- 8. Eschborn Open, Frankfurt, 2011 -
13.05. - 15.05.
 

M&M machen Musik / Auftritt mit Kuriositäten
Bericht aus Frankfurt
 
Die Tournee geht weiter: Nach Auftritten in Bologna und Stuttgart spielten Sebastian Müer und ich am Wochenende an drei Tagen hintereinander vor ausverkauftem Haus in Frankfurt. 72 Fans hatten sich im Bürgerzentrum Eschborn, einem 20000-Einwohner-Städtchen direkt im Dunstkreis der Main-Mentropole, eingefunden. Die Ticketpreise lagen bei 25-40 EUR, dafür bekam man 5 Runden nach dem Schweizer System geboten. Zu Gewinnen gab es auch etwas: Ein Preisfonds von 1800 EUR sorgte dafür, daß auch Großmeister Meijers und die Internationalen Meister Spirin, Boidman und Stark im Rahmenprogramm auftraten. Die Setlist enthielt jeweils 40 Titel in zwei Stunden, die Zugabe dauerte nochmal 30 Minuten.

Nunmehr also unsere Erlebnisse vor Ort. War es ein gelungener Auftritt oder wurden wir vom Publikum weggefidelt? Auf denn ins Konzert…

Alle Bilder und Diagramme gibt es diesmal auch in etwas größerer Auflösung (einfach draufklicken)
 

Konzertarena: Das Bürgerzenturm in Eschborn
Sitzplatzbestuhlung, Innenraum

1. Tag

Sebastian war an Platz 8 gesetzt, es gab also zunächst mal naturgemäß für ihn schwächere Gegner. Der erste davon war im 1600er-DWZ-Bereich angesiedelt, hatte aber immerhin noch 1861 ELO. Erwartungsgemäß hatte Sebastian keine Probleme und erwürgte den Gegner in einer positionellen Partie. Ich war noch in die untere Turnierhälfte gerutscht und spielte gegen die Nr. 6 der Setzliste, Izrajlev, ein 2200er. Mir gelang eine sehr gute Leistung (Sebastian meinte, am Limit dessen, was ich spielen könne) und erreichte ohne Probleme ein sehr remisliches Endspiel mit je einer Leichtfigur. Hier patzte ich schließlich einen Bauern ein, aber mein Gegner machte kurz darauf seinerseits einen Fehler, wonach ich wohl ein Remis hätte machen können:
 

Izrajlev - Modder
Schwarz am Zug

Izrajlev hatte soeben Lc6 gezogen. Nun gibt Kd6 statt des von mir eilig gespielten Kd4 exzellente Remischancen. Nach dem Text verlor ich das Endspiel mit dem Minusbauern. Diese Partie war noch einmal ein Gruß an das letzte Turnier in Stuttgart – vier Stunden lang gut gespielt, alles erreicht, und dann gibt es ganz am Ende doch noch mal den Nackenschlag…

2. Tag

Sebastian hatte am zweiten Turniertag zwei dramatische Schlachten geschlagen. Die erste davon war freilich absolut unglaublich. Der Gegner war ein guter 1900er. Sebastian war also erneut klarer Favorit, konnte aber nichts herausholen und stellte irgendwann einen wichtigen Zentralbauern ein. Etwas später ging noch ein zweiter Bauer weg, Sebastian war zwar mit der Dame etwas aktiv, aber die Stellung war zweifellos verloren. Der Gegner gab dann seine Dame für Turm und zwei Läufer, dazu holte er sich noch ein paar Bauern. Sebastian hatte weniger als zwei Minuten für den Rest der Partie, der Gegner noch ca. 3:30 Minuten und zwischenzeitlich auch einen Damengewinn ausgelassen – und wie es dann so kommt…

Folgende Position ergab sich:
 

Remy - Müer
Weiß am Zug

Möglicherweise steht am Damenflügel noch der ein oder andere weiße Bauer, aber entscheidend ist die Konstellation am Königsflügel. Sebastian hatte soeben 1. … De1+ gespielt. Es folgte 2. Kh3 Dh1+, und der arg nervös wirkende Gegner stellte entsetzt fest, dass er in einem Dauerschachremis gefangen war ("Oh nee. Remis!?" - zu sich selbst). Nach kurzem zögern „fügte er sich dann“ ins anscheinend Unvermeidliche, entkorkte 3. Th2?? mit den Worten „Okay, Remis?“, wonach Sebastian natürlich prompt Df3:# zog, was den Gegner fast vom Stuhl warf. Was soll man sagen? Aus dieser Partie noch einen vollen Punkt geholt zu haben, grenzte wirklich an Hexerei! Sebastian war also einstweilen noch voll im Turnier.

Ein weiteres Drama in der nächsten 5-Stunden-Schlacht gab es dann in der Nachmittagspartie. Der Gegner war ein 2000er, Sebastian war also – zudem mit Weiß – erneut favorisiert. Doch er kam nur in ein ausgeglichenes Endspiel, in dem hatte der Gegner schließlich Dame und Läufer und Sebastian nur noch die Dame, dafür aber ein paar Bauern mehr. Mit sehr wenig Zeit lehnte El Basto ein Remis ab, nach dem Damentausch war allerdings mehr als eine Punktteilung nicht drin. Vermutlich auf Grund der horrenden Zeitnot („Sekunden“…) verschachtelte er aber seine Bauern so unglücklich, daß der Gegner diese mit dem Läufer blockieren und seinen einzig verbliebenen Bauern zur Dame führen konnte. 2,0/3 war sicherlich nicht das, was Sebastian angestrebt hatte.
 

Aus der Partie Remy - Müer
Nach dieser Partie wissen wir, daß ALLES möglich ist...
The sky is the limit
Vorschau auf kommende Attraktionen

Bei mir lief es am zweiten Tage besser. Zunächst konnte ich einen sehr schwachen Gegner leicht besiegen, dann jedoch kam ein annähernd 1900er mit 2000 ELO. Dieser ging recht früh taktisch zu Werke, aber hatte wohl ein völliges Blackout und verlor eine Figur, da eine Kombination nicht aufging. Mein König war danach zwar offen und ich spielte auch nicht sehr sauber, was mich zwei Bauern kostete, aber ich riß mich dann zusammen und knetete nach Damentausch das langwierige Endspiel nach 4,5 Stunden zum Gewinn. 2,0/3 also auch für mich, auf Grund dieser einen Partie sicherlich etwas positiver zu sehen.

3. Tag

Am Abend vorher wollten wir uns natürlich auf unsere Gegner der 4. Runde vorbereiten, es erschienen jedoch merkwürdigerweise keine Paarungen im Netz, was vor den anderen Runden sehr wohl der Fall war. Also drehten wir mal den Fernseher auf und schauten beim Parallelkonzert, Eurovision Song Contest genannt, rein. Unser beider Favorit Aserbaidschan gewann, meine andere Ansage, „Ungarn hat Chancen“, erwies sich jedoch als Windei. Das nächste Windei gab es dann am Morgen vor der 4. Runde. Ich sah auf die Auslosung und musste feststellen, daß man mich mit 1,0 statt mit 2,0 Punkten gepaart hatte. Mein Ergebnis der 3. Runde war als Niederlage eingegeben worden. Das wurde dann natürlich korrigiert, nicht jedoch die Auslosung. So durfte ich dann in der Vormittagspartie die Turnier-Omma ohne Wertungszahl auseinanderbrezeln, die ihren einzigen Punkt gegen Herrn/Frau spielfrei gemacht hatte… Na, ganz toll, Weltklasse… Oder, wie Sebastian immer zu sagen pflegt: Danke für nichts! Damit hatte ich zumindest erstaunliche 3,0/4 und war auf Platz 1 der Wertungsgruppe unter 1900…

Für Sebastian begann der letzte Tag nicht erfreulicher als seine letzte Runde – das Remis war für ihn zu wenig. Er spielte gegen einen 2000er mit Schwarz. Der Weiße spielte durchaus ambitioniert und stark, doch Sebastian hatte keine Probleme. Allerdings gab die Stellung nicht mehr als ein Remis her. Okay, also mit Schwarz kann sich El Basto hier sicherlich überhaupt nichts vorwerfen, aber eine Punktteilung war das Letzte, was er gebrauchen konnte. Nach dieser aber doch recht frustrierend für uns gelaufenen 4. Runde brauchten wir dann erstmal einen neuen Blickwinkel auf die Sache: Wir nutzten den Umstand, daß unsere beiden Partien recht schnell beendet waren, und bestiegen den Main Tower in Frankfurt City. Ach ja, Frage: Was spielt man in Frankfurt? Na klar: Main-Line…
 

Über den Dächern von Frankfurt.
Das Gebäude ist etwa 200m hoch.
Ich und meine Hauptstadt.
Der Main Tower ist das vierthöchste Gebäude vor Ort.
 
In Griffweite der höchste Wolkenkratzer Frankfurts:
Der Commerzbank Tower mit 259m.
Frankfurt von seiner anderen Seite.

Es ergaben sich also ganz neue Perspektiven, aber fruchten konnte dies nicht mehr. In der letzten Runde, erneut gegen 2000 DWZ, konnte Sebastian mit Weiß nicht viel herausholen, der Gegner hatte eine von dessen normalem Repertoire abweichende Variante gewählt, wonach die ohnehin kurze Vorbereitung auf die Partie auch noch ins Leere gelaufen war. In dem sich schnell ergebenden Turm-Endspiel konnte es nur ein Ergebnis geben: Remis.

Meine Partie der letzten Runde hatte dann wenigstens noch mal wieder mehr Gehalt als meine Partie davor: Gegen einen 2150er zeigte ich mit Schwarz wie schon in der Auftaktrunde eine gute Leistung, die Eröffnungsvorbereitung trug hier Früchte, am Ende aber spielte ich einmal ungenau und er gewann einen Bauern, jedoch war seine Stellung mit Dame und dem Läuferpaar gegen meine Dame und zwei Springer immer etwas druckvoller für ihn gewesen. Eine gute Leistung, leider wieder ohne zählbaren Erfolg.

Am Ende also für uns beide 3 Punkte. Natürlich hatte Sebastian klar den besseren Gegnerschnitt, doch kurioserweise landete ich nach verfeinerter Buchholzwertung mit Platz 19 noch zwei Plätze vor ihm in der Abschlußtabelle. Eigentlich unglaublich, wenn man bedenkt, daß mein Gegner aus Runde 2 ja sogar hochgelost wurde… Okay, hüllen wir nunmehr lieber den Mantel des Schweigens über den sportlichen Aspekt des Eschborn Open.

Als Fazit bleibt festzuhalten: So richtig Musik machen konnten wir nicht, bei den starken Side-Acts spielten wir zu häufig nur die zweite Geige. Beim nächsten Auftritt sind wir aber hoffentlich mit besserer (Partie-)Anlage und vielleicht auch neuem Repertoire am Start.

Hier noch der Link zur Seite des SC Eschborn mit allen Daten zum Turnier:

Turnierseite Schachclub Eschborn

- frank modder, 16.05.11

Sonstiges

Frankfurter Impressionen
 

They build a rook house here for Bobby
 
Frankfurter Oper. Mir gefiel das Wolkenspiel.