- Niedersächsische Landesmeisterschaften, Verden, 2012 -
02.01. - 05.01.
 

Doppelcomeback in Erfurt und Verden
Teil 2: Verden
 
Sebastian Müer Dritter bei den Landesmeisterschaften

Teil 2 des Doppelcomebacks von Sebastian Müer und mir nach sechs Monaten Turnierpause zum Jahreswechsel (s. hier Teil 1) waren die Landesmeisterschaften von Niedersachsen zu Beginn des neuen Jahres in Verden. Gespielt wurde wie immer im Hotel Niedersachsenhof. Hier ging man in zwei Kategorien an den Start: Sebastian spielte zusammen mit 17 anderen Teilnehmern im Meisterturnier um den Titel, während ich im Open mit 154 weiteren Gegnern antrat. Es wurden jeweils sieben Runden nach dem Schweizer System ausgetragen, die Bedenkzeitregelung sah 90 Minuten für 40 Züge und eine halbe Stunde für den Rest vor, wobei es allerdings ab dem ersten Zug eine Zeitgutschrift von 30 Sekunden pro Zug gab.

Sebastian hatte bereits mehrfach am Meisterturnier teilgenommen und als bislang beste Platzierung im Jahr 2010 den 4. Platz erreicht. Meine bisherigen Open-Teilnahmen waren nicht sehr ruhmvoll, darum war ich im letzten Jahr auch nur als "Betreuer" dabei - aber diesmal wollte ich selber wieder angreifen.

1. Turnierhälfte (Runden 1-4)

Sebastian besiegte zum Auftakt einen Gegner mit 2066 und den weißen Steinen. Er hatte klare positionelle Vorteile und nachher auch einen Mehrbauern, diesen Vorteil baute er zu weiterem Materialgewinn aus. Ein vermeintlich leichtes Los gab es für Sebastian in Runde zwei gegen den jungen Timo Oehne (1956). Dieser spielte aber ein starkes Turnier und landete auf dem beachtlichen fünften Platz. Dabei verlor er auch nur eine Partie - gegen "El Basto". Sebastian stand hier allerdings lange Zeit eher passiv, bevor er einen eingedrungen Turm - bzw. die Qualität - einfangen konnte. Das Endspiel war dann unproblematisch.

2,0/2 also, und in diesem Tempo schien Sebastian in der dritten Runde auch weiterzumachen: Gegen Enno Eschholz (2262) vom SK Wildeshausen spielte er sich eine positionell klare Gewinnstellung mit Mehrbauer heraus. Sebastian ließ sich aber von einer Taktik des Gegners beeindrucken und den Gewinnzug aus. Er übersah in der Verteidigung noch den Übergang in ein Damenendspiel mit Minusbauer, aber guten Remischancen. So verlor er einen Springer gegen zwei (Frei-)bauern, die als Kompensation jedoch nicht mehr reichten.

Bittere Pille! Diese Partie verwehrte Sebastian einen Sprung ganz nach oben, aber dennoch ließ er sich davon nicht beeindrucken. In der vierten Runde ging es gegen einen weiteren jungen Gegner, wiederum aus Wildeshausen, Spartak Grigorian (2080). Sebastian konnte seinen Gegner mit Weiß positionell überspielen. Nachdem das Gegenspiel ausgeschaltet war, ging Sebastian auf Materialgewinn, was ihm den dritten Punkt einbrachte. Also eigentlich eine gute Turnierhälfte, aber die Niederlage war natürlich ärgerlich und ein Rückschlag auf Treppchenambitionen. Doch auch die Konkurrenten gaben Punkte ab und es blieb in der zweiten Hälfte an der Spitze weiter spannend.

Bei mir im Open gab es zunächst einen leichten Sieg gegen untere Hälfte, bevor es dann schon gegen 2114 ging. Ich stand etwas passiv, wenn auch solide mit Schwarz. Sein Angriff wurde nur stark, weil ich einmal danebengriff, im Anschluß war dann nicht mehr viel zu halten. Runde drei brachte dann anscheinend einen leichten Gegner mit 1589, der aber eine 1800er-Turnierleistung ablieferte. Naja, ich stand jedenfalls im Mittelspiel sehr verdächtig, mein Gegner stellte aber dann zwei Figuren gegen Turm ein und ich freute mich darauf, im Endspiel den Punkt zu holen.

Dort hatte ich zwei Springer und zwei Bauern gegen Turm und Bauer. Möglicherweise hätte ich vorher günstiger abwickeln können, diese Konstellation erwies sich jedenfalls als sehr kompliziert (oder meine Technik ist zu schlecht). Der Gegner hielt das Remis nach langem Kampf. Das war natürlich sehr unbefriedigend. In Runde vier hatte ich schließlich wenig Probleme gegen 1573 und stand bei 2,5/4. Das ließ also noch Hoffnung auf mehr. 
 

Turniersaal in Verden.
Sebastian gegen FM Bode
(die Mütze brachte wieder kein Glück)
 
2. Turnierhälfte (Runden 5-7)

Sebastian startete in die zweite Turnierhälfte gegen den Topgesetzten Nikolas Lubbe (2381), der das Turnier in den letzten drei Jahren gewinnen konnte. Mit Schwarz wendete Sebastian eine Idee an, die er aus einer ähnlichen Variante derselben Eröffnung kennt. Er opfert hier vorrübergehend einen Bauern, bringt aber einen gegnerischen Springer in eine unangenehme Fesselung. Nachdem sich der Rauch verzogen hatte, hatte Sebastian zwei Figuren für einen Turm gewonnen. Sein Gegner spielte aber stark weiter und gewann einen Bauern zurück, im Endspiel hatte der Titelverteidiger Turm und vier Bauern gegen Sebastians Springer, Läufer und drei Bauern, alle Bauern befanden sich am Königsflügel.

Es wurden jeweils zwei Bauern abgetauscht, bevor Weiß einen weiteren opferte. Sebastian nahm den Bauern, mußte jedoch dafür seinen Läufer aufgeben wg. einer Mattdrohung. Er konnte allerdings noch den letzten weißen Bauern rasieren, wonach er mit Springer und Bauer gegen Turm spielte. Der Turm machte natürlich noch Gewinnversuche, aber es war theoretisch Remis und sollte es auch bis zum Ende bleiben. Ein Remis mit einem lachenden und einem weinenden Auge.

In der vorletzten Runde folgte ein schnelles Remis gegen den Internationalen Meister Plischki (2321). Sebastian gab hier mit Weiß einen Zentralbauern und erhielt dafür Gegenspiel am Damenflügel und schließlich auch den Bauern zurück. Es endete dann mit einem Dauerschach. Mit 4,0/6 ging es für Sebastian in der letzten Runde noch um Platz drei. Mehr war nicht möglich, da die beiden ersten Bretter dort schnell Remis machten. Sebastian hatte eine schwere Aufgabe, bekam aber mit Schwarz gegen FIDE-Meister Bode (2344) ebenfalls ein frühes Remis angeboten. Damit hätte er den dritten Platz abgesichert, mehr war wie gesagt ohnehin nicht zu holen. Aber Sebastian meinte, etwas besser zu stehen und - lehnte ab! Dafür bekam er von vielen Seiten verdientermaßen Lob ausgesprochen.

In der Folge erreichte Sebastian auch eine sehr angenehme Stellung, ging aber im Zentrum etwas verfrüht vor, anstatt den Vorstoß nochmal vorzubereiten. Seine Kombination ging nicht auf und der Gegner erhielt Turm und zwei Figuren für die Dame. Das Endspiel war auch auf Grund von Sebastians schwacher Königsstellung nicht mehr haltbar. Also eine Null zum Ende, aber nochmal Respekt für den Kampfgeist. Das ist die einzig richtige Einstellung, um weiterzukommen! Und es gab noch ein Happy-End: Sebastian kam mit Enno Eschholz punktgleich doch noch auf den dritten Platz. Auch die Nebenwertungen waren identisch. Man entschied sich, dies nicht mehr auszublitzen, Rang und Geld wurden geteilt.

Ich spielte die zweite Hälfte des Turniers unspektakulär. In Runde fünf konnte mein Gegner mit 1686 und Schwarz die Partie lange offenhalten, in seiner Zeitnot gelang mir aber die Öffnung und eine Kombination mit entscheidendem Materialgewinn. Somit stand ich bei 3,5/5 und hatte noch die Möglichkeit, recht weit vorne zu landen. Ein spannendes, taktisches Gefecht entwickelte sich dort mit Schwarz gegen 2022. Die Partie war schnell von extremen taktischen Verwicklungen geprägt, was auch von beiden Seiten angesteuert worden war. Die Könige blieben in der Mitte und Weiß startete einen Angriff am Königsflügel. Meine Ambitionen am Damenflügel waren aber auch nicht zu verachten, mein Gegner sah in der Folge allerdings etwas mehr und ich übersah eine Ressource. Die Schlacht hatte kurz, aber sehr heftig getobt - 0:1.

In der Schlußrunde hatte ich mit Weiß gegen 1639 keinerlei Probleme, nochmal zu gewinnen. Somit kam ich auf 4,5 Punkte und den 35. Platz. Überhaupt: Irgendwie habe ich in Schlußrunden immer nochmal ein Erfolgserlebnis (vielleicht liegt es aber auch an dem Schweizer System und daran, daß ich vorher rumgesumpft habe).

Fazit:

Erneut ein grundsätzlich gutes Turnier für Sebastian. Die Platzierung stimmt und er konnte auch ein paar Wertungspunkte gutmachen, wenn auch noch nicht so viele, wie gewünscht. Punktemäßig war sicherlich noch mehr drin, aber die Gründe, warum in der ein oder anderen Partie nicht mehr heraussprang, sind benennbar und es sollte möglich sein, hieran zu arbeiten.

Bei mir wie in Erfurt ein Minimal-Zugewinn, aber zuviel Ping-Pong, alle Gegner entweder < 1700 oder > 2000, und es ist mir leider nicht gelungen, gegen Letztere zumindest mal ein Remis zu machen. Damit kann man nicht zufrieden sein.

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Nochmal zum Nachlesen: Teil 1 des Comebacks.

Hier noch drei Links zum Turnier:

Ergebnisse beim NSV

DWZ-Auswertung Meisterturnier

DWZ-Auswertung Open

- frank modder, 06.01.2012
 

Sebastian zeigte sich nach dem Comeback durchaus zufrieden. Allerdings gab es mit
der Mütze bislang häufig auch auf dieselbige. Vielleicht lag es aber auch an der
Boa Constrictor, die sich um seinen Hals gewickelt hatte.