Abstecher in
die Schweiz zum 200jährigen Bestehen der SG Zürich
Der älteste Schachverein
der Welt, die Schachgesellschaft Zürich, feiert in diesem Jahr ihr
200jähriges Bestehen. Dazu sind dort verschiedene Festivitäten
angesagt, ein Höhepunkt war das sogenannte Weltmeistersimultan in
der Züricher Bahnhofshalle, welches am 22.08. stattfand. Hierzu wurden
acht Spieler eingeladen, welche allesamt einen Weltmeistertitel ihr Eigen
nennen können. Die Spieler stellen wir gleich noch näher vor.
Jeder Spieler trat an 25 Brettern an, die Spielstärke der Gegner reichte
von 1200/1300 bis ca. 2200/2300 ELO-Punkten.
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Die Spielstätte:
Der Hauptbahnhof Zürich
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Blick auf die
Spielstätte
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Da es Sebastian Müer
gelang, einen Startplatz gegen Veselin Topalov zu bekommen, reisten wir
zusammen mit Heiko Weerda zu Dritt in die Schweiz - Team Müer stellte
sich Team Topalov furchtlos entgegen. Und die Fahrt war nicht umsonst:
Topalov konnte sich zwar nach und nach seiner Simultangegner entledigen,
und am Ende war Sebastian sein letzter verbliebener Gegner, die Stellung
war zu diesem Zeitpunkt in etwa ausgeglichen. Aber wenn Topalov gedacht
hatte, er könne nun ein leichtes Remis machen, kannte er Sebastian
wohl nicht sehr gut. Denn der Norder verzichtete auf eine angebotene dreimalige
Wiederholung der Stellung, und für den bulgarischen Ex-Weltmeister
fingen die Probleme an...
Die Weltmeister
(Bilder vergrößern
durch anklicken)
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Garry Kasparov,
Weltmeister 1985-2000
Immer dicht umlagert
und fast kaum zu erreichen
war das Geviert des
vielleicht besten aller Zeiten
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Veselin Topalov,
Weltmeister 2005-2006
Der Bulgare, die aktuelle
Nr. 1 der Weltrangliste,
wird 2010 gegen Anand
wieder um den Titel spielen
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Viswanathan Anand, Weltmeister seit 2007
Der aktuelle Titelträger war als Erster fertig
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Vladimir Kramnik, Weltmeister 2000-2007
Der Russe war fast so schnell wie Anand
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Anatoli Karpov, Weltmeister 1975-1985
Der Russe spielte extrem langsam und
war zusammen mit Kasparow als Letzter fertig
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Boris Spassky, Weltmeister 1969-1972
Der legendäre Russe war Gegner von
Bobby Fischer im Match des Jahrhunderts 1972
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Viktor Kortschnoi, Seniorenweltmeister 2006
Der Wahlschweizer war auch zwei Mal
Herausforderer um die Weltmeisterschaft
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Ruslan Ponomarjov, Weltmeister 2002-2004
Der Ukrainer wurde jüngster Weltmeister
aller Zeiten beim K.O.-Turnier der FIDE 2002
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Die Partie Topalov
- Müer
Die Gegner der Simultangeber
waren nach Spielstärke sortiert, so war Sebastian im Topalov-Geviert
die Nr. 7 der Setzliste. Ein durchaus anspruchsvolles Programm, wenn man
z.B. bedenkt, daß ein Garry Kasparov früher Simultanspiele nur
unter der Bedingung spielte, daß kein Gegner mehr als etwa 1900 Ratingpunkte
hatte. Wie alle Gegner hatte auch Sebastian Schwarz. Es gelang ihm zunächst,
Ausgleich zu erzielen. Topalov kam aber wieder in Vorteil durch einen gut
placierten Vorpostenspringer am Damenflügel. Den allerdings konnte
Sebastian vertreiben und hatte wieder Ausgleich. Topalov gab dann allerdings
eine Qualität für einen Bauern, die Stellung war zweischneidig.
Sebastian öffnete danach das Spiel durch einen Vorstoß im Zentrum.
Wenn es zunächst so aussah, als sei Sebastians Königsstellung
die unsicherere, so geriet nun zunehmend der König des Bulgaren arg
in die Schußlinie.
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Der Handschlag vor der Partie
Alles war in bester Stimmung
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Sebastian während einer Konzentrationsphase
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Topalov verteidigte
sich aber kämpferisch und Sebastian zog sich wieder zurück, wonach
Topalov eine optisch recht offensive Aufstellung hatte, allerdings immer
noch mit einer Qualle gegen einen Bauern für Sebastian. Mittlerweile
spielte Topalov nur noch gegen zwei weitere Gegner und war sehr schnell
wieder am Brett von Sebastian zurück. Unser Mann drang dann mit seiner
Dame ein und es schien auf ein Dauerschach hinauszulaufen. Topalov wiederholte
die Züge. Sebastian musste sich nun entscheiden: Er konnte auf Remis
reklamieren wg. dreimaliger Stellungswiederholung oder die Dame zurückziehen,
um eine Drohung Topalovs gegen seinen eigenen König abzudecken. Die
berühmte Frage: Wie hätten Sie entschieden?
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Die Stellung:
... Dd2+ wäre bereits dreimalige Stellungswiederholung, die Alternative
wäre ... De7 nebst Deckung des Bauern h7
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Topalov kam ins
Grübeln
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Sebastian verschmähte
das Remis, was ein leichtes Zucken im Gesicht Topalovs hinterließ.
Topalov tauschte die Damen und das Endspiel war zwei Türme gegen Turm,
Läufer und Bauer. Topalov stand nunmehr nur noch am Brett von Sebastian,
da die anderen zwei Partien auch beendet waren, Programme bewerten die
Stellung in dieser Phase noch in etwa ausgeglichen. In dieser eins-gegen-eins
Situation blieb Sebastian kühl und es war Topalov, der länger
nachdachte, während Sebastian seine Züge herausfeuerte. Dem Bulgaren
unterliefen dann ein/zwei Ungenauigkeiten und er geriet in eine kritische
Lage. Als dann auch noch ein weiterer Bauer verloren ging, hatte der Mann
aus Sofia genug gesehen. Er gab auf!
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Vesko kommt vorbei
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Nach der Partie
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!! Die Partie gibt
es kommentarlos zum Nachspielen unter "Partie
Zürich" !!
Eine fabelhafte Leistung
von Sebastian! Es war nicht nur der Sieg an sich, sondern auch die Tatsache,
daß er sich in einer eins-zu eins Situation behaupten konnte. Nach
den Siegen über E. Pähtz und Hort wird Sebastian langsam zu einem
echten Simultankiller. Erwähnen muß man an dieser Stelle auch
das Auftreten von Veselin Topalov, welcher durch das WM-Match gegen Kramnik
in die negativen Schlagzeilen geraten war. Der Bulgare hinterließ
einen sehr guten Eindruck, schrieb zwischendurch immer mal wieder schnell
ein Autogramm, gönnte seinen Gegnern nach der Partie auch ein-/zwei
Sätze zum Spielverlauf und war auch direkt nach der Niederlage gegen
Sebastian sofort zu einem gemeinsamen Foto bereit. Absolut top!
Die anderen Meister
Am schnellsten mit
ihren Partien durch waren Anand und Kramnik. Auch Topalov spielte sehr
schnell, brauchte aber doch schon einiges länger. Auffallend war,
daß Kasparov und Karpov weit länger brauchten, als alle anderen.
Selbst die Altmeister Spassky und Kortschnoi waren eher fertig. Spassky
war mal wieder mit einer Sonnenbrille angetreten (die er später abnahm)
und hatte für seine Gegner immer mal wieder ein paar Kommentare übrig.
Der verbissenste war Garry Kasparov. Er machte natürlich seine üblichen
Grimassen und Posen, aber vergrub sich nahezu in jede einzelne Partie,
wobei er sich durchaus auch mal zehn Minuten oder länger für
einen Zug Zeit nahm. Kasparov und vor allem Karpov spielten also sehr langsam.
Karpov war noch fast an allen Brettern aktiv, als z.B. Topalov bereits
fertig war. Zu diesem Zeitpunkt hatte es für die Meister insgesamt
vier Niederlagen und einige Remisen gegeben, welches unser letzter Wissensstand
war.
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Garry Kasparov
bei seiner Arbeit
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Das Geviert von
Veselin Topalov
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Fazit: Eine rundherum
gut organisierte und gelungene Veranstaltung. Und wenn man dann auch noch
mit einem Punkt nach Hause fährt, ist es natürlich umso schöner!
Wahrscheinlich wird man all diese Weltmeister nicht wieder zusammen auf
einer Veranstaltung erleben können.
Hier noch ein paar
Links zu der Veranstaltung:
- Bericht
bei chessbase.de
- Seite
der SG Zürich
- Video
bei Youtube mit Kasparov (Fremdes
Video)
- Video
bei Youtube von der Veranstaltung
(Fremdes Video)
Es gibt auch zwei eigene
Videos:
- Video
Topalov - Müer I bei Youtube
- Video
Topalov - Müer II bei Youtube
- frank modder,
23.08.09
Außerschachliches
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Einmal in der
Schweiz, besuchten wir natürlich
auch die Heimat der
berühmten fliegenden Teppiche
(die Vergrößerung
zeigt es vielleicht deutlicher).
"Wer hat's erfunden?
Wir haben's erfunden!"
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