- Oster-Open Oberhausen 2017 -
13.04. - 17.04.
 

Gute Leistungen mit Wermutstropfen
Sebastian vs. Vlastimil Hort
  
Interessante Tage in NRW

Ostern ist der Zeitpunkt für viele Schachturniere. Da gibt es zum Beispiel das größte deutsche Open, früher Neckar Open genannt, welches jetzt in Karlsruhe stattfindet. Hier treten auch Spieler der Weltelite in einem Einladungsturnier an. Aber die Veranstaltung ist extrem stressig: Fast 1200 Teilnehmer, lange Anreise und Rundenstart morgens um 9 Uhr, dazu immer Doppelrunden. Das Oberhaus der Schachwelt gastierte also in Karlsruhe, wir gastierten in Oberhausen! Wir gönnten uns dieses Jahr das kleine aber feine Open in Oberhausen. In zwei Stunden ist man vor Ort (Rückfahrt Rekord mit 1:30 Std. inkl. Tankstopp!), dazu eine nette Ferienwohnung und nur zwei Tage mit Doppelrunden.

Knapp 180 Teilnehmer versammelten sich in einer Schulmensa, unter ihnen der bekannte und populäre Großmeister Vlastimil Hort. Die GM Hausrath und Levin (welcher nach fünf enttäuschenden Runden ausstieg) und eine handvoll IM waren an der Spitze, Sebastian war knapp außerhalb der Top 10 gesetzt, ich im Mittelfeld. 7 Runden mit der alten Bedenkzeit von 2 Stunden/40 Züge und 30 Minuten Rest waren angesetzt. Oberhausen zahlt auch gut aus, 1000 EUR für den Sieger, selbst Platz 7 sollte noch 150 Mücken einstreichen. Da es dieses Jahr noch nicht so viele Berichte gab, wird dieser etwas länger. Ich werde zu allen unseren Partien mindestens ein Diagramm bringen. Also, auf geht's!

(Bilder können durch anklicken vergörßert werden)

 
Hauptspielsaal
Mensa in corpore sano?
Holzbalkenbühne
Ganz links stehend Sebastian

Donnerstag
Es knirscht im Gebälk

Die Anreise war völlig unproblematisch, der Osterverkehr wälzte sich lediglich aus Richtung NRW in den Norden. Nachdem wir uns in der FEWO eingerichtet hatten, ging es dann auch um 19 Uhr bereits zur ersten Runde. Sebastian traf auf einen Niederländer mit knapp 1800 ELO, hier stand Bast mit Schwarz schnell gut, er hatte Druck auf der langen Diagonalen und grub auch ein doppeltes Figurenopfer aus, was der Gegner nicht annehmen durfte, aber Bast hatte soviel Druck, dass er eine Qualität einsammeln und dieses dann transportieren konnte. Ein guter Auftakt. Einziger Wermutstropfen: Würde es viermal Schwarz für ihn werden? Abwarten!
 

Frijling - Müer
Schwarz am Zug

Die Entscheidung in Sebastians Aufgalopp-Partie: Hier steht er schon sehr stark. 14. ... Sf-g4 Der andere Springer hätte das Springreiten vielleicht noch stärker eröffnet 15. Sa4?! Dxd2 16. Lxd2 Sd7 17. Tb1? Hier war Lc3 angebracht, Schwarz steht aber auch danach vorteilhaft. Nun aber ist eine Qualität verschwundibus: 17. ... Ld4+ 18. Kh1 Sf2+. Die Kavallerie war erfolgreich.

Ich selber hatte knapp die obere Hälfte verpasst, traf also auf einen der Topgesetzten, in diesem Fall IM Podzielny. Die Mensa, in der gespielt wurde, beherbergte die ersten 60 Bretter (die anderen Partien wurden in drei weiteren Räumen ausgetragen), von denen die ersten 12 Bretter auf einer hölzernen Bühne ausgetragen wurden, die schön quietschte. Das war wohl der Grund, warum man irgendwann (ab Runde 4) den Zuschauern den Zugang zur Bühne untersagte, allerdings hielt sich nicht jeder daran, „gemaßregelt“ wurde allerdings in erster Linie das Fußvolk.

Nun also! Ich spielte auf der Bühne gegen Podzielny, aber in dem Fall quietschte sehr schnell meine Stellung. Die Eröffnung war zu ambitioniert, ich hatte zwar lange einen Bauern mehr, aber war positionell im Eimer. Als ich dachte, immer noch einen harten Kampf zu liefern, waren die Engines längst eingeschlafen. Eine deutliche Niederlage. Gegen 2400 aber nicht tragisch. Hier ein Fragment dieser Partie:
 

Modder - Podzielny
Weiß am Zug

Hier stehe ich bereits mehr als bedenklich, mein Mehrbauer fällt nicht ins Gewicht. Die schwarzen Figuren haben alle entweder gute Felder oder aber entsprechende Perspektiven. Ich stürzte mich direkt mit dem König höchstpersönlich ins Getümmel: 17. Kd3 Lg7 18. Ke4 Sfxd4 19. Lxd4 Lf5+ 20. Kf4 Sxd4 21. Lg2 Se6+ 22. Kg3. Uff. Geschafft. In meinem Unterzuckerungswahn dachte ich, ich könne hier noch kämpfen. Immerhin kein Materialnachteil, die Leichtfiguren stehen vernünftig, die Türme sind verbunden und auch der König hat ein trockenes Plätzchen. Aber die Konstellation am Königsflügel war zu schwach. Nach 22. ... Td3 ging es relativ schnell dem Ende entgegen. Potztausend!

Freitag Vormittag
Wo ist der Aufschlag

Eine Doppelrunde am Karfreitag stand an, um 10 Uhr ging es los. Kein Problem für uns, unsere Unterkunft war drei Autominuten vom Spielsaal entfernt. In der Regel stärkten wir uns einmal täglich mit Steaks, abends gab es dann häufig noch eine Kleinigkeit. Während der Partien nehme ich normalerweise nur Kaffee zu mir, während Sebastian zusätzlich zu Tee, Wasser und ein paar Nahrungsmitteln greift, wie zu Muffins, Nüssen oder Obst. Verpflegung im Turniersaal war Standard, aber man konnte eigene Sachen mitbringen, was immer von Vorteil ist.

Ich bekam einen deutlich schwächeren, älteren Gegner zugelost. Erneut zeichnete sich bei mir früh eine Eröffnungskatastrophe ab, die Stellung war mehr oder weniger verloren. Er gab mir aber einen Moment lang Luft, so dass ich die Damen tauschen konnte und mein König war in Sicherheit, anschließend überspielte ich ihn schnell im Endspiel. Hier ein interessanter Moment:
 

Bieker - Modder
Schwarz am Zug

Weiß hatte soeben Se6 gespielt. Hier nun war d4 verlockend für mich, aber nach Te4 sah ich keinen Vorteil. Also nehmen auf e3 etc. - aber was war der genaueste Weg? 25. ... Sxe3 26. Sxd8 Sxg2 27. Tg1. Soweit, so vorteilhaft. Aber nun war erst Lxc3 am Genauesten. Entweder ich gewinne einen weiteren Bauern, wenn er nicht nimmt, oder ich ruiniere seine Stuktur an beiden Flügeln mit Sf4, wenn er nimmt. Mein gespieltes 27. ... Kxd8 28. Txg2 Lxc3 29. bxc3 war natürlich auch gewonnen, aber es ging strenger.

Sebastian hatte es mit ELO 2000/DWZ 1900 zu tun, welcher mit Schwarz am Damenflügel früh unmotiviert lospeitschte. Dennoch musste Bast ein paar Züge finden, gewann aber irgendwann einen Bauern. Er gab ihn dann scheinbar zurück, der Gegner schluckte das Material wie ein Besoffener einen eingelegten Hering, wonach aber nach einer kleinen Kombination ein Qualitätsgewinn für Sebastian heraussprang. Seine Technik reicht normalerweise locker aus, so etwas nach Hause zu fahren, diese Partie war keine Ausnahme. Bast präsentierte sich in guter Spiellaune! Hier seine Taktik in der Partie:
 

Müer - Hoffmann
Weiß am Zug

Es folgte 17. d4 Lxd4? Nope, der geht nicht. Kann man mal finden mit der Spielstärke. 18. Sa4 Lxb2 Die Dame ist sonst überlastet. 19. Sxb6 Lxc1 20. Sxc8 Lxa3 21. Txc6. Was vom Tage übrig bleibt: Eine Qualletät.

Freitag Nachmittag
I shot the Sherif(f)

Nachdem wir uns mit einem Steak gestärkt hatten, ging es in die zweite Partie des Tages. Für mich ging es mit Weiß gegen 2050. Die Eröffnung ging erneut etwas schief, der Aufschlag kam einfach nicht, aber es war hier nicht so dramatisch. Verschiedene Rochaden waren zu sehen und der Gegner stürmte am K-Flügel mit den Bauern auf meinen König los. Ich konnte im Zentrum ein Gegenspiel organisieren und es blieb lange ausgeglichen. Nach und nach geriet ich dann aber doch in eine Verluststellung, aber der Gegner setzte den Knock-Out nicht und es kam die Zeitnotphase. Mit einem Trick konnte ich eine Qualität gewinnen und in ein Dauerschach entkommen:
 

Modder - Brüggestraß
Schwarz am Zug

Hier sollte eigentlich g4 ausreichen. Es folgte 27. ... a5?! (will die Dame nach a5 locken, um dann g4 mit noch mehr Effekt zu spielen) 28. Db3 Dxc5? 29. Le5+ mit Ausgleich. Nach ein paar weiteren Zügen kam es zu einem Dauerschach, allerdings stand ich wahrscheinlich am Ende auf Gewinn, aber ich mochte nicht spekulieren (er hatte einen Freibauern auf der zweiten Reihe und mein König stand schlecht), es wäre auch noch viel Arbeit gewesen und wenn ich sehe, was ich später im Turnier für eine schlechte Technik bei der Verwertung von Vorteilen noch „gezeigt“ habe, muss man dieses Remis als ok betrachten. Die Chancen des Gegners waren hier deutlich größer gewesen in dieser Partie. *

Sebastian trat in Runde drei gegen eine Int. Meisterin an - bei den Frauen, und das wird man schon eher, diese Dame namens Sherif hatte jedenfalls gerade mal 2000 Wertungspunkte. Für Sebastian sollte es also heißen „I shot the Sherif(f)…“. Der Deputy sollte später folgen. Ein hartes Brot, ein solches Turnier für 2250 wie Sebastian. Auch in Runde 3 noch klar schlechtere Gegner, man darf sich nichts erlauben. Bast tat sich hier schwer, gegen ein solides System mit Schwarz Druck zu machen. Beide Seiten mussten dann einen Schreckmoment überstehen, da beide einen Figurengewinn für Sebastian übersahen. Bast befreite sich danach peu a peu vom Druck und ließ eine phantastische Abschlußkombination vom Stapel. Anschnallen und festhalten:
 

Sherif - Müer
Schwarz am Zug

In dieser Stellung ist vielleicht Te7 am besten und vorteilhaft für Schwarz, aber der gewählte Weg war extrem ästhetisch: 42. ... e3 Zum Auftakt ein Opfer. 43. fxe3? Te7 Sebastians Markenzeichen: Druck. 44. Kf3 Mir nach, ich folge euch. Es scheiterte z.B. Ta4 an Dc5. 44. ... Tb4! Im Grunde ein stiller Zug, um Ta4 abzuschwächen. Aber er droht auch noch eine weitere "Kleinigkeit". 45. Ta4. Tritzankedem. Und wir gönnen uns nochmal ein Diagramm:
 

Sherif - Müer
High Noon
Schwarz am Zug

Sebastian ist ein Grinder vor dem Herrn, aber er kann auch taktisch bärenstark spielen: 45. ... Txe3!! Auch der Sheriff musste feststellen, dass Sebastian vielleicht nicht schneller als Lucky Luke zieht, aber genauso gut trifft. 46. Kxe3 Df4+ 47. Ke2 Dh2+ 48. Kd1 Dg1+ 49. Ke2 Dg2+ 50. Ke1 Der König kann den Annäherungsversuchen der Dame nicht ohne Matt zu gehen widerstehen ... Dxc2 51. cxb4 Le5 Der Zuckerguß auf dem Grabstein. Tb4 mit der Idee Txe3 - ein meisterhafter Plan. Trotz Tanzverbots am Karfreitag tanzte Sebastian sein Gegenüber aus. Wow... Offenen Mundes beenden wir den Tag schweigend.

Samstag
Läuft wie Ofenkäse

Für beide lief es bis hierhin also sehr gut mit, auch wenn die Ergebnisse noch nichts wirklich Aufregendes waren. Samstag gab es dann nur eine Runde - und die ab 14 Uhr. Wir konnten also die Nacht vorher lange analysieren und dann nach dem Ausschlafen ein Steak genießen, bevor es ab zur Runde ging.
 

The steakes were high
Stärkung vor der Partie des Tages

Bast traf auf einen Gegner mit 2100 ELO, allerdings hatte dieser noch unter 2000 DWZ, musste also erneut ohne Wenn und Aber besiegt werden, mit Weiß allerdings auch eine gut mögliche Aufgabe. Beide Seiten ließen den König in der Mitte, als Bast letztlich lang rochierte, waren schon 24 Züge gespielt. Dennoch griff Schwarz schnell und wild am Königsflügel mit den Bauern an. Bast schnappte dann aber dort per Läuferopfer einen Bauern, dieses durfte der Gegner auch nicht annehmen. Doch der Reihe nach:
 

Müer - Liedmann links am Tisch
Daneben in grün IM Tobias Jugelt, ganz vorne GM Felix Levin
Müer - Liedmann
Weiß am Zug

Schwarz will mehr Musik machen als André Rieu zur Weihnachtszeit, aber Sebastian zeigt, dass hier die falschen Töne angeschlagen wurden und er bereite ein tief durchdachtes Opfer vor: 16. h3! Lf6 17. hxg4 hxg4 18. Txh8+ Lxh8 19. Lxg4! und wir haben das folgende Diagramm:
 

Müer - Liedmann
Schwarz am Zug

Schwarz ist geplatzt, eine Traumkombination, die Sebastian schon vor dem ersten Diagramm sah, wäre z.B. 19. ... fxg4 20. Dg6+ Kf8 21. La3 Lf6 22. Se4 Le7 23. Lc1!! Es kam anders, der Gegner nahm das Opfer nicht an, aber Sebastian transportierte sein materielles Plus einmal mehr und baute es im Endspiel noch aus, letztlich entstand ein einfaches Turmendspiel, welches für Weiß völlig gewonnen war, auch einen Patt-Trick von Schwarz hatte Sebastian auf dem Schirm. Der 4. Punkt war da!

Mein Gegner war ein russischstämmiger Spieler, Alter Mitte 30, welcher lange Jahre nicht aktiv gespielt hat und darum über keine Wertungszahl verfügte, ich schätze ihn aber auf 1600-1700 ein. Erneut war das Ergebnis der Eröffnung für mich eine Katastrophe. Schwer zu sagen, ob es bereits verloren war, aber ich stand mit dem Rücken zur Wand. Ich nahm mir dann über 20 Minuten für einen Zug, fand nichts, und war schon recht angewidert von der Partie und hatte wenig Hoffnung. Aber ich hielt mich irgendwie und kämpfte den Rest der Partie auch hart. Nach einer Ungenauigkeit konnte ich einen schnellen Gegenstoß starten, am Ende gewann ich eine Qualität und hatte ein gewonnenes Endspiel. Meine Technik musste ich zum Glück nicht präsentieren, da der Gegner letztlich deutlich vor dem 40. Zug die Zeit überschritt.
 

Venediktov - Modder
Weiß am Zug

Die Schlußstellung. Ob meine Technik gereicht hätte, angesichts dessen, was noch folgen sollte? :-)

Für beide war es also in Summe ein weiterer erfolgreicher Tag - aber letztlich, erneut: Normale Ergebnisse eigentlich. Aber Sebastian spielte auf sehr hohem Level, seine Kombinationen in den Partien der 3. und 4. Runde hatten IM-Niveau. Sein ELO-Plus war nicht so dramatisch, aber nun gut... es ging hier ja auch noch um Geld. Die Konkurrenz vorne ließ auch munter was liegen, bis u.a. auf Hort, der nächste Gegner von Bast, doch dazu gleich mehr. Für mich lief es in den Eröffnungen bisher überhaupt nicht. Aus zweieinhalb bis drei Verluststellungen in den Runden 2-4 holte ich zumindest noch 2,5 Punkte. Das Eröffnungsproblem konnte ich in der zweiten Turnierhälfte abstellen, aber es sollte ein anderes Problem zu Tage treten - die Technik.
 

Samstag abend in unserer Straße
Die Vorbereitung auf Hort hatte begonnen

Sonntag Vormittag
Basti vs Vlasti

Sebastian hatte also erstmals einen stärkeren Gegner in der ersten Sonntagspartie. Mit Vlastimil Hort auch gleich ein GM. Horts größter Erfolg war das Erreichen des Kandidatenviertelfinales 1977, in welchem er extrem unglücklich gegen Boris Spassky verlor (ein Match über 12 Partien, Hort führte 5:4 und stand in der 10. Partie auf Gewinn, als er die Zeit überschritt, am Ende unterlag er im Stechen).Es war übrigens nicht die erste Begegnung von Basti und Vlasti: 2008 (ja, so lange ist es her) besiegte Sebastian den Großmeister in einem Simultan.

Ich habe immer gesagt, ich wäre gespannt, wie es jetzt Langzeit aussehen würde, gerade wenn Sebastian mit Weiß spielt. Und er bekam Weiß! Der Trend war umgekehrt, am Ende sollte also doch mal eine Weißpartie mehr stehen. Es gab eine längere Vorbereitung am Abend vorher, aber Hort spielt sehr viele Eröffnungen. Die getätigten Analysen dienten also nicht nur der Partie, sondern auch dem weiteren Gebrauch in der Zukunft. Nun denn!

Die Partie nahm einen sehr ruhigen Verlauf, Hort erreichte aber durch ein paar Manöver eine leicht bessere Stellung. Hier das Diagramm nach dem 22. Zug:
 

Bast vs Vlast
Eine persönliche Traumpartie von mir. Und mit Weiß.
Müer - Hort
Weiß am Zug

Schwarz ist es zumindest mal gelungen, seinen Springer auf das schöne Feld d6 zu transportieren, was Sebastian eigentlich hatte verhindern wollen. Nunmehr kam es zu einem Generalabtausch, Sebastian startete alles mit 23. e4, und in den nächsten 13 Halbzügen fielen 12 Spielsteine vom Brett und es blieb das folgende Dame/Läufer-Endspiel:
 

Müer - Hort
Später am Tage
Schwarz am Zug

Schwarz steht hier etwas angenehmer. Seine Bauern stehen im Gegensatz zu denen von Sebastian nicht auf der Felderfarbe des eigenen Läufers. Der schwarze Läufer steht zudem aktiver als sein Gegenpart, auch der vorgerückte Bauer am Damenflügel ist sicherlich ein schwarzes Plus hier. Verloren ist diese Stellung aber keineswegs, Hort jedoch grindete ewig weiter und bugsierte seine Dame irgendwann nach b3, wo Bast wohl nicht hätte tauschen sollen, denn danach war seine Stellung wohl einfach verloren. Schade, schade… guter Kampf, Remis war vielleicht drin... Man braucht sich jedoch nicht zu grämen, immerhin war die Niederlage gegen einen Großmeister.

Für mich ging es gegen 2000 ELO/1900 DWZ. Mit Weiß hoffte ich hier auf einen ganzen Punkt. Und tatsächlich lag diesmal die Eröffnungskatastrophe beim Gegner. Die Stellung war bereits nach 12 Zügen völlig gewonnen für mich:
 

Ich gegen Wolff
Die HSV-Jacke half an keiner Front
Modder - Wolff
Weiß am (Ab)Zug

Hier folgte die einfache Abwicklung 13. exd6 Lxd6 14. Lxd6 Dxd6 nebst dem  Rammstoß 15. d5 (der Gegner hatte nur sofortiges d5 berechnet ohne Zwischentausch auf d6). Nach 15. … Sd8 16. dxe6 Sxe6 17. Tf-d1 Db6 war ich überzeugt, eine interessante Partie zu sehen - nämlich Müer - Hort, diese hier hatte ich abgehakt, es würde ein schnelles Ende geben. Ich nahm mir nun richtig Zeit, um den Killer zu finden, und der Frust stellte sich ein. Kinderleicht eigentlich alles: Sd5 nebst Sg5 und Dh5. Aber wie Hübner es einmal formulierte, als er ein einfaches Matt nicht fand: „so glotzte der Führer der weißen Steine glanzlosen Auges auf die Stellung.“** Ich „fand“ aber Se4, was auch gewinnen muss, aber… letztlich konnte ich weder die Rochade verhindern noch einen Bauern gewinnen. Am Ende wäre ich im Schwerfigurenendspiel fast noch gequält worden, aber mein Gegner sah in dieser Partie genauso wenig wie ich - Remis. Das war schon etwas frustrierend.

Sonntag Nachmittag
Faule Eier im Osternest - oder doch nicht!?

Für mich ging es in dem Stil der vorangegangenen Partie weiter. Wieder ELO 2000/DWZ 1900. Der Gegner würde 1. f4 spielen und wir grübelten, wie zu antworten wäre. Meinen Vorschlag 1. … d5 fand Sebastian gut, aber er fürchtete, ich würde positionell vielleicht Probleme bekommen. Ich entschied mich dennoch für diesen soliden Weg, und die Eröffnung konnte ich mit leichten Vorteilen verbuchen, ich eroberte das Läuferpaar. Das Mittelspiel behandelte ich auch stark und sicherte mir nach einer taktischen Abwicklung einen Bauern in einem Endspiel mit Läuferpaar gegen Läufer/Springer. Hier hatte ich schnell taktische Möglichkeiten zu einer raschen Umwandlung, aber tat mich zu schwer und konnte das Endspiel nicht gewinnen, da ich meinen König zu spät aktivierte… Wieder nur Remis.
 

Dette - Modder
Schwarz am Zug

Im Diagramm gewann natürlich alles für mich, aber Lxc3 kürzte sogar ab. Unfassbar, dass man so etwas nicht findet. In jeder Aufgabe würde man den Zug sofort in 5 Sekunden finden, und ich hatte hier massenhaft Bedenkzeit, um einmal nach Wanne-Eickel und zurück zu fahren, wenn es denn erlaubt wäre.

Bis dato ein gebrauchter Tag für uns - Basts Hoffnungen in einem machbaren Endspiel gegen Hort waren nicht in Erfüllung gegangen und ich habe zwei Gewinnstellungen weggeworfen zu Remisen. Immerhin gegen bessere Gegner, aber „live“, also unter Einbeziehung der aktuellen Mannschaftssaison, habe ich selber wieder 1900, also im Grunde kein sonderlicher Erfolg. Ja, und dann spielten noch in der Fussball-Bundesliga unsere beiden Teams an diesem Sonntag Nachmittag… Hamburg verlor gegen die Fischköppe aus Bremen und Schalke blamierte sich beim Schlußlicht Darmstadt. Es lief bei uns - nicht.

Für Sebastian ging es nun gegen einen guten 2000er mit Schwarz, welcher auch eine ambitionierte Spielweise an den Tag legte. Bast meinte irgendwann, er hätte einen Bauern weniger für eigentlich nichts. Ein bisschen Kompensation war aber wohl da, er gewann auch den Bauern zurück bei einem sehr komplexen Spiel. Weiß opferte einen Bauern und Sebastian hatte in dem letztendlichen Läuferendspiel einen Mehrbauern. Es schien aber irgendwann so, als könne er diesen nicht verwerten - für einen Moment. Der Tag schien also wirklich kein Guter zu werden, aber Bast kämpfte über die vollen 5 Stunden und knetete einen Sieg heraus. Die Stellung war auch wohl immer gewonnen gewesen.
 

Gülsen - Müer
Schwarz am Zug

Ein Eindruck des Endspieles, nachdem nur noch die Läufer übrig waren. Schwarz hat den Mehrfreibauern am Damenflügel, aber die Randbauern komplizieren die Lage - Schwarz verfügt allerdings über den richtigen Läufer, sonst wäre es wohl Remis. Aber selbst im Diagramm musste Schwarz noch 30 Züge kneten und ein paar bange Momente überstehen.

Montag
Tell me why I don’t like Mondays

5,0/6 - ein starkes Turnier für Sebastian. Bis dato eine Performance von 2400 ELO-Punkten, 2340 entsprechend bei der DWZ. Und das Los bescherte ihm Weiß gegen 1794 ELO… hola! Was war da los? Ein 15jähriger Gegner aus Dänemark, welcher erst vor einem Jahr sein erstes ELO-gewertetes Turnier gespielt hat, stand ebenfalls bei 5 Punkten nach 6 Runden. Zwei Remisen zum Auftakt und dann drei Siege gegen Gegner bis max. 2000er Bereich, dazu noch ein kampfloser Sieg gegen einen IM, der aus dem Turnier ausgestiegen war. Ok, ein Talent, die FIDE weist auch schon eine 1900er Zahl für die nächste Auswertung für ihn aus, aber dennoch wohl ein Los, welches machbar zu sein schien.

Sebastian meinte auch, bei einem Sieg wäre er sicher auf Platz 3, was 600 EUR bedeutet hätte, aber dies war eine Fehlkalkulation, die sich als verhängnisvoll erweisen sollte. In der Partie hatte Sebastian gegen Königsindisch nichts rausholen können und er stand letztlich schon leicht verdächtig:
 

Müer - Maletti
Einen Zug vor der Diagrammstellung
Müer - Maletti
Weiß am Zug

Gerade hatte Schwarz mit einem Turm auf f5 eine Figur zurückgenommen. Hier ist nicht alles Maletti für Bast: Die Computer sehen  Schwarz einen halben Bauern im Vorteil, er hat unangenehmen Druck, alle seine Figuren stehen aktiver und eigentlich perfekt. Nun hatte der junge Mann aber entweder Angst vor der eigenen Courage oder vor Sebastians Zahl, oder aber er „holte die Psychokeule raus“*** und bot Remis an. Sebastian wollte aber das Geld und gambelte, doch es ging sehr schnell zu Ende: 25. Dd2 Te5 26. Sh3? (Dd3 war angesagt) Se2+ 27. Kh1 Dxc4. Schwarz hat einen Bauern und wird sich auch noch d5 einverleiben. Der letzte Zug der Partie kürzte also nur noch ab: 28. De1 Sg3+. Aus der Traum.

Besonders bitter: Auch bei einem Sieg wäre es nur Platz 5 geworden und 300 EUR, das wären 150 EUR mehr als bei einem Remis und Platz 7. Vermutlich hätte Sebastian das Remis angenommen und das geringere Preisgeld mitgenommen, wäre er nicht von 600 EUR ausgegangen. Aber vielleicht kann man sich unterbewusst auch nicht davon freimachen, „nur“ gegen „1700“ zu spielen. Kein Preisgeld am Ende und sogar noch minimale ELO-Verluste - was für ein Irrsinn. Aber okay, Remis hätte an der ELO-Front auch nicht so viel mehr bedeutet. Bast sollte die 2400er-Performance der Runden 1-6 mitnehmen und beim nächsten Turnier daran anknüpfen, er hat sehr starkes Schach gespielt, auch wenn seine Performance letztlich "lediglich" der seiner eigenen Zahl entsprach. Im Fazit gleich noch mehr dazu.

Mein Gegner war wieder ein 2000er, diesmal auch nach DWZ. Und ich kam zum dritten Mal in Folge sehr stark aus der Eröffnung. Dreimal spielten die Gegner richtige Ranzzüge in den Eröffnungen, allerdings hatte ich diesmal ein eher solides Abtauschsystem mit Weiß gewählt, in welchem er mit Gewalt nach etwas suchte. Ich hatte Vorteil, konnte auch einen Bauern gewinnen und hatte hier eine Chance auf mehr - aber nun war es wieder an mir mit den Ranzzügen:
 

Modder - Kutzner
Weiß am Zug

Ich hatte soeben meine Dame nach c1 gestellt und g5 angegriffen, der Gegner ließ den Angriff aber zu und ich musste  entscheiden, ob ich da nehmen sollte, beide waren wir allerdings auch etwas in Zeitnot. Korrekt war hier tatsächlich 32. Dxg5. Ich sah noch … Tg6 33. e6!, konnte es aber nicht berechnen, obwohl wirklich alles gewinnt… Nach ein paar Abtauschen drohte ich, etwas zu passiv zu stehen und opferte den e-Bauern zurück, um meinen Läufer zu aktivieren, wonach es unweigerlich und schnell Remis wurde. Immerhin für mich am Ende eine Performance von ca. 2000 Punkten, was einem moderaten Plus von 20 Punkten entspricht.

Fazit

Ein wirklich krankes Turnier: Bis zur letzten Runde spielte Sebastian fantastisch, hatte 5,0/6, Kombinationen teilweise auf IM-Niveau, Verlust nur gegen einen GM, eine Performance von 2400 ELO-Punkten, und eine Partie später stand er mit nichts da, keinem Preisgeld und sogar einer ELO-Verschlechterung um 3 Punkte. Und sein 1700er Gegner war punktgleich mit Turniersieger GM Hort. Wir diskutierten noch mit dem Meister, der es unglaublich fand, und der Sebastian ein starkes Turnier attestierte. Mein Turnier war anders, aber auch komplizierter. Viele vertane Chancen auf beiden Seiten in fast allen meinen Partien. Aber mein Niveau ist auch entsprechend schlecht. Vermutlich habe ich es hier schon diskutiert, aber bis 2000 Punkte, häufig auch bis 2100, werden die meisten Partien letztlich dadurch entschieden, dass einer etwas einstellt. Man bleibt nicht sauber.

Ein undankbares Turnier für einen Spieler mit Sebastians Spielstärke von 2250. Man muss vier Partien gewinnenn, um überhaupt mal einen - den letztlich Einzigen - stärkeren Gegner zu bekommen. Und wie extrem schwer ist es, eine Partie überhaupt zu gewinnen auf dem Niveau ab 1900/2000 heutzutage, auch wenn wie gesagt viele Patzer kommen. Was musste Sebastian in den Runden 3 und 4 für Kombinationen herausholen... und was musste er in Runde 6 für ein Endspiel kneten. Ich selber hatte zumindestens drei Gegner dieser Spielstärke auf dem Acker - aber gewonnen habe ich am Ende davon keine einzige Partie, Siege gab es nur gegen 1500 und einen Gegner ohne Zahl. Dafür habe ich selber ausser gegen IM Podzielny mit meiner bescheidenen Zahl keine einzige Partie verloren. Schach ist manchmal - sick.

Offizielle Turnierseite

- frank modder, 19.04.2017
 

Siegerehrung. Zweiter von links Hort,
daneben Jugelt, ganz rechts Maletti.

* Man muß natürlich IMMER spielen.

** Über seine Partie gegen Petrosian im Interzonenturnier 1976. Man lese z.B. hier.

*** Diesen Begriff verwendete mal ein bekannter Meister in einer Analyse,
wenn mir der Ursprung wieder einfällt, reichte ich es an dieser Stelle nach.