- Weltmeistersimultan Zürich -
22.08.2009
 

Sebastian Müer besiegt Ex-Weltmeister Veselin Topalov
 
Abstecher in die Schweiz zum 200jährigen Bestehen der SG Zürich

Der älteste Schachverein der Welt, die Schachgesellschaft Zürich, feiert in diesem Jahr ihr 200jähriges Bestehen. Dazu sind dort verschiedene Festivitäten angesagt, ein Höhepunkt war das sogenannte Weltmeistersimultan in der Züricher Bahnhofshalle, welches am 22.08. stattfand. Hierzu wurden acht Spieler eingeladen, welche allesamt einen Weltmeistertitel ihr Eigen nennen können. Die Spieler stellen wir gleich noch näher vor. Jeder Spieler trat an 25 Brettern an, die Spielstärke der Gegner reichte von 1200/1300 bis ca. 2200/2300 ELO-Punkten.
 

Die Spielstätte: Der Hauptbahnhof Zürich
Blick auf die Spielstätte
 
Da es Sebastian Müer gelang, einen Startplatz gegen Veselin Topalov zu bekommen, reisten wir zusammen mit Heiko Weerda zu Dritt in die Schweiz - Team Müer stellte sich Team Topalov furchtlos entgegen. Und die Fahrt war nicht umsonst: Topalov konnte sich zwar nach und nach seiner Simultangegner entledigen, und am Ende war Sebastian sein letzter verbliebener Gegner, die Stellung war zu diesem Zeitpunkt in etwa ausgeglichen. Aber wenn Topalov gedacht hatte, er könne nun ein leichtes Remis machen, kannte er Sebastian wohl nicht sehr gut. Denn der Norder verzichtete auf eine angebotene dreimalige Wiederholung der Stellung, und für den bulgarischen Ex-Weltmeister fingen die Probleme an...

Die Weltmeister
(Bilder vergrößern durch anklicken)

 
Garry Kasparov, Weltmeister 1985-2000
Immer dicht umlagert und fast kaum zu erreichen
war das Geviert des vielleicht besten aller Zeiten
Veselin Topalov, Weltmeister 2005-2006
Der Bulgare, die aktuelle Nr. 1 der Weltrangliste,
wird 2010 gegen Anand wieder um den Titel spielen
 
Viswanathan Anand, Weltmeister seit 2007
Der aktuelle Titelträger war als Erster fertig
Vladimir Kramnik, Weltmeister 2000-2007
Der Russe war fast so schnell wie Anand
 
Anatoli Karpov, Weltmeister 1975-1985
Der Russe spielte extrem langsam und
war zusammen mit Kasparow als Letzter fertig
Boris Spassky, Weltmeister 1969-1972
Der legendäre Russe war Gegner von
Bobby Fischer im Match des Jahrhunderts 1972
 
Viktor Kortschnoi, Seniorenweltmeister 2006
Der Wahlschweizer war auch zwei Mal
Herausforderer um die Weltmeisterschaft
Ruslan Ponomarjov, Weltmeister 2002-2004
Der Ukrainer wurde jüngster Weltmeister
aller Zeiten beim K.O.-Turnier der FIDE 2002
 
Die Partie Topalov - Müer

Die Gegner der Simultangeber waren nach Spielstärke sortiert, so war Sebastian im Topalov-Geviert die Nr. 7 der Setzliste. Ein durchaus anspruchsvolles Programm, wenn man z.B. bedenkt, daß ein Garry Kasparov früher Simultanspiele nur unter der Bedingung spielte, daß kein Gegner mehr als etwa 1900 Ratingpunkte hatte. Wie alle Gegner hatte auch Sebastian Schwarz. Es gelang ihm zunächst, Ausgleich zu erzielen. Topalov kam aber wieder in Vorteil durch einen gut placierten Vorpostenspringer am Damenflügel. Den allerdings konnte Sebastian vertreiben und hatte wieder Ausgleich. Topalov gab dann allerdings eine Qualität für einen Bauern, die Stellung war zweischneidig. Sebastian öffnete danach das Spiel durch einen Vorstoß im Zentrum. Wenn es zunächst so aussah, als sei Sebastians Königsstellung die unsicherere, so geriet nun zunehmend der König des Bulgaren arg in die Schußlinie.
 

Der Handschlag vor der Partie
Alles war in bester Stimmung
Sebastian während einer Konzentrationsphase
 
Topalov verteidigte sich aber kämpferisch und Sebastian zog sich wieder zurück, wonach Topalov eine optisch recht offensive Aufstellung hatte, allerdings immer noch mit einer Qualle gegen einen Bauern für Sebastian. Mittlerweile spielte Topalov nur noch gegen zwei weitere Gegner und war sehr schnell wieder am Brett von Sebastian zurück. Unser Mann drang dann mit seiner Dame ein und es schien auf ein Dauerschach hinauszulaufen. Topalov wiederholte die Züge. Sebastian musste sich nun entscheiden: Er konnte auf Remis reklamieren wg. dreimaliger Stellungswiederholung oder die Dame zurückziehen, um eine Drohung Topalovs gegen seinen eigenen König abzudecken. Die berühmte Frage: Wie hätten Sie entschieden?
 
Die Stellung: ... Dd2+ wäre bereits dreimalige Stellungswiederholung, die Alternative wäre ... De7 nebst Deckung des Bauern h7
Topalov kam ins Grübeln
 
Sebastian verschmähte das Remis, was ein leichtes Zucken im Gesicht Topalovs hinterließ. Topalov tauschte die Damen und das Endspiel war zwei Türme gegen Turm, Läufer und Bauer. Topalov stand nunmehr nur noch am Brett von Sebastian, da die anderen zwei Partien auch beendet waren, Programme bewerten die Stellung in dieser Phase noch in etwa ausgeglichen. In dieser eins-gegen-eins Situation blieb Sebastian kühl und es war Topalov, der länger nachdachte, während Sebastian seine Züge herausfeuerte. Dem Bulgaren unterliefen dann ein/zwei Ungenauigkeiten und er geriet in eine kritische Lage. Als dann auch noch ein weiterer Bauer verloren ging, hatte der Mann aus Sofia genug gesehen. Er gab auf!
 
Vesko kommt vorbei
Nach der Partie
 
!! Die Partie gibt es kommentarlos zum Nachspielen unter "Partie Zürich" !!

Eine fabelhafte Leistung von Sebastian! Es war nicht nur der Sieg an sich, sondern auch die Tatsache, daß er sich in einer eins-zu eins Situation behaupten konnte. Nach den Siegen über E. Pähtz und Hort wird Sebastian langsam zu einem echten Simultankiller. Erwähnen muß man an dieser Stelle auch das Auftreten von Veselin Topalov, welcher durch das WM-Match gegen Kramnik in die negativen Schlagzeilen geraten war. Der Bulgare hinterließ einen sehr guten Eindruck, schrieb zwischendurch immer mal wieder schnell ein Autogramm, gönnte seinen Gegnern nach der Partie auch ein-/zwei Sätze zum Spielverlauf und war auch direkt nach der Niederlage gegen Sebastian sofort zu einem gemeinsamen Foto bereit. Absolut top!

Die anderen Meister

Am schnellsten mit ihren Partien durch waren Anand und Kramnik. Auch Topalov spielte sehr schnell, brauchte aber doch schon einiges länger. Auffallend war, daß Kasparov und Karpov weit länger brauchten, als alle anderen. Selbst die Altmeister Spassky und Kortschnoi waren eher fertig. Spassky war mal wieder mit einer Sonnenbrille angetreten (die er später abnahm) und hatte für seine Gegner immer mal wieder ein paar Kommentare übrig. Der verbissenste war Garry Kasparov. Er machte natürlich seine üblichen Grimassen und Posen, aber vergrub sich nahezu in jede einzelne Partie, wobei er sich durchaus auch mal zehn Minuten oder länger für einen Zug Zeit nahm. Kasparov und vor allem Karpov spielten also sehr langsam. Karpov war noch fast an allen Brettern aktiv, als z.B. Topalov bereits fertig war. Zu diesem Zeitpunkt hatte es für die Meister insgesamt vier Niederlagen und einige Remisen gegeben, welches unser letzter Wissensstand war.
 

Garry Kasparov bei seiner Arbeit
Das Geviert von Veselin Topalov
 
Fazit: Eine rundherum gut organisierte und gelungene Veranstaltung. Und wenn man dann auch noch mit einem Punkt nach Hause fährt, ist es natürlich umso schöner! Wahrscheinlich wird man all diese Weltmeister nicht wieder zusammen auf einer Veranstaltung erleben können.

Hier noch ein paar Links zu der Veranstaltung:

- Bericht bei chessbase.de
- Seite der SG Zürich
- Video bei Youtube mit Kasparov (Fremdes Video)
- Video bei Youtube von der Veranstaltung (Fremdes Video)

Es gibt auch zwei eigene Videos:

- Video Topalov - Müer I bei Youtube
- Video Topalov - Müer II bei Youtube

- frank modder, 23.08.09

Außerschachliches

 
Einmal in der Schweiz, besuchten wir natürlich
auch die Heimat der berühmten fliegenden Teppiche
(die Vergrößerung zeigt es vielleicht deutlicher).
"Wer hat's erfunden? Wir haben's erfunden!"