Drei Großmeistergegner
für gut aufgelegten Sebastian Müer
Nach halbjähriger
Turnierpause wagten Sebastian Müer und ich uns wieder zurück
in die umkämpften Turnierarenen des Landes. Auf dem Programm standen
das Weihnachtsturnier in Erfurt sowie die Niedersächsischen Landesmeisterschaften
2012 in Verden. In der turnierfreien Zeit konnten neue Eröffnungen
vorbereitet und auch ein Auge auf das generelle Spiel geworfen werden.
Die Frage war, was würde überwiegen: Das Training oder die fehlende
Turnierpraxis?
Das Hauptziel - zumindest
für Sebastian - waren sicherlich die Landesmeisterschaften, der Härtetest
dafür war das Turnier in Erfurt. Die Landesmeisterschaften werden
wir in Teil 2
betrachten. Das Weihnachtsopen war für uns bereits Erfurt III - nach
unseren Auftritten dort in den Jahren 2006 und 2007. Gespielt werden, beginnend
am zweiten Weihnachtstag, acht Runden Schweizer System mit der Bedenkzeitregelung
2 Stunden für 40 Züge, 30 Minuten für den Rest. Neben einem
Seniorenturnier bietet Erfurt ein Amateur- (Obergrenze Wertungszahl 1600)
sowie ein Hauptturnier (Obergrenze 2000). Die "Königsklasse" ist allerdings
das sog. Meisterturnier, wofür 1900 Punkte minimal notwendig sind.
Hier starteten Sebastian und ich.
Gespielt wurde im Radisson-Hotel,
wo wir auch wohnten. Von der 17. Etage aus konnte man während der
Partien einen tollen Blick auf die Erfurter Altstadt werfen. Das Turnier
sah insgesamt ca. 200 Teilnehmer, davon ca. 70 im Meisterturnier. Sebastian
war an Platz 16 gesetzt und hoffte sicherlich auf eine Position in den
Top 10. Nachdem also am 26. Dezember der Weihnachtsbraten beiseite geschoben
wurde, ging es auf die von Bremen aus ca. vierstündige Anreise nach
Erfurt und dann am Abend gleich ans Brett. Mit am Start mehrere Großmeister,
als Nr. 1 der Setzliste dabei der Ukrainer Zubarev mit ca. 2600 Wertungspunkten.
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Das Hotel liegt
direkt in der Erfurter Altstadt.
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Blick in den Meisterturniersaal.
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1. Turnierhälfte
(Runden 1-4)
Sebastian besiegte
zum Auftakt Schachfreund Volker Janssen aus Wildeshausen (1952), bevor
in Runde zwei mit Mathias Womacka bereits der erste Großmeister wartete.
Mit Schwarz eine harte Aufgabe, aber für das weitere Turnier war es
eine sehr wichtige Partie. Der GM versuchte zwar taktisch, einen Bauerngewinn
herauszukneten, aber Sebastian hielt alles gut zusammen und auch die Maschinen
konnten hinterher keine Probleme für Schwarz sehen. Nach Damentausch
ging die Partie in ein Endspiel mit jeweils Turm und Springer. Sebastian
aktivierte seinen Turm und konnte Dauerschachdrohungen aufstellen, worauf
sein Gegner ein Remis anbot.
In Runde drei wartete
ein Gegner mit 2064 Punkten, der von Sebastian besiegt werden konnte, bevor
es mit Schwarz gegen 2144 ging. Diese Partie war ein echtes Schmankerl
und eine positionelle Glanzleistung von Sebastian. Der Gegner wurde in
einem soliden System ausmanövriert und dann mit einer schönen
Schlußkombination ausgeknockt. Mit 3,5 Punkten aus vier Runden hatte
Sebastian also bis dahin ein sehr starkes Turnier gespielt.
Bei mir lief
es durchwachsener: Zum Auftakt wäre ich mit meinem "traditionellen"
Erfurter Startremis gegen 2076 zufrieden gewesen. Mein Gegner baute aber
mit Schwarz am Königsflügel Druck auf. Vielleicht habe ich dort
etwas zu sehr verteidigt, anstatt auf Gegenspiel am Damenflügel zu
setzen. Dennoch konnte ich schließlich in ein einfaches Turmendspiel
abwickeln und meinen Turm aktivieren. Ich hatte einen Mehrbauern, aber
der Gegner drang mit dem König ein. Ich hielt meine Stellung für
kritisch, doch mein Gegenüber fand nicht mehr als ein Dauerschach.
Remis also. Mission erfüllt!
Der nächste Gegner
war allerdings ein Titelträger (2262). Er setzte mir eine Eröffnungsneuerung
vor, die zwar nicht korrekt war, aber die ich am Brett nicht widerlegen
konnte. Ich geriet in die Defensive und konnte mich lediglich noch eine
zeitlang verteidigen, bevor die Null stand. Eine harte Schlacht gegen 2008
folgte. Ich stand hier schlechter, hatte aber noch ein paar taktische Ideen.
Leider ließ ich hier einen Bauerngewinn aus, der die Stellung für
mich wieder ausgeglichen hätte. Es gab noch eine Zeitnotphase, aber
ich geriet in ein verlorenes Endspiel.
Die vierte Runde brachte
mir Sebastians Gegner aus der Auftaktrunde, Volker Janssen. Gegen ihn hatte
ich bereits vor vier Jahren in Erfurt gespielt. Ich bereitete eine andere
Eröffnungsvariante vor, die auch auf das Brett kam. Mein Gegner gewann
im Mittelspiel eine Qualität, ich hatte aber mit einem Bauern und
dem Läuferpaar ausreichende Kompensation. Der Königsangriff von
mir führte letztlich zu einer Zugwiederholung. Ein leistungsgerechtes
Unentschieden. Meine 1,0/4 sahen natürlich auf dem Papier nicht gut
aus, auch wenn die Turnierleistung noch etwa im Rahmen meiner eigenen Zahl
lag. Allerdings war ich auch in der Setzliste fast ganz am Ende.
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Für Sebastian
gab es in Erfurt nur selten auf die Mütze.
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Sebastian bei
der Analyse mit Jan Krensing.
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2. Turnierhälfte
(Runden 5-8)
Sebastian machte
in Runde 5 mit einem positiven Ergebnis weiter. Sein Gegner war mit Jan
Krensing (2246) ein weiterer Niedersachse. Remis mit Weiß scheint
hier mit Blick auf die Zahlen eher ein normales Ergebnis, aber Krensing
zeigte bereits in der Folgerunde eine sehr beachtenswerte Leistung: Er
lehnte ausgangs der Eröffnung gegen den Topgesetzten Zubarev ein Remis
ab und holte sich am Ende den ganzen Punkt. Sebastian brauchte also mit
seinem Remis gegen diesen Gegner nicht unzufrieden zu sein.
Nun kam es für
ihn allerdings sehr hart: In den beiden folgenden Runden warteten zwei
Großmeister! Sebastian mußte lange warten, bis er gegen Großmeister
spielen konnte, mit diesem Turnier kamen sie gleich in Serie. Zunächst
gab es ein hartes Gefecht gegen Jens-Uwe Maiwald. Mit Schwarz ist Sebastian
hier knapp an einem Remis vorbeigegangen. Die Entscheidung fiel in der
Zeitnotphase: Maiwald stand hier sicherlich schon etwas besser, aber mit
den letzten Sekunden stellte Sebastian im 39. Zug einen Turm ein.
War dies zumindest
ein Kampf auf annähernd Augenhöhe, so gab es in Runde 7 gegen
Alexandr Karpatchev, einem "alten Bekannten" vom NordWest-Cup in Bad Zwischenahn,
nicht viel zu ernten. Der Meister erwischte "El Basto" eröffnungsseitig
etwas auf dem falschen Fuß. Sebastian machte zwar noch das Beste
daraus, blieb aber unter Druck und mußte irgendwann auch Material
abgeben. Das war hier auch entscheidend. Am letzten Turniertag gab es noch
einmal eine Runde, Sebastian hatte sich leider mittlerweile eine starke
Erkältung zugezogen und hätte die Partie eigentlich gar nicht
spielen können. Wie immer ist das Aussetzen für Sebastian keine
Alternative, und er trat an. Er verlor mit Schwarz gegen 2057 aber relativ
schnell.
Ich selber spielte
die zweite Turnierhälfte ähnlich wie die erste. Eine Niederlage
mit Weiß gegen 1966 gab es in Runde fünf. In einem Doppelturmendspiel
waren seine Schwerfiguren aktiver als meine, ich konnte es nicht halten.
Ein beinharter Fight folgte gegen 2014. Mein Gegner machte mit Weiß
jede Menge Druck, aber es gelang mir, die Stellung ausgeglichen durchs
Mittelspiel zu führen. Hier stampfte ich einen Bauern ein, konnte
danach aber noch eine Menge taktischer Sachen mit den Türmen und den
Läufern drohen. Nach Ende der Zeitnot hatte ich den Bauern zurück
und einen schönen Freibauern, er allerdings stellte mit Dame, Turm
und Läufer gefährliche Mattdrohungen auf. Da keiner weiterkam,
vereinbarten wir ein Remis.
In der siebten Runde
konnte ich gegen 1913 endlich eine meiner Eröffnungsneuerungen anwenden
und stand gut. Ich stürmte aber zu ungeduldig vor und fand mich schließlich
doch wieder in einer Verteidungsstellung ein. Mein Gegner bekam Turm und
zwei Leichtfiguren für seine Dame, das Endspiel war für mich
verloren. Am letzten Spieltag gelang mir gegen knapp 1800 die erste Gewinnpartie
des Turniers. Mein Gegner stand ausgangs der Eröffnung bereits etwas
schlechter, als er die Züge vertauschte, wie man so sagt, und eine
Figur einstellte. 2,5 Punkte am Ende waren ein für mich lediglich
"normales" Ergebnis.
Fazit:
Für Sebastian
ein sehr starkes Turnier. Man darf natürlich die letzte Runde nicht
mitbetrachten, die unter ungünstigen Umständen gespielt wurde.
In den anderen sieben Runden spielte Sebastian stark und ideenreich, und
bis auf Krensing konnten ihm nur Großmeister etwas abnehmen. Gegen
diese spielte er auf gutem Niveau mit und konnte in einem Fall sogar etwas
Zählbares herausholen. Es gab einen Zuwachs an DWZ und ELO, der fiel
aber auf Grund der letzten Partie nur sehr gering aus.
Dasselbe war auch bei
mir der Fall: Geringer Zuwachs. Allerdings hatte ich das Gefühl, ein
sehr schlechtes Turnier gespielt zu haben. Mir fehlten teilweise Ideen
und Phantasie. Häufig wurde ich erst in schlechter Lage richtig "wach"
und konnte noch halbe Punkte retten. Das man mit so einer Leistung noch
im Plus landet, hat mich schon etwas gewundert, läßt aber doch
für kommende Aufgaben noch hoffen.
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Weiter zu Teil
2 des Comebacks.
Hier noch zwei Links
zum Turnier:
Turnierseite
DWZ-Auswertung
- frank modder,
06.01.2012
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Erfurt II in 2007:
Ob ich und...
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... El Basto nochmal
hoch hinaus kommen?
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