- Niedersächsische Landesmeisterschaften, Verden, 2019 -
02.01. - 06.01.
 

Im Liegen geht's
 
Auftakt und Schnellturnier

Beim jetzt zu Ende gegangenen Meisterturnier des NSV startete Sebastian einmal mehr einen Angriff auf den Titel des Landesmeisters. In der Vergangenheit gab es hier zweite und dritte Plätze, und auch dieses Mal war er wieder im Kreis der Mitfavoriten. Auch wenn einige Spieler vor ihm gesetzt waren, so waren diese doch leistungsmäßig nicht so weit auseinander. 20 Teilnehmer spielten hier in 7 Runden.

Mir selbst blieb die Rolle des Sekundanten. Unser Oldenburger Vereinskollege Maik Schäfer trat im A-Open an, welches sich für mich in den letzten Jahren so manches Mal als DWZ-Killerturnier herausgestellt hatte. Alle drei spielten wir allerdings am Vortag der Meisterschaft das Schnellturnier des NSV. Hier gab es 7 Runden mit dem Zeitmodus 10+5.

Sebastian verlor gleich zum Auftakt gegen einen deutlich schwächer eingestuften Gegner, seine Aufholjagd machte er sich selbst zunichte, als er in Runde 5 einen leichten Gewinn wegstellte. Am Ende 5,0/7. Maik spielte ganz vernünftig und leistete mit 3,5/7 etwa seine Zahl. Mein Turnier war besch…eiden. Einzig erwähnenswert ist meine Partie der 2. Runde gegen den Topgesetzten Ilja Schneider, wo dieser in der Eröffnung bereits gut stand, dann aber eine Figur einstellte. Ich musste jedoch wenig später einiges zurückgeben, in der dann wilden Stellung setzte sich der IM am Ende doch durch. „Frank, wie war Dein Turnier?“ - „Im Liegen geht’s.“

Bilder können diesmal wieder per Mausklick vergrößert werden.
 

Lokalitäten in Verden

Das Turnier der Meister

Erneut gab es großes Rätselraten ob der Auslosung für die 1. Runde. Die 20 Teilnehmer des Meisterturnieres stehen fest, aber wer in Runde 1 gegen wen spielt, hängt davon ab, ob man a) nach DWZ oder ELO paart und b) auf welchem Stand die Zahlen sind. Die Ausschreibung regelt es nicht, die Turnierordnung auch nicht und die Information vom Vorabend, wo man mir mitteilte, es würde gesetzt wie im Vorjahr (DWZ), erwies sich dann als falsch. Herangezogen wurde die ELO, und die war auch noch auf dem Stand vom 01.12. Sorry, lieber NSV, aber das ist mir zu wenig Anspruch für eine Landesmeisterschaft. Es soll ja tatsächlich Spieler geben, die sich ernsthaft vorbereiten…

1. Tag

Zum Auftakt spielte Sebastian mit Weiß gegen Christian Hartogh. Das deutete darauf hin, dass es eine Weißpartie mehr werden würde - am Ende kam es anders, aber das sollte nicht entscheidend sein. Gegen seinen jungen Gegner nahm Sebastian einen Bauern mit und ließ dies seinen Gegner nachweisen. Dieser spielte einen nicht unlogischen Zentrumsdurchbruch gegen Sebastians in der Mitte befindlichen König, aber es war zu langsam und der Oldenburger konnte den Auftaktpunkt einfahren.

Sebastian - Christian Hartogh

Die Eröffnungsphase bei den Partien schenken wir uns überwiegend. Aber wir werden alle Partien betrachten. In der Nachmittagsrunde wartete der erst 13jährige Jan Pubantz, der aber bereits 2100 ELO aufweist. Im letzten Jahr konnte Sebastian ihn noch deutlich besiegen. Sebastian spielte erneut sehr ambitioniert mit Schwarz, kam aber irgendwann vom rechten Weg ab. Sein Gegner stand auf Gewinn, da sich Sebastians Dame verirrt hatte. Aber der weiße Vorteil verflüchtigte sich, die Stellung glich sich aus und der Gegner verpasste es, die Partie mit Remis zu beenden. Nach einem Fehler landete Weiß in einem verlorenen Endspiel:

Jan Pubantz - Sebastian

Das Endspiel hätte Sebastian wirklich gewinnen sollen, und zwar noch vor der Konstellation Läufer vs. 3 Bauern. Ok, natürlich stand er im Mittelspiel auf Verlust, somit Remis ein salomonisches Ergebnis… aber so denkt man natürlich nicht, wenn man 5 Stunden gekämpft hat und am Ende den klaren Gewinn hat liegen lassen. Besonders grausam ist es, wenn man kiebitzt und die ganzen dramatischen Wendungen mit ansehen muss. Ein ständiges Hoffen und Bangen, am Ende dann doch die Enttäuschung. Aber nun, er war weiter im Turnier. Doch es sollte noch viel grausamer kommen.

2. Tag

Die Vormittagspartie brachte ein ziemliches Drama mit sich. Sebastian spielte mit Weiß gegen Fabian Stotyn, der im 2200er Bereich firmiert. Wieder spielte Sebastian ehrgeizig, aber auch sein Gegner ist nicht für einen zurückhaltenden Stil bekannt und es wurde eine wilde Partie. Sebastian gab eine Figur und nagelte den gegnerischen König im Zentrum fest. Mehrfach hatte er mögliche Gewinnabwicklungen drin, aber er hatte wenig Zeit und es war kompliziert.

Nach verschossenen 4 oder 5 Elfmetern kam ein Fehler und plötzlich stand in dem Endspiel sein Gegner auf Gewinn. Dann wieder Hoffnung, als dieser in nach wie vor sehr komplexer Lage den Weg nicht findet, wieder Chance ausgelassen, dann wieder eine letzte Chance bekommen - aber nein, nein, Sebastian spielt den offensichtlichen Zug nicht, und er verliert.

Sebastian - Fabian Stotyn
 

Wie Kramnik nach seiner Partie in Berlin 2018 gegen Caruana
muss sich auch Sebastian gefühlt haben. Alles reingeworfen,
aber einmal mehr gescheitert.

Unfassbar. Das hat den Betrachter Nerven gekostet. Der Spieler jedoch muss weitermachen (der Manager darf sich ja ausruhen, und wie gesagt, im Liegen geht’s). Und wie er weitermachte! Am Nachmittag spielte Bast mit Schwarz gegen einen weiteren jungen Gegner, den 15jährigen Torben Knüdel, der ebenfalls 2200 ELO aufweist. Dieser schwächte seine Felder am Königsflügel zu sehr, und es wurde eine positionelle Glanzpartie, auf die Sebastian zurecht ein bisschen Stolz war:

Torben Knüdel - Sebastian

Genau im 40. Zug wurde einmal die gewonnene Stellung vergeben und letztlich wäre alles Positionsspiel Makulatur gewesen. Aber man wird sicher nicht die Berechtigung des schwarzen Sieges anzweifeln können. 2,5/4 und weiterhin Chancen, oben mitzuspielen. Auch wenn vom Titel nach der Niederlage am Vormittag keine Rede mehr sein konnte.
 

Knüdel - Bast

3. Tag

Eine weitere, kuriose Partie erwartete Sebastian gegen Hannes Ewert, einen weiteren Gegner im Teenager-Alter, der aber bereits FM ist und gegen den Sebastian bereits zweimal verlor. Diesmal aber hatte Bast Weiß. In der Eröffnung konnte der Oldenburger nicht seine Vorbereitung zeigen. Sein Gegner spielte eine etwas anrüchige Variante, die er aber wohl kannte. Sebastian ließ sich nicht auf die Hauptabspiele ein, dennoch stand er wohl sehr vernünftig, als er einen falschen Opferplan verfolgte.

Ewert widerlegte das weiße Spiel und hatte platt gesagt eine Figur mehr für nichts. Dennoch endete diese Partie mit einem Remis. Wie kam es dazu? In der gemeinsamen Analyse konnten sich die Spieler davon überzeugen, dass alles nicht so einfach war, zumindest ab einem bestimmten Punkt. Sebastian bekam irgendwann eine Qualität zurück, einen Bauern hatte er auch noch. Man muss aber konstatieren, dass Schwarz klare Gewinnchancen hatte in dieser Partie.

Sebastian - Hannes Ewert

Es war nicht leicht, einen Zugang zu dieser Partie zu finden. Letztlich eine kurisose Situation, denn mit einer Mehrfigur fährt der Gegner hier die Partie normalerweise nach Hause. Man kann Sebastian aber zugestehen, noch das Beste aus der Sache gemacht zu haben, auch wenn Schwarz diese Partie sicherlich "irgendwie" hätte gewinnen müssen.
 

Bast in seiner Partie gegen Hannes Ewert,
welcher gerade zu 19. ... Sf6 ausholt.

Am Nachmittag spielte Sebastian gegen Christian Polster, den Vorjahresmeister, ebenfalls FM und ein Teen. So langsam musste sich Bast als Methusalem fühlen. Mit den schwarzen Steinen holte er mal wieder die Französische Verteidigung hervor. Sein Gegner wich anscheinend von seinen sonstigen Gewohnheiten ein wenig ab, was aber dazu führte, dass Weiß bereits im 9. Zug einen Fehler machte, der ihn praktisch schon in eine Verluststellung bringt.

Bast nutzte dies jedoch nicht aus. In der Folge aber war wieder er es, der die Akzente setzte mit einem Figurenopfer. In der Folge war er dem Gewinn nahe, aber auch sein Gegner verteidigte kaltblütig unter Zeitdruck und hielt den Laden irgendwie zusammen. Im 30. Zug gab es wohl eine gute Möglichkeit für Schwarz, aber hier waren schon beide in Zeitnot, in der Folge verflachte das Spiel zu einem Remis.

Christian Polster - Sebastian

Es sollte nicht sein! Dennoch war die allgemeine Stimmung nicht schlecht. Wir hatten sinnige Analysen und Vorbereitungen, Maik lockerte abends die Gemeinschaft auf, auch er hatte immer interessante und kuriose Partien dabei.
 

Bast während seiner Partie gegen Polster.
Neben ihm brütet Duc gegen Tonndorf.

4. Tag

Zum Abschluss nochmal Schwarz - Sebastian hoffte noch auf Platz 5 und ins Geld zu kommen, aber mit der Farbe gegen den in Verden gut spielenden Kai Renner war das natürlich eine schwierige Aufgabe. Sebastian löste die Eröffnungsprobleme. Nach einem verfehlten Damentausch seines Gegners konnte Bast dann stundenlang kneten, aber er holte nichts heraus. Am Ende hätte er fast überzogen. Remis und damit 4,0/7.

Kai Renner - Sebastian
 

Sebastian taucht ab.
Allein ist der denkende Spieler.

Titelrennen

Um den Titel kämpften in der letzten Runde 3 punktgleiche Spieler: Tobias Vöge und Duc Ngo trafen direkt aufeinander, während Fabian Stotyn eine schwierige Aufgabe mit Schwarz gegen Hannes Ewert hatte. Ewert hatte mehrfach Gewinnstellung, aber Stotyn kämpfte verbissen und erreichte am Ende ein Remis. Da er die beste BHZ hatte, konnte er noch auf ein Remis am anderen Brett hoffen. Hier lieferten sich die beiden Kontrahenten eine dramatische Schlacht, in der meist Tobias Vöge etwas mehr vom Spiel hatte. In einer komplizierten Partie kam der Ducster aus einer schlechteren Lage heraus nochmal heran, musste aber letztlich die Segel streichen. Neuer Landesmeister demnach Tobias Vöge. Herzlichen Glückwunsch dazu!
 

Hinten das Duell Vöge - Ngo, vorne
überlegt Ewert in seiner Partie gegen Stotyn

Zwei Eindrücke dazu:
 

Ewert - Stotyn
Weiß am Zug

Wie lautet der weiße Gewinnplan?* Davon abgesehen hatte Weiß weitere Möglichkeiten in der Partie, wie gesagt.
 

Vöge - Ngo
Weiß am Zug

Dies zeigt lediglich die Komplexität der Lage. Schwarz hatte gerade f4 gespielt. Es folgte 42. Tf3 Kh7 43. g4 fxe3 44. h3 und nun hätte wohl e2 statt des gespielten Ld5 das Gleichgewicht gewahrt.

Maik

Ein paar Worte zu unserem Mitstreiter Maik im A-Open. Er remisierte zum Auftakt einen hohen 1900er, auch wenn dieser im Endspiel Gewinnchancen hatte. In den Runden 2 und 3 bekam er aber Probleme, bevor es in Runde 4 eine Tragikomödie gegen Jan-Hendrik Heyne gab, der bei knapp 2000 DWZ rangiert. Maik hatte ein Damenendspiel nach gut 30 Zügen erreicht, welches sein Gegner, ohne jemals Vorteil gehabt zu haben, 60 Züge weiterspielte. Maik verpasste einmal den Übergang in ein elementares Bauernendspiel und verlor stattdessen einen Bauern, dennoch blieb es Remis. Als es nach über 90 Zügen dann doch zum Damentausch kam, stolperte unser Kämpfer an der allerletzten Hürde:
 

Heyne - Maik
Die Kontrahenten, hier skeptisch
beäugt von Sören Evering.

Weiß hatte soeben Dg7 gespielt, um der vorausgegangen Schachsalve ein Ende zu bereiten. Es folgte 93. … Dxg7 94. Kxg7 Ke7 95. f4 und nun leider Ke8??, was verliert. Ke6 machte Remis, da Schwarz f6 folgen lassen kann. Eine bittere Null, aber Maik lässt sich eigentlich nie unterkriegen ("immerhin war es die letzte Partie, die noch lief", so sein Galgenhumor) und zeigte in der Folge noch vernünftiges Schach und holte 2,0 aus den letzten 3 Runden. Seine beste Partie war wohl die Letzte aus Runde 7 gegen Sören Evering, wo er mit Schwarz richtig gute Pläne gegen den weißen Aufbau präsentierte. Abschließend eine Taktik aus seiner Gewinnpartie:
 

Maik - Braje
Wassergleichstand, aber Bananenplus für Maik.

Gegen Braje (1850 ELO) ging unsere Eröffnungsvorbereitung voll auf. Maik hatte Initiative und stand selbst nach einem Bauernverlust besser. Letztlich war die Stellung ausgeglichen, als er eine kleine Falle aufstellte. Im Diagramm zog er 37. Dd6, was den Bauern c4 scheinbar ungedeckt ließ. Trotz viel Zeit auf der Uhr griff Schwarz schnell beherzt zu, um nach 37. … Lxc4 38. Txc4 genauso schnell aufzugeben. Am Ende des Turniers bleibt wohl ein kleines DWZ-Plus für Maik.

Fazit:

Sebastian ging wirklich in jeder Partie auf’s Ganze. Er spielte immer die ambitioniertesten Sachen und trat ein Gefecht los. Die Performance lag auch bei ca. 2240 ELO, was ein Plus von etwa 10 Punkten bedeutet. Dennoch war es zu wenig für ihn. Es lag nicht an den Eröffnungen oder am Kampfgeist. Er nutzte einfach viele Chancen nicht. Taktisch kann er noch einiges machen und auch beim Zeitmanagement. Ein wenig Technik ließ er im Endspiel gegen Pubantz vermissen.

Zählen wir mal durch: Gegen Pubantz salomonisches Remis, aber viele Gewinnchancen in der Verlustpartie gegen Stotyn und gute Möglichkeiten gegen Polster. Demgegenüber steht ein geretteter halber Punkt aus der Verluststellung gegen Ewert. Ein Punkt mehr hätte es also am Ende durchaus werden können, für den Titel hätte allerdings auch das nicht gereicht.

Wenigstens blieb ihm das Schicksal seines Vereinskollegen Max Meessen erspart. Max holte beim Meisterturnier ebenfalls mal 4,0/7, kam aber nicht in die Top 8. Sebastian wurde genau 8., und dies berechtigt noch zur Teilnahme am Meisterturnier 2020, ohne sich umständlich anderweitig dafür qualifizieren zu müssen. Im Liegen geht’s halt besser!

Hier noch wie immer der Link zur offiziellen Seite: Link

frank modder, 08.01.2019
 

Arbeitsbereich in Verden (Symbolbild)
Es war nicht leicht für Bast gegen Maik.
Aber im Liegen schien es zu gehen.

* Gewinnplan aus Ewert - Stotyn: La4! Die Idee Le8-f7 ist entscheidend.