Vielleicht ist die komplexeste
Falle, die je von Menschen ersonnen wurde, die Armutsfalle. Wenn man von
Beginn an eine äußerst schlechte finanzielle Startposition hat,
ist es sehr schwer, voranzukommen. Besonders in der Rezession, wenn die
Arbeitsplätze rar werden und das Geld knapp wird, sind viele nur noch
darauf aus, ein paar Dollars zu ergattern, um über die Runden zu kommen.
Wie bereits berichtet, verschlug
es mich dieses Jahr nach Mexiko, siehe Bericht v. 06.03.01. Gewiss kann
man sagen, daß die Rezession auch die Stadt Mexiko City verändert.
Nehmen wir nur einmal die Verkehrsampeln. Falls Sie nicht rechtzeitig anhalten,
wenn die Ampel auf Rot steht, erleichtert Sie die Regierung um ein kleines
Vermögen. Und wenn Sie anhalten, wird Ihr Auto belagert von einer
Meute von Sammelbüchsenrasslern, die dasselbe wollen.
An den Straßenkreuzungen mittelamerikanischer
Städte ist es nicht unüblich, daß man Schachbetrüger
beobachten kann. Sie bauen eine besonders trickreiche Stellung auf und
laden Sie ein, um Geld zu spielen, wobei Sie wählen können, ob
Sie mit Schwarz oder mit Weiß spielen wollen. Gerissene Kerle, die
sich ein paar extra Kröten dazu verdienen wollen. Auf einen solchen
Betrüger stieß auch ich und dachte, es wäre ganz nett,
die Urlaubskasse ein wenig aufzubessern. Die Geschichte ist wahr, lediglich
die Farben wurden vertauscht, um die Betroffenen zu schützen...
Als ich am Tisch ankam, starrte der
Betrüger beharrlich auf ein Brett mit folgender Stellung:
Ich trat ans Brett, studierte die
Stellung und erklärte: „Weiß gewinnt. Nachdem Schwarz mit der
Dame gezogen hat, fällt der Bauer mit Dxa7.“ „Wolln wa wetten?“, fragte
der Betrüger. Ich überprüfte meine Berechnungen und willigte
ein: „Ich spiele mit Weiß und wir spielen um 50 Pesos. Ihr Zug.“
Bevor ich mich bequem hinsetzen konnte,
spielte der Betrüger 1. ... Txc3. Mein Teint verwandelte sich in ein
leuchtendes Rot, als ich begriff, daß ich, egal was ich ziehe, eine
Figur verliere. Weder 2. Txd4 Tc1+, noch 2. bxc3 Dxd1+ sind zufriedenstellend.
„Sie haben mich hereingelegt!“, rief ich aus und überreichte widerwillig
50 Pesos.
„Ich sage Ihnen mal was“, sagte der
Betrüger, „für weitere 50 Pesos nehme ich Weiß. Und wenn
Sie mich mit einer Figur mehr schlagen können, bekommen Sie Ihr Geld
zurück.“ Ich zögerte keine Sekunde. „Abgemacht“, sprach ich und
drehte das Brett, um mit Schwarz zu spielen.
Der Betrüger prüfte die
Stellung nach Txc3 flüchtig und spielte 2. Df1. Das Rot wich von meinen
Wangen und ich erbleichte. Was konnte ich tun? Meine Dame und mein Turm
waren angegriffen, und der Verlust einer dieser Figuren würde das
Aus bedeuten. Unfähig, noch etwas zu denken, griff ich in meine Brieftasche
und überreichte weitere 50 Pesos.
Doch der Betrüger war noch nicht
fertig. „Obwohl Schwarz Material verliert, ist die Stellung noch nicht
hoffnungslos“, brachte er vor. „Ich gebe Ihnen eine Chance, Ihre 100 Pesos
zurückzugewinnen, indem ich Ihnen wieder die weißen Steine überlasse.“
Ich betrachtete ihn argwöhnisch und analysierte die Stellung intensiv.
Diesmal war ich mir sicher, daß Schwarz Material verliert. „In Ordnung“,
sagte ich, „Ich habe Weiß und wir spielen um 100 Pesos.“ Dabei drehte
ich zum zweiten Mal das Brett um 180 Grad.
Der Betrüger zog sofort 2. ...
Tc8. Mit beträchtlicher Erleichterung schlug ich die Dame mit 3. Txd4
und der Betrüger nahm den Turm (Sxd4). Jetzt stellte ich fest, daß
4. ... Tc1 5. Dxc1 Se2+ 6. Kf1 Sxc1 drohte, wonach Schwarz eine Figur mehr
hätte.
Als sich mein Teint erneut verschlimmerte,
hob der Betrüger an. „Falls Sie gleich die 100 Pesos bezahlen, gebe
ich Ihnen Schwarz und wir spielen um 200 Pesos“, schlug er mit einem arglistigen
Schimmer in seinen Augen vor. Meine Augen kehrten zum Schachbrett zurück
und ich begann wild zu analysieren. Endlich erschien ein Lächeln auf
meinem Gesicht.
„Sie haben den Trick einmal zu oft
probiert“, sagte ich und zog 4. Kh1. Falls nun 4. ... Tc1 5. Dxc1 und es
gibt kein Schach. Gelassen zog der Betrüger 4. ... Se2. Jetzt war
5. ... Tc1 unparierbar, da 5. Dxe2 Tc1+ das Matt erzwingt. Ich zahlte und
ging, zwar ärmer, aber klüger.
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