Auf in die
zwanziger Jahre
Die Landesmeisterschaft
in Verden gehört zum Jahreswechsel wie Neujahrsröllchen
und die Vierschanzentournee . Für die Jüngeren mittlerweile auch
die Darts-WM. Ins Schwarze treffen wollte einmal mehr Sebastian im Meisterturnier.
Er war sogar doppelt qualifiziert: neben der Platzierung aus dem Vorjahr
fuhr er auch als amtierender Dähnepokalsieger nach Verden.
Das Meisterturnier
brachte diesmal eine illustre Runde zusammen. 30 Teilnehmer waren zum einen
10 mehr als im Vorjahr, und zum anderen war das Turnier auch recht stark
besetzt. Man benötigte schon fast 2200 ELO-Punkte, um in die obere
Turnierhälfte zu gelangen. Sebastian war an Platz 8 gesetzt - vor
ihm kurioserweise gleich 6 Spieler vom HSK Lister Turm. Würde es eine
Vereinsmeisterschaft der Hannoveraner werden, oder könnte der Oldenburger
die Runde sprengen? Das war die Frage.
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Blick aus dem
Hotel
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1. Spieltag
Zum Auftakt ging es
gegen einen alten Bekannten aus SBOO-Zeiten, den Ex-Wilhelmshavener Karsten
Bertram. Bertram verzichtete gegen Bast auf seine Skandinavische Eröffnung,
vielleicht fürchtete er ein Spezialgericht aus der Analysierküche,
und rührte stattdessen etwas Sizilianisches an. Aber manchmal ist
die Medizin schlimmer als die Krankheit: Nach 9 Zügen stand Sebastian
bereits auf Gewinn, nachdem Schwarz dreimal dieselbe Figur bewegt hatte,
wonach er nicht nur entwicklungstechnisch zurücklag, sondern auch
einen Bauern verlor.
Sebastian spielte dann
leider nicht streng und übersah einen Springerzug, der etwas seine
Koordination störte. Der Vorteil war danach fragwürdig, und der
Oldenburger musste die Partie ein zweites Mal gewinnen. Bast hatte weiterhin
seinen Mehrbauern und konnte in der Folge seine Schwerfiguren einfach effektiver
einsetzen als sein Gegner, der auch unter der schlechteren Königsstellung
litt. Bast holte sich einen zweiten Bauern und zog die Daumenschrauben
gegen den König an. Letztlich ein klarer Auftaktsieg.
Am Nachmittag hieß
der Gegner Kai Renner (2180). Mit diesem Gegner hatte sich Sebastian im
Vorjahr
ein hart umkämpftes Remis geliefert. Der Oldenburger überspielte
seinen Gegner mit den schwarzen Steinen und erhielt eine Gewinnstellung.
Er stellte dann seinen Turm leider auf ein schlechtes Feld, wonach die
taktischen Einschläge hereinprasselten. Das hätte Bast vielleicht
noch überstanden (sprich: eine gute Stellung bewahrt), wenn nicht
am Ende noch ein unangenehmer Bauernzug in der Stellung gewesen wäre.
Danach war es Remis. Hier die heiße Phase dieser Begegnung:
Renner
- Bast
Am Ende hätten
die beiden Kämpfer die Partie noch um eine Stunde verkürzen können,
als man die Remisstellung noch weiterschob. So schlecht sind die Hotelzimmer
in Verden eigentlich auch nicht! Sehr schade, diesem vergebenen halben
Punkt konnte man noch eine Zeitlang nachtrauern.
2. Spieltag
Erneut begann der Tag
mit einer Weißpartie am Morgen. Gegner war der in diesem Turnier
stark aufspielende David Riemay (nur 2139 ELO, DWZ aber über 2200).
Sebastian konnte eingangs des Mittelspiels nicht viel vorweisen, als sich
folgende Stellung ergab:
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Müer - Riemay
Weiß am Zug
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Weiß hat nicht
viel herausgeholt, Schwarz stand sogar besser, hatte aber gerade b5
gespielt. Sebastian hätte jetzt unbedingt 24. a3 spielen sollen, um
den schwarzen Durchbruch am Damenflügel zu verhindern. Falls 24. …
Sc4, kann man einfach auf c4 nehmen und dann mit Sb4 ausstopfen. In der
Partie folgte jedoch 24. Tf-e1 Sc4 25. Sxc4 bxc4 26. Sb4 a3. Schwarz
hatte damit die a-Linie für seine Schwerfiguren geöffnet. In
der Folge führte Schwarz das Spiel in gutem Stil und holte den Sieg.
Mit 1,5/3 (und einer
bereits verlorenen Weißpartie) war die Lage also alles andere als
rosig. Was man noch nicht wusste war, dass Sebastian zudem auch noch dreimal
Schwarz in den letzten 4 Runden haben sollte. Aber Sebastian kämpfte
und riss das Ruder noch einmal herum. Den Anfang machte die Nachmittagsrunde
gegen Moritz Gentemann (2185). Nachdem sein Gegner in der Eröffnung
wohl die Pläne vertauscht hat, konnte Sebastian zunächst ausgleichen
und dann das Ruder herumreißen. Allerdings schluderte Bast mal wieder
mit seiner Bedenkzeit und strapazierte die Nerven seiner als Zuschauer
angereisten Vereinskollegen:
Gentemann
- Bast
Zumindest wurde den
Fans etwas geboten! Sebastian gelang es aber, sein Zeitmanagement in den
folgenden Partien deutlich zu verbessern. Davon abgesehen: In der Zeitnotphase
der Gentemann-Partie spielte er stark und ließ den Gewinn nicht entgleiten.
3. Spieltag
Mit 2,5/4 lag Sebastian
durchaus noch im Rennen um die vorderen Plätze, aber es würde
schwierig sein. Ergebnisse mussten her. Es half auch nicht, dass er gleich
nochmal mit Schwarz ranmusste, diesmal gegen Hannes Ewert (2256). Gegen
diesen Gegner gab es in Verden 2019 bereits eine kuriose
Partie, in welcher Sebastian eine Stellung mit Minus-Figur
halten konnte. Diesmal spielte Sebastian eine feine Positionspartie gegen
den soliden Ex-Helleraner, der in diesem Turnier auch nur einmal verlieren
sollte - das in der nun folgenden Partie:
Ewert
- Bast
Ich denke, dies war
Sebastians beste Partie in diesem Turnier. Erneut also ein Schwarzsieg.
Das machte die Weißniederlage fast schon wieder wett. Wieder einmal
ein guter Zeitpunkt, dem halben Punkt in der 2. Runde nachzutrauern! Spaß
beiseite: Die Hoffnung auf eine gute Schlußplatzierung war da, es
musste dazu aber unbedingt noch ein weiterer Sieg in der Nachmittagspartie
mit Weiß her.
Gegner dort war Christian
Hartogh (2070, DWZ 2123), der zumindest bis dato ein sehr brauchbares Turnier
spielte und mit seiner ELO sicherlich unterbewertet in die Partie ging.
Sebastian war in dieser Partie nicht so streng. In der Eröffnung verwechselte
er die Variante, auch später, als er klar auf Gewinn stand, spielte
er technisch nicht so stark wie noch in der Vormittagspartie. Am Ende gab
es sogar noch Rettungsmöglichkeiten für seinen Gegner. Hier ein
paar Wendepunkte der Partie:
Bast
- Hartogh
Uff, geschafft! Endlich
durften sich auch die Zuschauer den Schweiß vom Rücken flexen.
Sebastian stand bis zum 48. Zug auf Gewinn, wobei er teilweise klarere
Abwicklungen ausließ. Danach gestattete er Schwarz zweimal eine -
wenn auch vielleicht studienartige - Rettung. Sicher muss er da an seiner
Technik arbeiten, aber vor Zug 48 eigentlich noch mehr als danach. Die
Verteidigung ist für Schwarz hart, die Zeit sehr knapp und man sollte,
bewaffnet mit einer Engine, die Spieler nicht zu hart kritisieren.
4. Spieltag
Die dritte „1“ also
in Folge! Vier Spieler kämpften vor der letzten Runde um den Titel,
hierbei kam es zu folgenden Paarungen:
Tobias Vöge (5
Pkt.) - Sebastian (4,5 Pkt.)
Dennes Abel (5 Pkt.)
- Felix Hampel
Rudi Hörstmann
- David Riemay (4,5 Pkt.)
Punkte angegeben bei
den vier Titelkandidaten. Die Buchholzzahlen sprachen aber eher gegen Sebastian.
Er hätte also gewinnen müssen und darauf hoffen, dass Abel und
Riemay dies nicht tun. Betreffend Abel hätte man bei einem Remis dort
noch hoffen müssen, dass die Buchholzzahl ausreicht, was eher unwahrscheinlich,
aber nicht unmöglich war. Mit Schwarz gegen Tobias Vöge, den
Titelverteidiger, hatte Sebastian selbst ein schwieriges Los, aber gegen
diesen Gegner bisher mit 4,5/6 im direkten Vergleich andererseits auch
eine starke Bilanz.
Die Dramatik der Schlußrunde
ist relativ schnell erzählt: Es gab ein frühes Remis am Brett
des Turnierfavoriten Abel. Scheinbar war er nicht optimal aus der Eröffnung
gekommen, und die entstandene Stellung ohne Damen schien perspektivisch
wenn dann eher für Schwarz zu sprechen:
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Schlußstellung
Abel - Hampel
Schwarz am Zug
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Weiß hatte soeben
c4 gespielt. Es könnte jetzt weitergehen mit 13. ... dxc4 14. Sxc4
Sxc4 15. Lxc4 Tc8. Schwarz steht hier mehr als ok. Es wurde Remis vereinbart.
Zu diesem Zeitpunkt stand Riemay in der anderen, uns sehr interessierenden
Partie zwar gut gegen Hörstmann, aber da konnte noch viel passieren,
und die allgemeine Lage schien durchaus für ein spannendes Buchholzfinale
gut zu sein, sollte Sebastian gewinnen. Doch ich konnte meinen Spickzettel
schnell einmotten, denn die Schachblindheit schlug zu an Brett 1:
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Vöge - Müer
Schwarz am Zug
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Soeben hatte Weiß
Sh2 gespielt mit der offensichtlichen Idee Sg4. Die Stellung ist wohl ungefähr
ausgeglichen, in einem Endspiel könnte sogar der gedeckte Freibauer
c5 für Schwarz sprechen. Aber ein Endspiel ist es noch nicht, Weiß
hat seine Figuren in Richtung des Königsflügels massiert. Sebastian
spielte 22. … Sg7?, was ein Blackout war. Er hatte völlig übersehen,
dass in der Folge der weiße Springer auf g4 auch nach h6 kann, z.B.
nach Df5. Statt Sg7 wäre Kg7 ein Zug gewesen, oder Db7.
Tobias Vöge gewann
die Partie und verteidigte seinen Titel als Landesmeister erfolgreich.
Herzlichen Glückwunsch dazu! Sebastian konnte in der letzten Runde
innerhalb des Top-Quartetts also keinen Platz mehr gutmachen und auf’s
Treppchen hüpfen, wohl aber auf die Bühne für die Geldpreisträger,
denn er blieb auf Platz 4 trotz der Niederlage.
Fazit
Ein gutes Turnier von
Bast mit einer Performance von etwa 2300 Punkten. Vielleicht hatte er sich
noch etwas mehr versprochen. Arbeiten kann er noch an der Chancenverwertung
(Bertram, Renner, Hartogh) und hier und da an der Zeiteinteilung. Der Kampfgeist
war da, ein gutes Gefühl für dynamische Stellungen und auch die
Technik in den Partien gegen Gentemann und Ewert. Am Ende fehlte etwas
die Kraft, was man schon im Finish der vorletzten Partie sah und dann auch
in der letzten Runde, hier machten sich auch ein paar gesundheitliche Probleme
bemerkbar. Alles in allem aber: Ein brauchbares Turnier!
Hier noch wie immer
der Link zur offiziellen Seite: Link
frank modder, 06.01.2020
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Die großen
Fünf (vlnr): David Riemay, Dennes Abel,
Tobias Vöge,
Bast und Torben Schulze.
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