- Niedersächsische Landesmeisterschaften, Verden, 2020 -
02.01. - 05.01.

 
Alles auf (Jahres)Anfang
 
Auf in die zwanziger Jahre

Die Landesmeisterschaft in Verden  gehört zum Jahreswechsel wie Neujahrsröllchen und die Vierschanzentournee . Für die Jüngeren mittlerweile auch die Darts-WM. Ins Schwarze treffen wollte einmal mehr Sebastian im Meisterturnier. Er war sogar doppelt qualifiziert: neben der Platzierung aus dem Vorjahr fuhr er auch als amtierender Dähnepokalsieger nach Verden.

Das Meisterturnier brachte diesmal eine illustre Runde zusammen. 30 Teilnehmer waren zum einen 10 mehr als im Vorjahr, und zum anderen war das Turnier auch recht stark besetzt. Man benötigte schon fast 2200 ELO-Punkte, um in die obere Turnierhälfte zu gelangen. Sebastian war an Platz 8 gesetzt - vor ihm kurioserweise gleich 6 Spieler vom HSK Lister Turm. Würde es eine Vereinsmeisterschaft der Hannoveraner werden, oder könnte der Oldenburger die Runde sprengen? Das war die Frage.
 

Blick aus dem Hotel

1. Spieltag

Zum Auftakt ging es gegen einen alten Bekannten aus SBOO-Zeiten, den Ex-Wilhelmshavener Karsten Bertram. Bertram verzichtete gegen Bast auf seine Skandinavische Eröffnung, vielleicht fürchtete er ein Spezialgericht aus der Analysierküche, und rührte stattdessen etwas Sizilianisches an. Aber manchmal ist die Medizin schlimmer als die Krankheit: Nach 9 Zügen stand Sebastian bereits auf Gewinn, nachdem Schwarz dreimal dieselbe Figur bewegt hatte, wonach er nicht nur entwicklungstechnisch zurücklag, sondern auch einen Bauern verlor.

Sebastian spielte dann leider nicht streng und übersah einen Springerzug, der etwas seine Koordination störte. Der Vorteil war danach fragwürdig, und der Oldenburger musste die Partie ein zweites Mal gewinnen. Bast hatte weiterhin seinen Mehrbauern und konnte in der Folge seine Schwerfiguren einfach effektiver einsetzen als sein Gegner, der auch unter der schlechteren Königsstellung litt. Bast holte sich einen zweiten Bauern und zog die Daumenschrauben gegen den König an. Letztlich ein klarer Auftaktsieg.

Am Nachmittag hieß der Gegner Kai Renner (2180). Mit diesem Gegner hatte sich Sebastian im Vorjahr ein hart umkämpftes Remis geliefert. Der Oldenburger überspielte seinen Gegner mit den schwarzen Steinen und erhielt eine Gewinnstellung. Er stellte dann seinen Turm leider auf ein schlechtes Feld, wonach die taktischen Einschläge hereinprasselten. Das hätte Bast vielleicht noch überstanden (sprich: eine gute Stellung bewahrt), wenn nicht am Ende noch ein unangenehmer Bauernzug in der Stellung gewesen wäre. Danach war es Remis. Hier die heiße Phase dieser Begegnung:

Renner - Bast

Am Ende hätten die beiden Kämpfer die Partie noch um eine Stunde verkürzen können, als man die Remisstellung noch weiterschob. So schlecht sind die Hotelzimmer in Verden eigentlich auch nicht! Sehr schade, diesem vergebenen halben Punkt konnte man noch eine Zeitlang nachtrauern.

2. Spieltag

Erneut begann der Tag mit einer Weißpartie am Morgen. Gegner war der in diesem Turnier stark aufspielende David Riemay (nur 2139 ELO, DWZ aber über 2200). Sebastian konnte eingangs des Mittelspiels nicht viel vorweisen, als sich folgende Stellung ergab:
 

Müer - Riemay
Weiß am Zug

Weiß hat nicht viel herausgeholt, Schwarz stand sogar besser, hatte aber gerade b5 gespielt. Sebastian hätte jetzt unbedingt 24. a3 spielen sollen, um den schwarzen Durchbruch am Damenflügel zu verhindern. Falls 24. … Sc4, kann man einfach auf c4 nehmen und dann mit Sb4 ausstopfen. In der Partie folgte jedoch 24. Tf-e1 Sc4 25. Sxc4 bxc4 26. Sb4 a3. Schwarz hatte damit die a-Linie für seine Schwerfiguren geöffnet. In der Folge führte Schwarz das Spiel in gutem Stil und holte den Sieg.

Mit 1,5/3 (und einer bereits verlorenen Weißpartie) war die Lage also alles andere als rosig. Was man noch nicht wusste war, dass Sebastian zudem auch noch dreimal Schwarz in den letzten 4 Runden haben sollte. Aber Sebastian kämpfte und riss das Ruder noch einmal herum. Den Anfang machte die Nachmittagsrunde gegen Moritz Gentemann (2185). Nachdem sein Gegner in der Eröffnung wohl die Pläne vertauscht hat, konnte Sebastian zunächst ausgleichen und dann das Ruder herumreißen. Allerdings schluderte Bast mal wieder mit seiner Bedenkzeit und strapazierte die Nerven seiner als Zuschauer angereisten Vereinskollegen:

Gentemann - Bast

Zumindest wurde den Fans etwas geboten! Sebastian gelang es aber, sein Zeitmanagement in den folgenden Partien deutlich zu verbessern. Davon abgesehen: In der Zeitnotphase der Gentemann-Partie spielte er stark und ließ den Gewinn nicht entgleiten.

3. Spieltag

Mit 2,5/4 lag Sebastian durchaus noch im Rennen um die vorderen Plätze, aber es würde schwierig sein. Ergebnisse mussten her. Es half auch nicht, dass er gleich nochmal mit Schwarz ranmusste, diesmal gegen Hannes Ewert (2256). Gegen diesen Gegner gab es in Verden 2019 bereits eine kuriose Partie, in welcher Sebastian eine Stellung mit Minus-Figur halten konnte. Diesmal spielte Sebastian eine feine Positionspartie gegen den soliden Ex-Helleraner, der in diesem Turnier auch nur einmal verlieren sollte - das in der nun folgenden Partie:

Ewert - Bast

Ich denke, dies war Sebastians beste Partie in diesem Turnier. Erneut also ein Schwarzsieg. Das machte die Weißniederlage fast schon wieder wett. Wieder einmal ein guter Zeitpunkt, dem halben Punkt in der 2. Runde nachzutrauern! Spaß beiseite: Die Hoffnung auf eine gute Schlußplatzierung war da, es musste dazu aber unbedingt noch ein weiterer Sieg in der Nachmittagspartie mit Weiß her.

Gegner dort war Christian Hartogh (2070, DWZ 2123), der zumindest bis dato ein sehr brauchbares Turnier spielte und mit seiner ELO sicherlich unterbewertet in die Partie ging. Sebastian war in dieser Partie nicht so streng. In der Eröffnung verwechselte er die Variante, auch später, als er klar auf Gewinn stand, spielte er technisch nicht so stark wie noch in der Vormittagspartie. Am Ende gab es sogar noch Rettungsmöglichkeiten für seinen Gegner. Hier ein paar Wendepunkte der Partie:

Bast - Hartogh

Uff, geschafft! Endlich durften sich auch die Zuschauer den Schweiß vom Rücken flexen. Sebastian stand bis zum 48. Zug auf Gewinn, wobei er teilweise klarere Abwicklungen ausließ. Danach gestattete er Schwarz zweimal eine - wenn auch vielleicht studienartige - Rettung. Sicher muss er da an seiner Technik arbeiten, aber vor Zug 48 eigentlich noch mehr als danach. Die Verteidigung ist für Schwarz hart, die Zeit sehr knapp und man sollte, bewaffnet mit einer Engine, die Spieler nicht zu hart kritisieren.

4. Spieltag

Die dritte „1“ also in Folge! Vier Spieler kämpften vor der letzten Runde um den Titel, hierbei kam es zu folgenden Paarungen:

Tobias Vöge (5 Pkt.) - Sebastian (4,5 Pkt.)
Dennes Abel (5 Pkt.) - Felix Hampel
Rudi Hörstmann - David Riemay (4,5 Pkt.)

Punkte angegeben bei den vier Titelkandidaten. Die Buchholzzahlen sprachen aber eher gegen Sebastian. Er hätte also gewinnen müssen und darauf hoffen, dass Abel und Riemay dies nicht tun. Betreffend Abel hätte man bei einem Remis dort noch hoffen müssen, dass die Buchholzzahl ausreicht, was eher unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich war. Mit Schwarz gegen Tobias Vöge, den Titelverteidiger, hatte Sebastian selbst ein schwieriges Los, aber gegen diesen Gegner bisher mit 4,5/6 im direkten Vergleich andererseits auch eine starke Bilanz.

Die Dramatik der Schlußrunde ist relativ schnell erzählt: Es gab ein frühes Remis am Brett des Turnierfavoriten Abel. Scheinbar war er nicht optimal aus der Eröffnung gekommen, und die entstandene Stellung ohne Damen schien perspektivisch wenn dann eher für Schwarz zu sprechen:
 

Schlußstellung Abel - Hampel
Schwarz am Zug

Weiß hatte soeben c4 gespielt. Es könnte jetzt weitergehen mit 13. ... dxc4 14. Sxc4 Sxc4 15. Lxc4 Tc8. Schwarz steht hier mehr als ok. Es wurde Remis vereinbart. Zu diesem Zeitpunkt stand Riemay in der anderen, uns sehr interessierenden Partie zwar gut gegen Hörstmann, aber da konnte noch viel passieren, und die allgemeine Lage schien durchaus für ein spannendes Buchholzfinale gut zu sein, sollte Sebastian gewinnen. Doch ich konnte meinen Spickzettel schnell einmotten, denn die Schachblindheit schlug zu an Brett 1:
 

Vöge - Müer
Schwarz am Zug

Soeben hatte Weiß Sh2 gespielt mit der offensichtlichen Idee Sg4. Die Stellung ist wohl ungefähr ausgeglichen, in einem Endspiel könnte sogar der gedeckte Freibauer c5 für Schwarz sprechen. Aber ein Endspiel ist es noch nicht, Weiß hat seine Figuren in Richtung des Königsflügels massiert. Sebastian spielte 22. … Sg7?, was ein Blackout war. Er hatte völlig übersehen, dass in der Folge der weiße Springer auf g4 auch nach h6 kann, z.B. nach Df5. Statt Sg7 wäre Kg7 ein Zug gewesen, oder Db7.

Tobias Vöge gewann die Partie und verteidigte seinen Titel als Landesmeister erfolgreich. Herzlichen Glückwunsch dazu! Sebastian konnte in der letzten Runde innerhalb des Top-Quartetts also keinen Platz mehr gutmachen und auf’s Treppchen hüpfen, wohl aber auf die Bühne für die Geldpreisträger, denn er blieb auf Platz 4 trotz der Niederlage.

Fazit

Ein gutes Turnier von Bast mit einer Performance von etwa 2300 Punkten. Vielleicht hatte er sich noch etwas mehr versprochen. Arbeiten kann er noch an der Chancenverwertung (Bertram, Renner, Hartogh) und hier und da an der Zeiteinteilung. Der Kampfgeist war da, ein gutes Gefühl für dynamische Stellungen und auch die Technik in den Partien gegen Gentemann und Ewert. Am Ende fehlte etwas die Kraft, was man schon im Finish der vorletzten Partie sah und dann auch in der letzten Runde, hier machten sich auch ein paar gesundheitliche Probleme bemerkbar. Alles in allem aber: Ein brauchbares Turnier!

Hier noch wie immer der Link zur offiziellen Seite: Link

frank modder, 06.01.2020
 

Die großen Fünf (vlnr): David Riemay, Dennes Abel,
Tobias Vöge, Bast und Torben Schulze.