„My Corona“
- The Knack
Schachturniere muss
man auch im Jahr 2021 mit der Lupe suchen. Zumindest in heimischen Gefilden.
Im Ausland gibt es da schon mehr, so auch wieder das Prager Sommer-Open,
welches wir schon im letzten Jahr besuchten. Diesmal auch komplett ohne
Maskenpflicht, auch für Zuschauer. Zum Vergleich: Beim Meisterschaftsgipfel
in Magdeburg ließ man nicht mal Zuschauer hinein.
Aber da sind wir schon in einem Themenbereich, den ich hier nicht näher
analytisch beleuchten möchte.
In Prag fanden sich
250 Teilnehmer ein, gespielt wurde im Olympik-Hotel, nur äußerlich
eine dieser Asbest-Baracken Marke Nähmaschinenkombinat aus den 60er
Jahren. Der Saal war vernünftig, die Klimatisierung war ok. Moderner
war unsere Unterkunft: Wie im Vorjahr
wohnten wir in einem Appartement im 13. Stock der Garden Towers. Das sind
5 Hochhaustürme (je ca. 50 Meter hoch) mit moderner Ausstattung, wir
hatten einen hervorragenden Blick auf die Stadt. Das Spielhotel war nur
ca. 10 Autominuten entfernt.
Es gibt auch wieder
ein paar Bilder! Mein photographisches Zu-Kurz-Kommen wird
hoffentlich kompensiert
durch die Möglichkeit, die Bilder durch anklicken zu vergrößern
(die den Text störenden
und unwichtigen Diagramme allerdings nicht!)
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Unsere Unterkunft,
die Garden Towers
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Das Appartement
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„Into the great
wide A-Open“ - Tom Petty
Sebastian und Maik
starteten im A-Open der Veranstaltung. Das war ganz gut besetzt. So fand
sich Sebastian an Platz 25 der Setzliste wieder. Vier Großmeister
gaben sich hier die Ehre, dazu ein paar Hände voll IM und FM. Die
üblichen Verdächtigen, die man immer wieder trifft. Aber es kommen
immer mehr junge Leute hinzu. Und die werden schnell besser… Das sind dann
Spieler mit 2100, etwa 20 Jahre alt, die im Turnier dann irgendwie schon
2300-2400 performen - und wenn man sie dann bekommt als 2250er, wie Sebastian,
ist das immer undankbar. Ach watt! Wird schon nicht passieren...
„Wenn du gut werden
willst, musst du die Kinder schlagen!“ Sollte in diesem Turnier aber zumindest
mal kein Problem werden. Wie schon im letzten Jahr - und bei dem ein oder
anderen Turnier dazwischen - nahm ich lediglich meine Pflichten als generelles
Faktotum wahr. Dies ist allerdings nicht panischer Angst vor Viren geschuldet,
vielmehr habe ich nicht immer die Lust, mich dem Stress eines Schachturnieres
auszusetzen. Man kann ja auch mal eine etwas entspanntere Zeit verbringen,
und sich trotzdem mit Schach umgeben.
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Hotel Olympik
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Das Tor zur Halle
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Heimat der Patzmäuse
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„The time-controls
they are a-changin‘“ - Bobby Dylan
Fischer Kurz - das
ist die heutige Turnierbedenkzeit, so auch in Prag: 90 Minuten für
40 Züge, danach nochmal 30 Minuten dazu. Von Anfang an gibt es 30
Sekunden Aufschlag pro Zug. Die Tendenz scheint weiter in Richtung Verkürzung
zu gehen: Oftmals, wie in Magdeburg, gibt es nach 40 Zügen nur 15
Minuten drauf. Der letzte Schrei, den man immer häufiger sieht, ist
90 Minuten + 30 Sekunden Inkrement - für die gesamte Partie. Zum Glück
hat sich das noch nicht breitflächig durchgesetzt. Aber warten wir
es mal ab.
Eine Runde gab es pro
Tag, die immer um 16 Uhr anfing. Am dritten Turniertag gab es eine Doppelrunde.
Das stört etwas den Rhythmus und scheint mir nicht notwendig zu sein.
Nachmittags zu beginnen ist für Eulen wie uns optimal, vielleicht
ist 15 Uhr wie in Pardubice noch etwas angenehmer, aber im Grunde passte
das in Prag schon ganz gut. Zum Tagesablauf später etwas mehr, starten
wir jetzt mal in das Turnier. Ja, der Bericht wird lang. Länge geht
hoffentlich nicht automatisch einher mit langweilig!
Runden 1 - 2: Ein
holpriger Start
„Start me up, and
I’ll never stop“ - Mick Jagger
Unsere beiden Kämpfer
starteten beide mit Weiß. Gute Sache! Man konnte also hoffen, in
den 9 Runden eine Weißpartie mehr zu haben. Am Ende sollte sich diese
Hoffnung bei Maik nicht erfüllen. Sebastian startete mit Weiß
gegen 1900. Keine strenge Partie, vom Gegner aber noch viel weniger, der
durch einen völligen Blackout im 20. Zug die Partie wegstampfte:
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Sebastian vs.
Novotny
Black to patz
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Schwarz steht etwas
verdächtig, könnte aber hier mit Da8 eine Art Smylsov-Formation
einnehmen (der Turm auf der offenen c-Linie wird von beiden Schwerfiguren
gedeckt). Weiß müsste dann noch etwas arbeiten für den
ganzen Punkt. Jedoch kam ein „… gigantic howler of major proportions“ (Seirawan)
mit 20. … Lxd4?? 21. Txc8, und nach ein paar weiteren Ziehzügen
gab Schwarz auf.
Der nächste volle
Zähler musste aber auch her, mit Schwarz ging es gegen 2000. Hier
stand Sebastian aber völlig neben sich und spielte eine schlechte
Partie. Vielleicht hatte er sich noch nicht akklimatisiert? Hier etwas
zur Großwetterlage in dieser Partie:
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Navratil vs. Sebastian
Schwarz am Zug verliert
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Sebastian hatte seine
Bauernstruktur am Damenflügel geschwächt, dann am Königsflügel
einen Bauern „veropfert“. Vielleicht konnte man sich hier mit 33. … Sd4
noch auf die Hinterfüße stellen. Weiß steht natürlich
besser, aber man muss den 250 Punkte schwächeren Gegner arbeiten lassen.
Nach 33. … Se7? hatte es Weiß zu einfach und machte es dann
auch recht gut. Bittere Niederlage für Sebastian, der etwas die Zähigkeit
vermissen ließ.
GM Brecht meinte einst:
Nach dem ersten Fehler war die Stellung noch mächtig, nach dem zweiten
Fehler war sie noch spielbar und nach dem dritten Fehler war sie nicht
mehr vorhanden. Maiks Start mit zwei Nullen gegen 2113 und 1966 war ebenfalls
missglückt. Nach der Eröffnung stand er jeweils vernünftig,
agierte dann aber nicht entschieden genug. Oldenburger Topfentruppe? Die
Stimmung im Campo Bastia war gedämpft. Doch es sollte bald besser
laufen für unsere Kämpfer!
Runden 3 - 4: Der
Sonntag mit der Doppelrunde
„Sunday, bloody
Sunday… I can’t believe the results today“ - Bono
Nach dem vor allem
für Sebastian mieses Auftakt gingen es nun, quasi zur Strafe, auch
noch am nächsten Morgen um 9 Uhr ans Brett - die Doppelrunde war angesagt!
Es galt nun, das Ruder irgendwie herumzureißen. Das Motto war: Zwei
Siege müssten her bei Sebastian. Dann hätte er mit 3,0/4 eine
vernünftige Ausgangsbasis für die zweite Hälfte des Turniers,
und es könnte doch noch ein guter Auftritt werden. Aber leicht gesagt.
Weiß gegen 1900 war zunächst kein Problem, ein verdienter Sieg:
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Sebastian vs.
Lhotsky
Schwarz am Zug
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Eine stehtische
Weiterentwicklung:
Sebastian und sein
Gegner nach der Partie
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Schwarz fehlt ein Turm,
bald auch ein König. Aber er stellte hier noch eine letzte, teuflische
Falle mit 30. … b5+. Nun würde natürlich Kh1? wg. Dxd7
den Turm wieder einstellen. Bloß nicht! Nach Kg2 gab Schwarz
aber auf. Die Nachmittagspartie war wesentlich dramatischer. Hier hatte
Sebastian Schwarz gegen 2000, diese Gegnerin konnte er bereits letztes
Jahr in Prag besiegen. Auch diesmal erhielt er eine Gewinnstellung - aber
man sehe selbst, wie es weiterging:
Laurincova
vs. Sebastian
Das ist wie ein stundenlanges
Schlagen gegen einen Sandsack: Er schlägt nie zurück, macht aber
auch nie schlapp. Nur 1,5 also am Doppel-Sonntag. Na gut - dann musste
halt die nächste Runde gewonnen werden. Auch Maik machte 1,5 Punkte
an diesem Tag, für ihn war es angesichts der Gegner aber ein Erfolg
(1948 und 1981). Hier seine Taktik aus Runde 3:
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Maik vs. Angermünde
Weiß wickelt
ab
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Es folgte hier 34.
Txe6, der Spieß Lg8+ sorgt dann für den Übergang in
ein gewonnenes Bauernendspiel. Das ist immer ein kritischer Moment, aber
Maik hatte genau gerechnet und fuhr den Zähler ein.
Runde 5: Doppelsieg
„The turn of a
friendly card“ - Alan Parsons
Okay, 2,5/4 für
Sebastian statt der anvisierten 3,0. Nun… Siege mussten nun her, half ja
nichts. Wenn nicht in Runde 4, so jetzt. Und nun lief Sebastian auch immer
mehr zur Form auf. Mit den weißen Steinen ging es in Runde 5 gegen
Martin Staszko - den Poker-Vizeweltmeister von 2011. Er war damals Zweiter
im „Main Event der World Series of Poker“ hinter dem deutschen Sieger Pius
Heinz. Allein damit hatte der Tscheche 5,5 Mio USD Preisgeld eingesackt
- so lässt es sich natürlich auch entspannt Schach spielen!
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Hochstapler: Martin
Staszko
kam diesmal nicht
ins Geld
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Für Sebastian
konnte es nur heißen "All-in": Ein voller Punkt musste her, da der
Gegner auch nur 2072 ELO hatte. Der Tscheche erwischte kein gutes Turnier,
am Ende verlor er fast 50 Ratingpunkte, und auch gegen Sebastian kam für
ihn keine günstige Karte. Der Oldenburger überreizte sein Blatt
in der Folge nicht - ein Fiasko für Staszko:
Sebastian
vs. Staszko
Vielleicht ist die
Partie kein klassisches Beispiel dafür, aber mir fiel zuletzt auf,
dass aktuelle Engines wie Stockfish 14 mit Bewertungen der Größenordnung
+3/+4 sehr schnell um sich werfen, ohne dass man begreift, warum. Ok, wer
versteht schon die Engines! Aber sonst gab es solche Einschätzungen
meist erst bei Materialgewinn o.ä. Scheint für die Motoren zu
sprechen, dass sie die Vorteilhaftigkeit einer Stellung immer eher erkennen.
Neben Sebastian punktete auch Maik voll, leider zum letzten Mal. Sein Gegner
(1958) war das Opfer einer Eröffnungskatastrophe geworden:
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Hajek - Maik
Wie stellt Weiß
hier eine Figur ein?
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Mit 8. De1 kann Weiß
hier überleiten in eine der Hauptvarianten des Geschlossenen Sizilianers.
Weiß entkorkte aber den „prominenten“ Figureneinsteller 8. Le3??
Prominent deshalb, weil der Zug immerhin 60x in den gängigen Datenbanken
zu finden ist. Ich kenne das aus eigener, leidvoller Erfahrung: 1900er
spucken manchmal noch die Figuren wie eine Popkornmaschine. Nun konnte
Maik mit 8. … d5 einmal feucht durchwischen und eine Figur gewinnen. Weiß
schleppte sich selbstquälerisch noch etwas weiter, aber konnte keine
Probleme mehr stellen. Punkt. Oder vielmehr: Doppelpunkt!
Alltag in Prag
Sebastian kam immer
mehr auf volle Touren und auch Maik war mit 2,5 aus den letzten 3 Runden
bei 50% angekommen. Basts 3,5 brachten ihn nun erstmalig an ein Live-Brett.
In Prag gab es im A-Open deren 14, die direkt ins Netz übertragen
wurden. Bzw. zeitverzögert um 15 Minuten. Eigentlich eine Anti-Betrugs-Maßnahme,
aber an sich schon ziemlich kurios. Man stelle sich das in anderen Sportarten
vor. Und wer das technische Know-How hat, um zu betrügen, ist bestimmt
nicht auf eine Live-Übertragung angewiesen.
Aber nun! Für
mich machte es das Kiebitzen etwas leichter: Ich konnte die Partien von
Sebastian ab jetzt bequem vom Appartement aus verfolgen bei einer Tasse
Kaffee. Zu den dramatischen Schlussphasen zog es mich dann aber routinemäßig
immer zum Spielsaal. Wo wir bei Routinen sind: Wichtig ist es für
Schachspieler ja auch immer, einen täglichen Ablauf zu etablieren.
Der sah bei uns in Prag so aus: Aufstehen 10 Uhr bis 10 Uhr 30. Dann gab
es einen Kaffee. Es folgten Sport, Essen und Vorbereitung auf den Gegner,
nicht notwendigerweise in dieser Reihenfolge.
Nochmal ein Mittagsschläfchen
bzw. etwas Entspannung, dann ging es zur Runde. Diese war meist gegen 20
Uhr, spätestens 21 Uhr zu Ende. Häufig wurde dann etwas gegessen,
ggf. im Restaurant, meist wurde aber selbst gekocht. Abends wurden die
gespielten Partien kurz betrachtet und der nächste Gegner schon mal
ins Visier genommen. Von der Stadt bekamen wir nicht allzu viel mit, aber
nett in Erinnerung sind mir zwei mitternächtliche Touren mit E-Scootern
zum Wenzelsplatz, der nur ein paar Minuten von unserer Unterkunft entfernt
lag. Die Nachtruhe kehrte dann meist gegen 2 Uhr ein.
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Immer ein netter
Anblick:
Die Garden Towers
bei Nacht
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Bast und ich vor
der Teynkirche
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Runde 6: Gorillas
im Nebel
3,5 aus 5 für
Sebastian - okay, und nun wurden die Gegner langsam stärker: 2166
mit Schwarz. Ein gleichaltriger Gegner, welcher in Runde 2 eine dramatische
Partie gegen GM Pap spielte, dazu weiter unten mehr. Dort hatten beiden
Seiten ihre Gewinnchancen, am Ende gab es ein Remis. Man war also gewarnt.
Die Stellung von Sebastians Partie war sehr schnell untheoretisch, wir
hatten auch in der Vorbereitung gesehen, dass der Gegner viele Eröffnungen
anpackt und auch unkonventionell spielt.
Hier griff Weiß
zu Orang-Utan. Beide Seiten konnten ihrer Kreativität schnell freien
Lauf lassen. Vor dieser Disziplin musste Sebastian keine Angst haben! Es
lohnt sich, die von beiden Seiten kämpferisch geführte Partie
in Gänze wiederzugeben, in der Schwarz ein schönes Bauernopfer
anbringen konnte.
Krivanek
- Sebastian
Bitter lief es für
Maik: Er bekam Sebastians Gegnerin aus der 4. Runde, stand mit Weiß
unter Druck, aber hätte sich am Ende mit einem Dauerschachmotiv retten
können:
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Maik - Laurincova
Weiß am Zugwiederholen
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Schwarz hatte zwischendurch
Vorteile, beim Material aber etwas zu beherzt zugegriffen. Denn Maik hätte
nun, in der heißen Phase vor dem 40. Zug, das Remis sichern können,
in dem die Dame mit ewigem Schach zwischen e6 und h3 pendelt. Man kann
sogar Gewinnversuche machen mit Sf5, es zeigt sich aber schnell, dass Weiß
auch da letztlich die Züge wiederholen muss.
Maik griff aber zu
Sh5?, wonach Schwarz aber mit Dc1+ nebst Dh6 absichern
und auf seine Mehrfigur pochen konnte. Mit einem Dauerschach hätte
Maik Sebastian sozusagen revanchieren können für das Remis in
der 4. Runde. Mit 1,5/2 sorgte die Tschechin aber somit für einige
Verwüstungen im Oldenburger Lager.
Runde 7
„London Calling“
- The Clash
4,5 aus 6! Konnte Sebastian
zum Angriff auf die vorderen Plätze blasen? Ja, jedoch war seine Nebenwertung
eher schlecht. Gegner in der 7. Runde war wieder ein junger Tscheche, David
Gloser, 2164 ELO, der hier ein starkes Turnier spielte und zu diesem Zeitpunkt
etwa eine Turnierleistung von 2400 Punkten aufwies. Das sind die dankbaren
Gegner, von denen eingangs die Rede war! Und die kamen ab jetzt in Serie.
Immerhin eine angenehme
Erinnerung für mich: Gegen diesen Gegner gewann ich in Pardubice
2018, da hatte er allerdings gerade mal 2000 ELO aufzuweisen.
In der Partie tat sich Sebastian schwer, sein London-Aufbau verfing nicht,
und er stand mit dem Rücken zur Wand. Aber er konnte die Stellung
verkomplizieren - und hätte sogar noch die Möglichkeit gehabt,
mehr als nur einen halben Punkt zu retten:
Sebastian
- Gloser
In der Analyse sahen
beide Spieler ihre Stellung in der Schlussphase kritisch. Man war an einen
Spruch von Tarrasch erinnert: Es sah nicht so aus, als würde einer
der Spieler die Partie noch retten können! Aber doch - es gelang ihnen
beiden. Maik erspielte ein respektables Schwarz-Remis gegen 2166! Aber
vielleicht war hier sogar mehr drin, die weiße Stellung wirkte ein
paar Mal verdächtig.
Runde 8: Im Vorwärtsgang
Vom Rache-Schach
zum Rache-Matt
El Basto war wieder
da und lag, trotz des Remis, mit 5 aus 7 weiter in Reichweite der Spitzengruppe.
Nun ging es gegen ein ziemliches Kaliber: Richard Mladek, 19, 2315 ELO,
hatte zuletzt in Pardubice den 1. Platz geteilt (nach Wertung 3.) und dabei
drei Großmeister von der Platte geputzt. Seine Live-Elo war also
schon 2400. Zudem spielte Sebastian mit Schwarz. Also wieder eines dieser
netten Lose!
Aber der Oldenburger
war in Form, während sein Gegner bis dato nicht an die Leistungen
in Pardubice anknüpfen konnte. Die Partie ging im Grunde nur in eine
Richtung, nachdem Weiß Material verlor. Vielleicht hätte er
sich danach irgendwie retten können - aber die Lage war immer kritisch.
Und am Ende bewahrte Sebastian die Ruhe. Beim Nachspielen werden wir das
Motiv des Rache-Matts kennenlernen:
Mladek
- Sebastian
Sehr schön! Hervorragende
Stimmung an diesem Abend in den Garden Towers. Auch wenn Maik leider mit
Weiß gegen 2100 verlor. Er stand lange auf Verlust, lieferte aber
eine harte Verteidigungsschlacht. Und als wir uns schon sicher waren, dass
er das Remis einfahren würde, unterlief ihm doch noch ein Missgeschick:
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Maik - Hansch
Weiß am Zug
remisiert
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Hier scheint Sc2 leicht
Remis zu machen. Wie will Schwarz fortsetzen? Der Springer pendelt zwischen
c2 und e3. Der schwarze König kann den g-Bauern nicht aus den Augen
lassen. Und wenn Schwarz die Figur tauscht, muss er den c-Bauern aufgeben
- ebenfalls mit leichtem Remis. Leider kam 59. Kd3?, wonach noch
…
c2! ging. Maik musste mit dem König nehmen und verlor dann durch
Lf2 den g-Bauern nebst der Partie. Schade, schade…
Runde 9: Einbahnstraße!
Schluss- und Glanzpunkt
Sebastian hatte 6 aus
8 und sich mittlerweile bis an Brett 5 hochgekämpft. Die letzte Runde
war mal wieder eine Morgenrunde: Um 9 Uhr musste man am Brett sein. Arbeit
nun auch für die Ein-Mann-Road-Crew: Die Bude musste geräumt
werden! Frage war, würden unsere Jungs auch noch mal aufräumen
- mit ihren Gegnern? Für Bast ging es gegen einen jungen Norweger,
Jahrgang 2008, 2126 ELO, welcher aber im Turnier schon kräftig gemäht
hatte und bei einer Performance von 2370 lag.
Wieder eines dieser
schlechten Kids, die auch so überhaupt keine Leistung zeigen... Doch
beim Großreinemachen ließ Bast mittlerweile sogar Marie Kondo
wie ein Messi aussehen. Der Junge aus Stavanger hatte keine Chance und
wurde vom Brett gefegt. Also wenn diese vielbemühte Metapher jemals
angebracht war, dann hier:
Sebastian
- Kvaloy
Der vom Brett gepustete
Gegner soll soeben in der Nähe von Oslo wieder gelandet sein! Sehr
gut, wie Sebastian hier Schwarz im eigenen Saft hat schmoren lassen und
wie er seine Stellung langsam verbesserte, bis die schwarze Position quasi
von selbst implodierte. Maik hatte noch mal eine wilde Partie mit Schwarz
gegen 2000, aber war taktisch einmal nicht auf der Höhe, wonach sein
König zu anfällig war. Dennoch machten wir uns vor der Siegerehrung
noch einen schönen Nachmittag in der Prager Innenstadt, das Wetter
hatte am letzten Tag auch endlich mal sommerliche Temperaturen zu bieten.
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Sebastian auf
dem Wenzelsplatz
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Die 3 M: Manager,
Muscheln, Maik
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Partien-Nachlese
A-Open
Man strolcht ja immer
ein wenig durch den Turniersaal und kiebitzt an dem einen oder anderen
Brett, wobei einem immer mal Kuriositäten unterkommen. Oder einfach
interessante Partien. Hier mal ein paar Fundstücke aus dem A-Turnier!
An den vorderen Brettern
tummelte sich ein kleiner Junge, der zunächst auffiel durch die Daten:
Jahrgang 2010 und fast 2400 ELO (!). What!? Also, ein gewisser Magnus C.
erreichte diesen Wert erst mit 12,5 Jahren. Aber ok, die jüngsten
GM sind ja schon 12… In seiner folgenden Partie mit Schwarz in der 8. Runde
stand er - zudem in Zeitnot - allerdings völlig auf Verlust… Unfassbar,
dass sein Gegner das nicht gewinnen konnte:
Froeyman
(2260) - Finek (2372)
Ein schlechtes Turnier
erwischte der Topgesetzte GM Pap. In Runde 2 traf er auf Sebastians Gegner
aus Runde 5, Krivanek, ein kreativer Spieler, der gegen Sebastian ja Orang-Utan
herausgholt hatte. "Mich laust der Affe" dachte vermutlich der Großmeister
in dieser Partie angesichts des unfassbar komplexen Duells. Beide Seiten
hatten hier Gewinnmöglichkeiten, bevor schließlich der Punkt
geteilt wurde.
Krivanek
(2166) - Pap (2519)
Aber es ist natürlich
leicht, die Partien im Nachgang mit einem Rechner zu sezieren, also seien
wir gnädig. Keinen Computer braucht man für unser letztes Fundstück:
Nach einem Figurenverlust schleppt Weiß seine Stellung fast 80 Züge
lang weiter. Dann hat er immer noch eine Figur weniger, steht auch auf
Verlust, aber…
Ouaki
(2081) - Mica (2316)
Böses Ührchen!
Soviel zu unserem Rundblick über das A-Open. Das Turnier wurde von
einem Niedersachsen gewonnen: IM Sebastian Plischki, einstiger Landesmeister,
belegte den 1. Platz nach Wertung!
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Siegerehrung des
A-Opens.
2x Sebastian aus Niedersachsen
2. v.r. unser Kämpfer
und
2. v.l. IM Plischki
vom SK Rinteln
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Lukas‘ Abenteuer
in London
Ein weiterer Niedersachse
fand sich nach längerer schachlicher Abstinenz in Prag wieder am Brett
ein: Lukas Heyne. Nachdem er, ähnlich wie Sebastian, zu Beginn des
Turniers ein unbeabsichtigtes „Schweizer Gambit“ gespielt hatte (hier Niederlage
gegen untere Hälfte in Runde 1) buchte er ab Runde 2 vier Siege en
suite, dabei überfuhr er zweimal hintereinander sehenswert mit dem
Londoner System seine Gegner aus dem 2200er-Bereich. Der Bericht wäre
unvollständig ohne diese Partien!
Lukas
- Bluebaum und Lukas
- Gimenez
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V.g.n.b.: Maik,
Lukas, Bast
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Fazit:
Sehr erfolgreiches
Turnier für Sebastian. Eine Performance im Bereich 2300+ und ein geteilter
3.-7. Platz (nach Wertung „nur“ Platz 7) waren ein starker Auftritt. Nach
der Pleite in der zweiten Runde wurden 6 aus 7 gebucht - beeindruckend!
Maik ließ etwas nach in der zweiten Turnierhälfte, aber er landete
zumindest mal im Plus mit einer Turnierleistung im 1900er-Bereich. Und
da ist auch noch Luft nach oben.
Es war auch mal wieder
angenehm, ein wenig in die Schachszene abzutauchen. In Deutschland gestaltet
sich dies ja derzeit als eher schwierig. Turniere kann man hier an den
Fingern einer Hand abzählen. Mal sehen, ob im Oktober die neue Mannschaftssaison
planmäßig starten kann - und unter welchen Rahmenbedingungen.
Hier noch wie immer
der Link zur offiziellen Seite: Link
frank modder, 21.08.2021
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Brutos am Brett
- in Prag
Glücksbringer
erster Güte.
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