- Gocher Open 2013 -
05.09. - 08.09.

 
Team Müer/Modder mit Zugewinnen beim Open in NRW
 
Nur das Imperium schlägt immer zurück

Nach längerer Zeit mal wieder ein Turnierbericht! Von den zuletzt gespielten Turnieren war sicherlich das jährliche Czech Open in Pardubice erwähnenswert. Hier erspielten Sebastian und ich ganz gute Turnierleistungen, Sebastian mit 2367 eine seiner besten überhaupt. Ein paar Diagramme aus unseren Partien gibt es in der Rückschau Pardubice.

Nun ging es wieder mal nach NRW. Das Gocher Open wurde bereits zum 24. Mal ausgerichtet. 160 Spieler trafen sich zu einem siebenrundigen Turnier. Die Veranstaltung hat einige Pluspunkte. Zu nennen sind vor allem der Spielsaal und der ausreichende Platz, der den Teilnehmern zur Verfügung steht. Einziges Manko vielleicht: Es wird immer erst ca. eine Stunde vor Rundenbeginn ausgelost, damit ist es mit der Vorbereitung meist Essig. Ein Merkmal des Turniers: Es gibt drei Punkte für einen Sieg und einen Punkt für ein Remis. Wie im Fußball. Aber bekanntermaßen sorgte dies auch dort nicht für mehr Tore...

Goch scheint übrigens ein sehr beliebtes Pflaster zu sein: Unterkunftsmäßig alles für Monate ausgebucht. Wir konnten aber mit Daniel Prenzler und Markus Koch eine Ferienwohnungsgemeinschaft bilden. Aber diese Unterkunft war auch schon sechs Monate im Voraus gebucht worden. Was ist los in der Ecke? Disneyland Kleve? Westfälische Industriekultur? Ich habe es noch nicht herausgefunden.

An dieser Stelle noch ein Hinweis auf den Schachblog von Daniel, den er zusammen mit Fabian Stotyn betreibt. Dort ist auch ein Turnierbericht über das Gocher Open zu finden. Nebenbei bekommen auch hiesige Großmeister dort ihr Fett weg.

Fotos können wie immer per Klick vergrößert werden

 
Der Spielsaal in Goch.
Die ersten sechs Bretter spielten auf der Bühne.
Sebastian alleine auf der Bühne in Runde drei.
Einsamer Kampf gegen Gegner und Uhr.

Lasset die Spiele beginnen

Sebastian war an Platz 10 gesetzt (mit der Hoffnung also, ins Geld zu kommen; dafür war Platz 5 notwendig). Ich verpasste die obere Hälfte knapp und fand mich demnach gleich einem starken Gegner gegenüber, Rolf Hundack aus Bremen (2230 ELO/2200 DWZ, ich runde bei den Angaben jeweils ein wenig). Mit Schwarz erreichte ich aber Ausgleich und nachher sogar etwas Vorteil nach Besetzung der einzigen offenen Linie. Sebastian hätte - siehe unten - meine Türme hier vermutlich als Filewalker bezeichnet. Dann aber war ich zu sorglos:
 

Hundack - Modder
Weiss hatte Tb3-d3 gespielt.

Weiss hat mit seinem letzten Zug natürlich erstmal d4 gedeckt. Weiterhin hat er nun auch die Option b3. Hier wählte ich zu vorschnell Sb4?, was natürlich in Tg3 hineinlief. Sb4 ist ein typisches Beispiel für einen EAZ - einen Elo-Anzeige-Zug. Ein Spieler kann noch so lange noch so gut spielen, irgendwann einmal wird er einen Zug machen, der seiner Zahl entspricht (im Vergleich zu seinem stärkeren Gegner, der diesen Fehler dann ausnutzt und das zu erwartende Ergebnis stellt sich ein). In den allermeisten Fällen läuft es irgendwann so.

Nach dieser kalten Dusche loste man mir ein Kind (Jg. 2000) zu (1650/1500). So etwas ist immer unangenehm. Mein weiss es ja nie: Spielt man bereits gegen den jungen Kasparov? Meist ist es gut, gegen die Kids ins Endspiel zu gehen. Ich fand auch einen Weg,  das Mittelspiel komplett zu vermeiden und erreichte schnell eine Wunschstellung, die wie folgt aussah:
 

Modder - K. Verfürth
Nach dem 8. Zug von Schwarz.

Eine kuriose Stellung: Weiss hat alle bislang entwickelten Figuren abgetauscht, Schwarz hat bereits rochiert und somit einen Entwicklungsvorsprung, Aber auch einen isolierten und einen Doppelbauern, die Damen sind vom Brett.. Was will man mehr mit Weiß? Er verteidigte aber sehr zäh. Nach Öffnung am Damenflügel meinte ich, dort einen Bauern mitnehmen zu können. Er könne nicht zurückschlagen, da ich dann den Turm tausche in ein für ihn verlorenes Bauernendspiel. So kam es. Aber dieses Endspiel mit klar besserem König und entferntem Freibauern erwies sich sehr überraschend als nicht gewinnbar. Das war bitter.

Allerdings folgte in Runde drei ein klarer Sieg mit Schwarz gegen 1750/1450. Das ist natürlich eine sehr dankbare Ratingkombination, so kann man leicht ein paar Elo-Punkte schmatzen. Nach einem frühen Figurenfang musste ich nur noch ein paar Taktiken des Gegners bewältigen. 1,5/3 waren natürlich keine so sehr erfolgreiche erste Hälfte.

 Sebastian und das Wunder von Goch

Sebastian hatte große Probleme in der Auftaktrunde gegen (1900/1800). Um mit Schwarz stumpfen Remisabsichten des Gegners aus dem Wege zu gehen, wählte Sebastian einen sehr scharfen Aufbau. Nachdem sich der Rauch verzogen hatte, waren aber eine Qualität und zwei Bauern im Netz hängengeblieben. Sebastian versuchte alles Mögliche, um sich zu retten. Und der Gegner half kräftig mit und spielte einige unsaubere Züge. Er verlor einen Bauern, opferte die Qualität und verlor den nächsten Bauern. Das Endspiel mit jeweils Dame, Springer und zwei Bauern war Remis, was Sebastian aber ablehnte. Beim Damentausch nahm der Gegner falsch wieder und Sebastian konnte mit einer Kombination einen Bauern abräumen und das Endspiel noch nach Hause holen. Also jede Menge EAZ waren hier zu sehen. Schach ist so kompliziert...

Die Runden zwei und drei brachten Bast ebenfalls Gegner, die auf dem Papier deutlich schwächer waren: 2100/2000 und 1960/1800. Auch wenn diese sich stark wehrten, vor allem der letztgenannte Gegner war klar unterbewertet, war Sebastian hier aber auf dem Posten und erreichte jeweils einen klaren Punkt. 3,0/3 und nun warteten die großen Aufgaben.

Soweit der Start des Turniers. Was macht man eigentlich in verschlafenen Nestern wie Goch am Abend, wenn keine Partievorbereitung möglich ist? Einmal half die WM-Qualifikation im Fußball weiter. Aber eine andere gute Chance ist das Aufbessern der eigenen Kochkünste. Sebastian trat hier in Aktion:
 

Mal nicht in der Analysierküche:
Statt etwas für die kommenden Gegner anzurühren,
zeigte Sebastian, was er im Kochen auf der Pfanne hat.
Bohnen mit Speck!?
Bud Spencer und Terence Hill hätten hier ihre wahre
Freude daran gehabt, aber wir waren auch zufrieden.

In der Mitte der Schlacht

Ich spielte zunächst noch weiter Ping-Pong: In einer passiven Stellung gegen (2140/2100) stampfte ich einen Bauern weg und verlor. Die Stellung war sonst sicherlich noch spielbar, aber es wäre auch so eine harte Verteidigungsaufgabe geworden. Anschließend ging es gegen 1450 DWZ und es gab einen recht deutlichen Sieg. In einem Abtauschsystem spielte der Gegner einfach zu passiv. Mit 2,5/5 war ich also weiterhin bei 50%. Immer noch zu wenig.

Sebastian traft nun auf den an Nr. 3 gesetzten Westfalen-Blitz IM Podzielny (2440/2370) mit Weiß. Den konnte er bereits zwei Jahre zuvor beim Schnellturnier in Herne einmal besiegen. Schwarz opferte einen Bauern, die Stellung war in etwa ausgeglichen. Sebastians Mehrbauer war ein Doppelbauer auf der a-Linie, sein Gegner bekam diesen auch später zurück. Sebastian hatte nicht sehr viele aktive Möglichkeiten, andererseits auch keine unlösbaren Probleme - bis auf die sich anbahnende Zeitnot. Und sein Gegner hat nicht umsonst den Spitznamen Podzblitz. Das Endspiel hätte von Sebastian wohl nicht verloren werden müssen, aber irgendwann wurden die Probleme, die der gegnerische Freibauer und die aktiven Figuren machten, zu viel.

Er ließ in Runde fünf aber einen schönen Schwarzsieg mit einem kombinatorischen Feuerwerk nebst Turmopfer folgen. Der Gegner war mit 2000/1850 wiederum aus der Kategorie „deutlich schwächer“. Auch Sebastian widmete sich also dem Spiel mit dem kleinen Schläger. Mit 4,0/5 hatte er aber weiterhin noch Chancen auf Geld.

Wieder wurde es Abend in Goch. Und diesmal nutzten wir die Zeit für einen netten Videoabend: Vier Stunden Chessbase-Training mit Martin Breutigam. Unsere Mitbewohner befanden dies als „krank“ – Schach total halt! Nach diesem Blockbuster war Sebastian anscheinend im Hollywood-Modus und versuchte, schachliche Philosophien mit Star-Wars-Analogien zu verdeutlichen. So müsse man zum Beispiel stärkere Gegner, auch wenn sie im Abschwung sind, immer respektieren, denn: „Unterschätze nie die Macht des Imperators!“.
 

Ein netter Videoabend mit...
... Qualitätsprodukten aus dem Hause Chessbase.

Endspiel

In der Schlußphase war dann auch die Macht mit uns. Ich beendete das Turnier mit zwei guten Ergebnissen: Gegen 2120/2060 spielte ich zunächst Remis. Hierbei hatte ich mit einem Mehrbauern jedoch auch Aussichten auf mehr. Mein Le5 konnte auf g7 nehmen mit Angriff auf den Th8, der nach g8 zog. Der Läufer ging nach e5 zurück und Schwarz plante wohl, sich den Bauern nun durch Tg2: zurückzuholen, was aber in Lg3 mit Turmfang hineingelaufen wäre. Muss man mit 2100 eigentlich sehen. Obwohl… Jedenfalls nahm er Abstand vom Wiedernehmen (nur das Imperium schlägt immer zurück) und hatte erstmal den erwähnten Minusbauern. Später gab ich die Partie Remis, kurz bevor ich meinen EAZ ausführen konnte.

In der letzten Runde gegen 2000/1950 hatte ich mit Schwarz eine annehmbare Stellung nach der Eröffnung. Mein Gegner verlor dann einen Bauern, jedoch wickelte ich nicht ganz korrekt ab und er bekam den Bauern wieder. Oder vielmehr: Er hätte. Denn so, wie er nahm, verlor er eine Figur. Möglicherweise dachte er, er könne nicht anders nehmen, da ich danach starken Königsangriff bekomme. Aber er hätte sich gerade so halten können, außerdem musste er nicht die Figur einstampfen. Er gab direkt auf. 4,0/7, das entspricht einer Turnierleistung von 1986/1917 und jeweils ca.10 Punkten Zugewinn. Ganz okay, dabei hatte ich eher das Gefühl, in diesem Turnier viel herumgelotzt zu haben. Mit der Qualität vieler meiner Partien bin ich nicht zufrieden.

Sebastian bekam in der vorletzten Runde die Nr. 1 der Setzliste - den ambitionierten GM Sumets (2600/2600). Ein gutes, wie zugleich eher seltenes Beispiel für einen Menschen, der trotz Erinngung des Großmeistertitels völlig normal geblieben ist. Obwohl mit den weißen Steinen spielend, kam Sebastian schnell in eine schlechtere Lage, nachdem er irgendwie die Pläne gemixt hatte. Er hatte aber bewusst einen nicht zu positionellen Aufbau gewählt und war in den Stellungsbildern nicht so zu Hause wie üblich. Als er einen Bauern einstellte, gab er gleich auf.

Die letzte Runde brachte dann nochmal ein Schmankerl. Sebastian musste mit Schwarz gegen unseren Mitbewohner Markus (2150/2050) spielen. In der Unterkunft begann bereits eine erbitterte, psychologische Schlacht: Laut vernehmlich rief Sebastian mir zu: "Bring' mir mal mein Benoni-Buch." Spannende Fragen tauchten nun auf: Würde Markus auf diese Provokation eingehen und kein Benoni zulassen? Würde er gerade deshalb nicht ausweichen, um keine Schwäche zu demonstrieren? Oder würde Sebastian in Wirklichkeit etwas anderes spielen? Fragen über Fragen...

Beide spielten aber prinzipiell und es gab ein hartes, taktisches Benoni-Gefecht. Erneut blickte Sebastian in den Abgrund, wie in der Auftaktrunde, konnte sich aber noch einmal retten. Als Markus dann ein entscheidendes Abzugsschach zu drohen schien, packte Sebastian noch ein Damenopfer obendrauf. Hier konnte er ein Grundreihenmotiv ausnutzen. Es wäre jedoch auch sogar noch profaner gegangen. Diese Partie fällt in die neu geschaffene Kategorie „glücklicher Glanzpunkt“. 5,0/7. Sebastians Turnierleistung ist damit 2309/2285, was ihm ebenfalls ca. 10 Punkte in beiden Wertungskategorien an Zuwachs bringt.
 

Markus und Sebastian bei ihrer Schlacht.

Fazit

Durch die letzte Runde haben wir uns beide noch auf jeweils +10 geschraubt - sehr wichtige Partien mit interessantem Verlauf. Dadurch wurde das Turnier ein relativer Erfolg. Natürlich hätte Sebastian gerne Geld mitgenommen, mit Platz sieben fehlten aber zwei Ränge dazu. Letztlich aber alles im grünen Bereich. Allerdings kann ich wie gesagt mit einigen Partien nicht zufrieden sein, auch Sebastian wackelte zweimal gegen schwächere Gegner, auch wenn er sich noch jeweils durch seinen bekannten Kampfgeist herausfightete.

Ein empfehlenswertes Turnier, gute Spielbedingungen. Aber wenn man Wert auf die Vorbereitung legt, eher ungeeignet.

Hier noch der Link zur Turnierseite:

Gocher Open

- frank modder, 11.09.2013
 

Darth - ich bin dein Vader.
Die dunkle Seite - der macht nichts.