine Runden. Jeder Spieler durfte einmal passen, die letzten fünf sollten bei jeder zweiten Runde den Meister weiterschicken dürfen, das Schlußbrett sollte im Blitz entschieden werden. Nun gut! Die Holthuser Connection Slopinski/Modder startete ganz gut, wobei Andreas vielleicht einen Tick zu solide den Dameninder aufbaute. Hort hatte hier schnell klare Vorteile. Ich wählte Cambridge-Springs und der Meister tauschte auf f6 und gleich noch die Damen hinterher. Eigentlich hatte ich gar nicht damit gerechnet, hier überhaupt zu spielen, und plötzlich hat man - nach ein paar weiteren Zügen - eine remisliche Endspielstellung. Allen Mut zusammennehmend bot ich dem Meister bei seinem nächsten Erscheinen Remis. Hort nahm sofort an. „Wir haben hier erstes Remis!“ Wow...
 

Schlußstellung Hort - Modder

In einigen Partien schien Hort hier auf die Verliererstraße zu geraten, rettete sich aber durch enormen Kampfgeist. Seine Partien gegen die Heisfelder Doppelspitze Uwe Rau/Shenja Slepuschkin waren kritisch. So stand er mit Qualität weniger gegen Uwe auf Verlust, Shenja schien in einer kritischen Stellung zumindest Dauerschach zu haben. Bei Uwe allerdings schaffte der für Oberhausen spielende Meister dank eines starken Springers ein Remis, wobei Uwe sich dennoch zurecht sehr zufrieden zeigte. Gegen Shenja gewann Hort, nachdem sein König über das ganze Brett marschierte und endlich in Sicherheit war.

All dies geschah auf der d4-Seite, wo er allgemein mehr Probleme zu haben schien. Insgesamt gab er auf diesem Flügel viermal Remis. Außer Uwe und mir hielt Gerd de Buhr ein Bauernendspiel und Björn Ahlich ein Turmendspiel. Auf der e4-Seite gewann der GM lediglich zwei Partien nicht. Dafür gab’s dort die einzige Niederlage: Andreas Kerker schaffte mit einem starken Angriff den Sieg! Nach und nach lichteten sich die Reihen und Hort kämpfte schließlich noch gegen zwei Emder: Hans-Werner Hippler verlor das hoffnungslos stehende Endspiel, Rolf Stein hingegen kämpfte ums Remis, was ihm nach insgesamt fünf Stunden auch gelang.

Eine anstrengende Veranstaltung für den Großmeister. Am Anfang war er sehr locker, zur Mitte hin aber gab es weniger Späße und er spielte sehr konzentriert. Als dann die letzten Partien liefen, entspannte sich Hort zusehends und erfüllte auch reichlich Autogrammwünsche. Mit Kommentaren in Kaffeehausmanier wurden dann die restlichen Gegner angegangen. Insgesamt also fünf Remis und eine Niederlage, ein sehr respektables Ergebnis für den Meister.

Die rundum gelungene Veranstaltung ging am nächsten Vormittag mit einem Seminar zu Ende. An dieser Stelle ein Dank an die Emder Köngisspringer für die Einladung und Glückwunsch zur guten Organisation beider Veranstaltungen. Auch beim Seminar wusste Hort wieder mit einigen Anekdoten aufzuwarten. So schlief er einmal während der Analyse einer Hängepartie mit seinem Magnetschach in der Badewanne ein... Hort nahm auch Stellung zu den Punkten, wie man sein Schach verbessern kann und was bei der Arbeit mit Jugendlichen wichtig ist. Er empfahl allgemein, weniger zu Blitzen und das Studium der alten Meister. Außerdem hob er hervor, daß er selber ein Mannschaftsspieler sei. Mannschaftskämpfe seien für ihn immer etwas besonderes, auch wenn er nicht mehr in der Bundesliga spiele. Als Schmankerl zum Abschluß hier noch eine von Hort präsentierte Aufgabe (Lösung s.u.):
 

Weiß am Zug hält Remis

Ach ja: Das mit über 30 Gegnern immerhin fünf Stunden dauernde Simultan war schon eine recht erschöpfende Angelegenheit für den mittlerweile 59jährigen Meister. Unglaublich erscheint es, wenn man im Guiness-Buch nachliest, daß Hort auch den Weltrekord im Simultanspiel hält - mit 636 Partien. Wahrscheinlich ist der Mann doch Millionen Lichtjahre entfernt...

(Frank Modder)


Weitere Berichte auf der Seite des Veranstalters, www.koenigsspringer-emden.de

Aufgaben:
Matt in 2 Zügen durch 1. Da3
Weiss hält Remis nach 1. b6 a2 2. Ta1 Kc8 3. g4 Kb7 4. g3 Kxb6 5. Kg2 Kb5 6. Kh3 nebst Txa2 (Pattmotive)


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