- 1. Open Cento, Italien, 2011 -
05.02. - 13.02.
 

Il Basto* und di Fens** beim großen Open in Cento am Start
Bericht aus Italien
 
Erstmalig ausgetragenes Open in der Nähe von Bologna

Il Basto a.k.a El Basto alias Sebastian Müer und di Fens a.k.a. D-Fens alias Frank Modder, also ich, nahmen vom 05. bis zum 13.02. am erstmalig ausgetragenen offenen Turnier im italienischen Cento teil. Sozusagen für Kurzentschlossene - eigentlich war eine Turnierfahrt nach Budapest zum First Saturday geplant. Dann jedoch stießen wir auf die Ausschreibung aus Italien und buchten kurzerhand um - ein starkes Open versprach mehr als ein geschlossenes Rundenturnier.

Das Open wurde erstmalig ausgerichtet, mit einem Preisfonds von 26.000 EUR durfte man aber mit starkem Zuspruch rechnen. Das bestätigte sich dann zwar nicht in der Quantität, wohl aber in der Qualität, es waren ca. 100 Spieler im Open vertreten, dazu gab es jeweils vorher und nachher ein parallel ausgetragenes Wochenendturnier mit 5 Runden, diese Spieler kommen also noch dazu. Wir spielten wie gesagt im Open mit, welches am 05.02. begann und über 9 Runden ging. Pro Tag wurde eine Runde gespielt.

Reise und Unterkunft

Die Reise begann bereits am 04.02. mit einem Flug ab Bremen mit der Lufthansa. Nach einer Stunde waren wir bereits in München, wo wir in eine Maschine von Air Dolomiti umstiegen, welche uns nach einer knappen weiteren Stunde in Bologna, der norditalienischen Großstadt, wohlbehalten absetzte.
 

Unser Flieger ab München - Air Dolomiti.
Schickeres Ambiente als in den Lufthansa-Maschinen.
Ein Blick auf die Alpen.
Könnte auch aus dem Herrn der Ringe stammen.

Unsere Unterkunft lag in dem kleinen Ort Pieve di Cento, welcher nochmal ca. 25 km nördlich von Bologna gelegen war. Hatten wir für die ersten 1000 km ca. 2 Stunden netto benötigt, so kamen nun für die restliche Kurzstrecke nochmal weitere 3 Stunden hinzu für verschiedene Busfahrten - die richtige Linie muß ja auch erstmal gefunden sein. Doch wir kamen wohlbehalten in unserer Pension an. Pieve hat ca. 7000 Einwohner und verfügt über viele Gebäude, die auf das 15./16. Jahrhundert datiert sind. Der Ort wird an allen vier Seiten von jeweils einem historischen, gemauerten Turm begrenzt.
 

Bologna bei Nacht, direkt nach unserer Ankunft.
Vom Flughafen kommend mussten wir hier in
der Innenstadt die Buslinie nach Cento finden.
Il Basto gönnt sich Einen (Burger).
Im Gegensatz zu anderen Lebensmitteln ist
McDonald's Italien nicht teurer als in hiesigen Landen.

Der Ort hat ein paar gute Cafes zu bieten, die z.B. am zentral gelegenen Marktplatz liegen, und Restaurants sind auch immer vorhanden. Die Pension lag gut 10 Gehminuten entfernt vom Austragungsort, nämlich dem Grand Hotel Bologna. Hier waren wohl auch die meisten der teilnehmenden Großmeister abgestiegen. Die Spielbedingungen waren sehr gut. Es gab ausreichend Platz und an nahezu allen Brettern wurde mit DGT-Brett gespielt, sodaß quasi alle Partien des Turniers live ins Internet übertragen wurden.
 

Unsere Unterkunft. Von außen recht
unscheinbar,  war sie aber innen gut
eingerichtet und wurde liebenswürdig geführt.
Eines der vier historischen Stadttore.
Wenn man sich mal verlaufen hatte (was natürlich nie
vorkam...) bildeten sie ein gutes Orientierungsmerkmal.
 
Typisches Straßenbild unseres Ortes.
Ein Gebäude in Pieve di Cento.

Das Turnier

Einige bekannte Großmeister hatten den Weg nach Cento gefunden, unter ihnen Namen wie Dreev, Romanishin, Korneev, Delchev usw. Die meisten der Teilnehmer waren jedoch italienischer Nationalität, Sebastian und ich waren die einzigen deutschen Spieler. Rundenbeginn war jeweils um 15 Uhr, gespielt wurde 1 Std. 30 Minuten für 40 Züge und für den Rest der Partie gab es nochmal 30 Minuten. Hinzu kamen 30 Sekunden Aufschlag für jeden ausgeführten Zug von Beginn an, sodaß man im Grunde wieder bei der alten 2h/40+30-Geschichte war.
 

Der Spielort - das Grand Hotel Bologna.
Gespielt wurde in einem separaten Saal,
welcher hier hinter dem Gebäude gelegen ist.
Ein Blick in den Turniersaal.
Links stehen nochmal die gleiche Anzahl an
Tischen für die Wochenend-Turniere zur Verfügung.

Nach ein paar Tagen eines solchen Turniers hat man eine tägliche Routine, einen Rhythmus erreicht und verliert schnell jegliches Gefühl für den Wochentag und die sonstige Welt - gerade wenn man im Ausland weilt und keinerlei Nachrichten mehr mitbekommt. Man lebt quasi in seiner eigenen Schachwelt und kann alles andere ausblenden. Ein typischer Tag sieht etwa so aus: 9-10 Uhr frühstücken, danach mit Büchern und Laptop bewaffnet ein Cafe, das Spiellokal oder sonst eine Örtlichkeit aufsuchen und auf den nachmittäglichen Gegner vorbereiten, vielleicht nochmal im Supermarkt die Wasservorräte auffüllen, um 14 Uhr zurück in der Pension sein, ausruhen und zum Spielhotel laufen. Die Runde ging von 15 Uhr bis ca. 20 Uhr.
 

Sebastian entspannt sich bei einem Espresso.
Ich gönne mir unterdessen erstmal eine Leckerei.

Danach wurde meist etwas gegessen und schonmal ein Blick auf die Auslosung für den nächsten Tag geworfen. Abends wurde vielleicht die Partie vom Tage in den Computer gehackt und der nächste Gegner schonmal ein wenig in Augenschein genommen, außerdem kann man jederzeit ein wenig blitzen oder auch mal in die Stadt gehen.

Turnierverlauf - 1. Hälfte

Sebastian mit seinen ca. 2200 Wertungspunkten (ELO) war in der oberen Hälfte gesetzt und landete zum Auftakt einen sicheren Sieg gegen 1670. In Runde 2 dann allerdings kam ein 2400er, hier war nicht viel zu holen. Der nächste Gegner war wieder unter 2000 und wurde von Sebastian sicher besiegt. Es folgte erneut ein 2400er in Runde vier. Um dieses Ping-Pong-Spiel zu beenden, sagte sich Il Basto, nehme ich doch den Punkt einfach mal mit! Nach gelungenem Eröffnungsverlauf war er im Vorteil gewesen, bekam aber nach und nach Probleme und verlor auch einen Bauern. Der Gegner, ein IM, hatte aber starke Zeitnot und Sebastian stellte ihm eine fiese Falle. Er ließ den IM eine Kombination wittern, welche dieser auch mit knapper Zeit prompt ausführte, hatte aber noch etwas weiter gerechnet und ein fürchterliches Schachgebot draufgesetzt. Hiernach würde sein Gegner Dame gegen Turn verlieren. Der IM hatte gerade noch genug Bedenkzeit übrig, um aufgeben zu können. Damit stand Il Basto bei 3 Punkten aus 4 Runden. Eine gute erste Hälfte.
 

Il Basto in seiner Partie der
zweiten Runde gegen Pierluigi Piscopo.
Das Ping-Pong-Spiel hatte begonnen...
Ich wurde unterdessen auf der Parkbank interviewt.
Nach 1,0/4 ließ das Interesse der
italienischen Presse allerdings merklich nach.

Bei mir mit meinen 1900 ELO lief es nicht ganz so optimal, Knackpunkt war die Runde 3. Zum Auftakt hatte ich Sebastians IM-Skalp aus Runde 4 gehabt, hier habe ich klar verloren, wobei ich in der Eröffnung meine Vorbereitung vergaß. In Runde 2 traf ich dann auf den Auftaktgegner von Sebastian, 1670, welcher es also gleich zu Beginn mit beiden Deutschen zu tun hatte. Ich hatte hier wenig Probleme und so hieß es demzufolge Alemannia - Italia 2-0. Mit einem Punkt aus zwei Runden bewaffnet traf ich auf 2100 in Runde 3. Nach schwacher Eröffnung kam es zu einem taktischen Handgemenge. Ich konnte meinen Gegner überspielen und eine gute Stellung erreichen, als erneut ein Hauen und Stechen eintrat. An dessen Ende hatte ich einen Mattangriff und er einen Freibauern auf der vorletzten Reihe. Ich konnte den sicherlich nicht einfach zu spielenden Angriff allerdings in knapper Zeit nicht korrekt durchführen und verlor. In Runde 4, wieder gegen 2100, hatte ich dann eine etwas schlechtere Stellung, die ich im Endspiel nicht halten konnte. Somit bei mir also nur ein Punkt aus 4 Runden.
 

Im Saal hatte man eine riesig Fortschrittstabelle
mit allen Teilnehmern nach Setzliste angebracht.
So sah das ganze dann aus der Nähe aus.

Turnierverlauf - 2. Hälfte

Sebastian war mit seinen drei Punkten numehr sehr weit vorne dabei und traf in Runde 5 auf den russischen Großmeister Igor Naumkin. Sebastian konstatierte hinterher, alles gegeben zu haben, aber der Gegner habe einfach mehr gesehen. Dennoch war diese Partie eine interessante, offene Feldschlacht, die von den beiden hinterher auch gemeinsam in einer langen Analyse nochmal besprochen wurde. In Runde 5 war der Gegner wieder ein 2400-er IM. Sebastian erreichte hier dank der heimischen Eröffnungsanalyse leichten Ausgleich. Er hätte am Ende in ein besseres Endspiel abwickeln können, wollte aber die Figuren behalten und auf Matt spielen, wonach ihn eine Taktik erwischte, welche Material und die Partie kostete. Das war natürlich ein herber Rückschlag, doch in den letzten drei Runden sollte nochmal angegriffen werden. Zunächst ein sehr überlegener Sieg gegen einen Gegner <2000. Es folgte eine harte Kampfpartie gegen 2370. Sebastian hatte in dem (nahenden) Endspiel einen Mehrbauern, als der Gegner den Druck nicht mehr aushielt und in Zeitnot wild herumopferte. Mit zwei Figuren plus konnte Sebastian den Sieg mitnehmen. 5 aus 8! In Runde 9 hatte Sebastian berechtigte Hoffnung auf einen Ratingpreis <2300, dazu musste aber ein Remis mit Schwarz gegen einen britischen 2400-IM her. Il Basto hatte einen Minusbauern im Endspiel Springer gegen Läufer. Lange sah es so aus, als könne er Remis halten, verpaßte aber kurz vor Ende doch noch den halben Punkt nach einer Ungenauigkeit. Somit leider kein Ratingpreis, aber eine Performance von ca. 2270 und wieder ein Zugewinn an ELO-Punkten.
 

Il Basto konzentriert sich in seiner
Partie gegen IM Borgo, die er
leider sehr unglücklich verlor.
Rechts vorne spielt der an Nr. 1 gesetzte russische GM Aleksey Dreev gegen Sebastians Punkt aus der vorletzten Runde. Stehend links Italiens Nr. 3, GM Michele Godena.

Bei mir ging es zunächst sehr positiv weiter. Ein 1700-er Gegner in Runde 5 konnte mit einer Eröffnungsfalle recht schnell abgelegt werden, bevor es in Runde 6 wieder mal gegen 2100 ging. Hier rührte ich zwar in der Eröffnung erneut ein bißchen drin herum, konnte die Stellung aber letztlich problemlos remisieren. Es sollte mein einziges Unentschieden im Turnier bleiben. Die beiden Folgerunden waren aber enttäuschend. Eine Niederlage gegen 2100, welcher meine Eröffnung aus Runde 5 gesehen hatte und eine Spezialvorbereitung servierte (ich wusste leider nichts über sein Repertoire in dieser Variante) sowie eine grausame Niederlage in Runde 8 gegen knapp 2000, in der ich wieder die Eröffnung grottenschlecht behandelt habe. Na, jedenfalls weiß man nun, wo man ansetzen muß. Die Schlußrunde bescherte mir 1660, und mit einer schön herausgespielten Gewinnpartie gelang mir zumindest ein versöhnlicher Abschluß. Mein Ergebnis von 3,5 aus 9 entspricht in etwa meiner Ausgangszahl im 1900er-Bereich, das ganze wäre also als "normal" einzustufen.

Rückkehr und Fazit

Zufriedenstellende bzw. normale Ergebnisse also für uns, dazu ein gut organisiertes Turnier, eine ebenso gute Unterkunft - was will man mehr! Eine gute Rückreise vielleicht. Es ging zurück via Flughafen Bologna, welchen wir diesmal allerdings mit dem Taxi ansteuerten. Der Taxifahrer konnte entweder schlecht hören oder hatte ein steifes Bein, soviel Gas, wie er gegeben hat. Dank der von ihm eröffneten dritten Fahrspur waren wir mehr als pünktlich vor Ort. Der Rückflug ging diesmal über Frankfurt nach Bremen. Dort kamen wir dann am Sonntag um 22:30 Uhr auch planmäßig wieder an - leider nicht unser Gepäck. Das hatte die Lufthansa in Frankfurt vergessen. Somit gab es noch eine Übernachtung in Bremen obendrauf, bis am Montag morgen das Gepäck eingetroffen war.

Ansonsten bleibt nur zu hoffen, daß das Turnier nicht die einzige Ausgabe seiner Art bleiben wird. Cento 2012 - wir kommen!

Hier noch ein paar Links:

Turnierseite mit Ergebnissen

Bericht bei Chessbase

- frank modder, 17.02.11

*siehe quickstep-chess.de 
** siehe schach.de

Sonstiges

Eine neue Erkenntnis brach sich in Cento bei uns bahn - Eröffnungsvorbereitung wird überbewertet! Vor der 8. Runde gegen 2370 bereiteten wir für Sebastian eine lange Variante für ihn mit Schwarz im Drachen vor - hier kann Weiß entweder Remis machen oder, wenn er einer Zugwiederholung ausweicht, auch arg unter Druck geraten. Nach stundenlanger Vorbereitung ging es dann guten Mutes ans Brett. Ich hatte so ca. 2-3 Züge meiner Partie gespielt, als Sebastian, welcher ebenfalls schon ein paar Züge ausgeführt hatte, von seinem Brett zu mir kam: "Wir haben Scheiße gebaut. Ich habe Weiß." Aaaargh! Im Gegensatz zu seinem starken Gegner gänzlich unvorbereitet, hatte Il Basto aber keine Mühe, zu improvisieren und diesen dennoch vom Brett zu nehmen (s. oben). Also Leute, guckt euch was an!
 

Sebastian konnte Erfolgsmeldungen
nach Hause telefonieren und sich
Informationen über den Drachen einholen.