Interessante
Tage in NRW
Ostern ist der Zeitpunkt
für viele Schachturniere. Da gibt es zum Beispiel das größte
deutsche Open, früher Neckar Open genannt, welches jetzt in Karlsruhe
stattfindet. Hier treten auch Spieler der Weltelite in einem Einladungsturnier
an. Aber die Veranstaltung ist extrem stressig: Fast 1200 Teilnehmer, lange
Anreise und Rundenstart morgens um 9 Uhr, dazu immer Doppelrunden. Das
Oberhaus der Schachwelt gastierte also in Karlsruhe, wir gastierten in
Oberhausen! Wir gönnten uns dieses Jahr das kleine aber feine Open
in Oberhausen. In zwei Stunden ist man vor Ort (Rückfahrt Rekord mit
1:30 Std. inkl. Tankstopp!), dazu eine nette Ferienwohnung und nur zwei
Tage mit Doppelrunden.
Knapp 180 Teilnehmer
versammelten sich in einer Schulmensa, unter ihnen der bekannte und populäre
Großmeister Vlastimil Hort. Die GM Hausrath und Levin (welcher nach
fünf enttäuschenden Runden ausstieg) und eine handvoll IM waren
an der Spitze, Sebastian war knapp außerhalb der Top 10 gesetzt,
ich im Mittelfeld. 7 Runden mit der alten Bedenkzeit von 2 Stunden/40 Züge
und 30 Minuten Rest waren angesetzt. Oberhausen zahlt auch gut aus, 1000
EUR für den Sieger, selbst Platz 7 sollte noch 150 Mücken einstreichen.
Da es dieses Jahr noch nicht so viele Berichte gab, wird dieser etwas länger.
Ich werde zu allen unseren Partien mindestens ein Diagramm bringen. Also,
auf geht's!
(Bilder können
durch anklicken vergörßert werden)
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Hauptspielsaal
Mensa in corpore sano?
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Holzbalkenbühne
Ganz links stehend
Sebastian
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Donnerstag
Es knirscht im
Gebälk
Die Anreise war völlig
unproblematisch, der Osterverkehr wälzte sich lediglich aus Richtung
NRW in den Norden. Nachdem wir uns in der FEWO eingerichtet hatten, ging
es dann auch um 19 Uhr bereits zur ersten Runde. Sebastian traf auf einen
Niederländer mit knapp 1800 ELO, hier stand Bast mit Schwarz schnell
gut, er hatte Druck auf der langen Diagonalen und grub auch ein doppeltes
Figurenopfer aus, was der Gegner nicht annehmen durfte, aber Bast hatte
soviel Druck, dass er eine Qualität einsammeln und dieses dann transportieren
konnte. Ein guter Auftakt. Einziger Wermutstropfen: Würde es viermal
Schwarz für ihn werden? Abwarten!
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Frijling - Müer
Schwarz am Zug
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Die Entscheidung in
Sebastians Aufgalopp-Partie: Hier steht er schon sehr stark. 14. ...
Sf-g4 Der andere Springer hätte das Springreiten vielleicht noch
stärker eröffnet 15. Sa4?! Dxd2 16. Lxd2 Sd7 17. Tb1?
Hier war Lc3 angebracht, Schwarz steht aber auch danach vorteilhaft. Nun
aber ist eine Qualität verschwundibus: 17. ... Ld4+ 18. Kh1 Sf2+.
Die Kavallerie war erfolgreich.
Ich selber hatte knapp
die obere Hälfte verpasst, traf also auf einen der Topgesetzten, in
diesem Fall IM Podzielny. Die Mensa, in der gespielt wurde, beherbergte
die ersten 60 Bretter (die anderen Partien wurden in drei weiteren Räumen
ausgetragen), von denen die ersten 12 Bretter auf einer hölzernen
Bühne ausgetragen wurden, die schön quietschte. Das war wohl
der Grund, warum man irgendwann (ab Runde 4) den Zuschauern den Zugang
zur Bühne untersagte, allerdings hielt sich nicht jeder daran, „gemaßregelt“
wurde allerdings in erster Linie das Fußvolk.
Nun also! Ich spielte
auf der Bühne gegen Podzielny, aber in dem Fall quietschte sehr schnell
meine Stellung. Die Eröffnung war zu ambitioniert, ich hatte zwar
lange einen Bauern mehr, aber war positionell im Eimer. Als ich dachte,
immer noch einen harten Kampf zu liefern, waren die Engines längst
eingeschlafen. Eine deutliche Niederlage. Gegen 2400 aber nicht tragisch.
Hier ein Fragment dieser Partie:
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Modder - Podzielny
Weiß am Zug
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Hier stehe ich bereits
mehr als bedenklich, mein Mehrbauer fällt nicht ins Gewicht. Die schwarzen
Figuren haben alle entweder gute Felder oder aber entsprechende Perspektiven.
Ich stürzte mich direkt mit dem König höchstpersönlich
ins Getümmel: 17. Kd3 Lg7 18. Ke4 Sfxd4 19. Lxd4 Lf5+ 20. Kf4 Sxd4
21. Lg2 Se6+ 22. Kg3. Uff. Geschafft. In meinem Unterzuckerungswahn
dachte ich, ich könne hier noch kämpfen. Immerhin kein Materialnachteil,
die Leichtfiguren stehen vernünftig, die Türme sind verbunden
und auch der König hat ein trockenes Plätzchen. Aber die Konstellation
am Königsflügel war zu schwach. Nach 22. ... Td3 ging
es relativ schnell dem Ende entgegen. Potztausend!
Freitag Vormittag
Wo ist der Aufschlag
Eine Doppelrunde am
Karfreitag stand an, um 10 Uhr ging es los. Kein Problem für uns,
unsere Unterkunft war drei Autominuten vom Spielsaal entfernt. In der Regel
stärkten wir uns einmal täglich mit Steaks, abends gab es dann
häufig noch eine Kleinigkeit. Während der Partien nehme ich normalerweise
nur Kaffee zu mir, während Sebastian zusätzlich zu Tee, Wasser
und ein paar Nahrungsmitteln greift, wie zu Muffins, Nüssen oder Obst.
Verpflegung im Turniersaal war Standard, aber man konnte eigene Sachen
mitbringen, was immer von Vorteil ist.
Ich bekam einen deutlich
schwächeren, älteren Gegner zugelost. Erneut zeichnete sich bei
mir früh eine Eröffnungskatastrophe ab, die Stellung war mehr
oder weniger verloren. Er gab mir aber einen Moment lang Luft, so dass
ich die Damen tauschen konnte und mein König war in Sicherheit, anschließend
überspielte ich ihn schnell im Endspiel. Hier ein interessanter Moment:
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Bieker - Modder
Schwarz am Zug
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Weiß hatte soeben
Se6 gespielt. Hier nun war d4 verlockend für mich, aber nach Te4 sah
ich keinen Vorteil. Also nehmen auf e3 etc. - aber was war der genaueste
Weg? 25. ... Sxe3 26. Sxd8 Sxg2 27. Tg1. Soweit, so vorteilhaft.
Aber nun war erst Lxc3 am Genauesten. Entweder ich gewinne einen weiteren
Bauern, wenn er nicht nimmt, oder ich ruiniere seine Stuktur an beiden
Flügeln mit Sf4, wenn er nimmt. Mein gespieltes 27. ... Kxd8 28.
Txg2 Lxc3 29. bxc3 war natürlich auch gewonnen, aber es ging strenger.
Sebastian hatte es
mit ELO 2000/DWZ 1900 zu tun, welcher mit Schwarz am Damenflügel früh
unmotiviert lospeitschte. Dennoch musste Bast ein paar Züge finden,
gewann aber irgendwann einen Bauern. Er gab ihn dann scheinbar zurück,
der Gegner schluckte das Material wie ein Besoffener einen eingelegten
Hering, wonach aber nach einer kleinen Kombination ein Qualitätsgewinn
für Sebastian heraussprang. Seine Technik reicht normalerweise locker
aus, so etwas nach Hause zu fahren, diese Partie war keine Ausnahme. Bast
präsentierte sich in guter Spiellaune! Hier seine Taktik in der Partie:
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Müer - Hoffmann
Weiß am Zug
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Es folgte 17. d4
Lxd4? Nope, der geht nicht. Kann man mal finden mit der Spielstärke.
18.
Sa4 Lxb2 Die Dame ist sonst überlastet. 19. Sxb6 Lxc1 20. Sxc8
Lxa3 21. Txc6. Was vom Tage übrig bleibt: Eine Qualletät.
Freitag Nachmittag
I shot the Sherif(f)
Nachdem wir uns mit
einem Steak gestärkt hatten, ging es in die zweite Partie des Tages.
Für mich ging es mit Weiß gegen 2050. Die Eröffnung ging
erneut etwas schief, der Aufschlag kam einfach nicht, aber es war hier
nicht so dramatisch. Verschiedene Rochaden waren zu sehen und der Gegner
stürmte am K-Flügel mit den Bauern auf meinen König los.
Ich konnte im Zentrum ein Gegenspiel organisieren und es blieb lange ausgeglichen.
Nach und nach geriet ich dann aber doch in eine Verluststellung, aber der
Gegner setzte den Knock-Out nicht und es kam die Zeitnotphase. Mit einem
Trick konnte ich eine Qualität gewinnen und in ein Dauerschach entkommen:
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Modder - Brüggestraß
Schwarz am Zug
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Hier sollte eigentlich
g4 ausreichen. Es folgte 27. ... a5?! (will die Dame nach a5 locken,
um dann g4 mit noch mehr Effekt zu spielen) 28. Db3 Dxc5? 29. Le5+
mit Ausgleich. Nach ein paar weiteren Zügen kam es zu einem Dauerschach,
allerdings stand ich wahrscheinlich am Ende auf Gewinn, aber ich mochte
nicht spekulieren (er hatte einen Freibauern auf der zweiten Reihe und
mein König stand schlecht), es wäre auch noch viel Arbeit gewesen
und wenn ich sehe, was ich später im Turnier für eine schlechte
Technik bei der Verwertung von Vorteilen noch „gezeigt“ habe, muss man
dieses Remis als ok betrachten. Die Chancen des Gegners waren hier deutlich
größer gewesen in dieser Partie. *
Sebastian trat in Runde
drei gegen eine Int. Meisterin an - bei den Frauen, und das wird man schon
eher, diese Dame namens Sherif hatte jedenfalls gerade mal 2000 Wertungspunkte.
Für Sebastian sollte es also heißen „I shot the Sherif(f)…“.
Der Deputy sollte später folgen. Ein hartes Brot, ein solches Turnier
für 2250 wie Sebastian. Auch in Runde 3 noch klar schlechtere Gegner,
man darf sich nichts erlauben. Bast tat sich hier schwer, gegen ein solides
System mit Schwarz Druck zu machen. Beide Seiten mussten dann einen Schreckmoment
überstehen, da beide einen Figurengewinn für Sebastian übersahen.
Bast befreite sich danach peu a peu vom Druck und ließ eine phantastische
Abschlußkombination vom Stapel. Anschnallen und festhalten:
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Sherif - Müer
Schwarz am Zug
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In dieser Stellung
ist vielleicht Te7 am besten und vorteilhaft für Schwarz, aber der
gewählte Weg war extrem ästhetisch: 42. ... e3 Zum Auftakt
ein Opfer. 43. fxe3? Te7 Sebastians Markenzeichen: Druck. 44.
Kf3 Mir nach, ich folge euch. Es scheiterte z.B. Ta4 an Dc5. 44.
... Tb4! Im Grunde ein stiller Zug, um Ta4 abzuschwächen. Aber
er droht auch noch eine weitere "Kleinigkeit". 45. Ta4. Tritzankedem.
Und wir gönnen uns nochmal ein Diagramm:
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Sherif - Müer
High Noon
Schwarz am Zug
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Sebastian ist ein Grinder
vor dem Herrn, aber er kann auch taktisch bärenstark spielen:
45.
... Txe3!! Auch der Sheriff musste feststellen, dass Sebastian vielleicht
nicht schneller als Lucky Luke zieht, aber genauso gut trifft.
46. Kxe3
Df4+ 47. Ke2 Dh2+ 48. Kd1 Dg1+ 49. Ke2 Dg2+ 50. Ke1 Der König
kann den Annäherungsversuchen der Dame nicht ohne Matt zu gehen widerstehen
...
Dxc2 51. cxb4 Le5 Der Zuckerguß auf dem Grabstein. Tb4 mit der
Idee Txe3 - ein meisterhafter Plan. Trotz Tanzverbots am Karfreitag tanzte
Sebastian sein Gegenüber aus. Wow... Offenen Mundes beenden wir den
Tag schweigend.
Samstag
Läuft wie
Ofenkäse
Für beide lief
es bis hierhin also sehr gut mit, auch wenn die Ergebnisse noch nichts
wirklich Aufregendes waren. Samstag gab es dann nur eine Runde - und die
ab 14 Uhr. Wir konnten also die Nacht vorher lange analysieren und dann
nach dem Ausschlafen ein Steak genießen, bevor es ab zur Runde ging.
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The steakes were
high
Stärkung vor
der Partie des Tages
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Bast traf auf einen
Gegner mit 2100 ELO, allerdings hatte dieser noch unter 2000 DWZ, musste
also erneut ohne Wenn und Aber besiegt werden, mit Weiß allerdings
auch eine gut mögliche Aufgabe. Beide Seiten ließen den König
in der Mitte, als Bast letztlich lang rochierte, waren schon 24 Züge
gespielt. Dennoch griff Schwarz schnell und wild am Königsflügel
mit den Bauern an. Bast schnappte dann aber dort per Läuferopfer einen
Bauern, dieses durfte der Gegner auch nicht annehmen. Doch der Reihe nach:
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Müer - Liedmann
links am Tisch
Daneben in grün
IM Tobias Jugelt, ganz vorne GM Felix Levin
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Müer - Liedmann
Weiß am Zug
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Schwarz will mehr Musik
machen als André Rieu zur Weihnachtszeit, aber Sebastian zeigt,
dass hier die falschen Töne angeschlagen wurden und er bereite ein
tief durchdachtes Opfer vor: 16. h3! Lf6 17. hxg4 hxg4 18. Txh8+ Lxh8
19. Lxg4! und wir haben das folgende Diagramm:
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Müer - Liedmann
Schwarz am Zug
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Schwarz ist geplatzt,
eine Traumkombination, die Sebastian schon vor dem ersten Diagramm sah,
wäre z.B. 19. ... fxg4 20. Dg6+ Kf8 21. La3 Lf6 22. Se4 Le7 23. Lc1!!
Es kam anders, der Gegner nahm das Opfer nicht an, aber Sebastian transportierte
sein materielles Plus einmal mehr und baute es im Endspiel noch aus, letztlich
entstand ein einfaches Turmendspiel, welches für Weiß völlig
gewonnen war, auch einen Patt-Trick von Schwarz hatte Sebastian auf dem
Schirm. Der 4. Punkt war da!
Mein Gegner war ein
russischstämmiger Spieler, Alter Mitte 30, welcher lange Jahre nicht
aktiv gespielt hat und darum über keine Wertungszahl verfügte,
ich schätze ihn aber auf 1600-1700 ein. Erneut war das Ergebnis der
Eröffnung für mich eine Katastrophe. Schwer zu sagen, ob es bereits
verloren war, aber ich stand mit dem Rücken zur Wand. Ich nahm mir
dann über 20 Minuten für einen Zug, fand nichts, und war schon
recht angewidert von der Partie und hatte wenig Hoffnung. Aber ich hielt
mich irgendwie und kämpfte den Rest der Partie auch hart. Nach einer
Ungenauigkeit konnte ich einen schnellen Gegenstoß starten, am Ende
gewann ich eine Qualität und hatte ein gewonnenes Endspiel. Meine
Technik musste ich zum Glück nicht präsentieren, da der Gegner
letztlich deutlich vor dem 40. Zug die Zeit überschritt.
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Venediktov - Modder
Weiß am Zug
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Die Schlußstellung.
Ob meine Technik gereicht hätte, angesichts dessen, was noch folgen
sollte? :-)
Für beide war
es also in Summe ein weiterer erfolgreicher Tag - aber letztlich, erneut:
Normale Ergebnisse eigentlich. Aber Sebastian spielte auf sehr hohem Level,
seine Kombinationen in den Partien der 3. und 4. Runde hatten IM-Niveau.
Sein ELO-Plus war nicht so dramatisch, aber nun gut... es ging hier ja
auch noch um Geld. Die Konkurrenz vorne ließ auch munter was liegen,
bis u.a. auf Hort, der nächste Gegner von Bast, doch dazu gleich mehr.
Für mich lief es in den Eröffnungen bisher überhaupt nicht.
Aus zweieinhalb bis drei Verluststellungen in den Runden 2-4 holte ich
zumindest noch 2,5 Punkte. Das Eröffnungsproblem konnte ich in der
zweiten Turnierhälfte abstellen, aber es sollte ein anderes Problem
zu Tage treten - die Technik.
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Samstag abend
in unserer Straße
Die Vorbereitung auf
Hort hatte begonnen
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Sonntag Vormittag
Basti vs Vlasti
Sebastian hatte also
erstmals einen stärkeren Gegner in der ersten Sonntagspartie. Mit
Vlastimil Hort auch gleich ein GM. Horts größter Erfolg war
das Erreichen des Kandidatenviertelfinales 1977, in welchem er extrem unglücklich
gegen Boris Spassky verlor (ein Match über 12 Partien, Hort führte
5:4 und stand in der 10. Partie auf Gewinn, als er die Zeit überschritt,
am Ende unterlag er im Stechen).Es war übrigens nicht die erste Begegnung
von Basti und Vlasti: 2008 (ja, so lange ist es her) besiegte Sebastian
den Großmeister in einem Simultan.
Ich habe immer gesagt,
ich wäre gespannt, wie es jetzt Langzeit aussehen würde, gerade
wenn Sebastian mit Weiß spielt. Und er bekam Weiß! Der Trend
war umgekehrt, am Ende sollte also doch mal eine Weißpartie mehr
stehen. Es gab eine längere Vorbereitung am Abend vorher, aber Hort
spielt sehr viele Eröffnungen. Die getätigten Analysen dienten
also nicht nur der Partie, sondern auch dem weiteren Gebrauch in der Zukunft.
Nun denn!
Die Partie nahm einen
sehr ruhigen Verlauf, Hort erreichte aber durch ein paar Manöver eine
leicht bessere Stellung. Hier das Diagramm nach dem 22. Zug:
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Bast vs Vlast
Eine persönliche
Traumpartie von mir. Und mit Weiß.
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Müer - Hort
Weiß am Zug
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Schwarz ist es zumindest
mal gelungen, seinen Springer auf das schöne Feld d6 zu transportieren,
was Sebastian eigentlich hatte verhindern wollen. Nunmehr kam es zu einem
Generalabtausch, Sebastian startete alles mit 23. e4, und in den
nächsten 13 Halbzügen fielen 12 Spielsteine vom Brett und es
blieb das folgende Dame/Läufer-Endspiel:
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Müer - Hort
Später am Tage
Schwarz am Zug
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Schwarz steht hier
etwas angenehmer. Seine Bauern stehen im Gegensatz zu denen von Sebastian
nicht auf der Felderfarbe des eigenen Läufers. Der schwarze Läufer
steht zudem aktiver als sein Gegenpart, auch der vorgerückte Bauer
am Damenflügel ist sicherlich ein schwarzes Plus hier. Verloren ist
diese Stellung aber keineswegs, Hort jedoch grindete ewig weiter und bugsierte
seine Dame irgendwann nach b3, wo Bast wohl nicht hätte tauschen sollen,
denn danach war seine Stellung wohl einfach verloren. Schade, schade… guter
Kampf, Remis war vielleicht drin... Man braucht sich jedoch nicht zu grämen,
immerhin war die Niederlage gegen einen Großmeister.
Für mich ging
es gegen 2000 ELO/1900 DWZ. Mit Weiß hoffte ich hier auf einen ganzen
Punkt. Und tatsächlich lag diesmal die Eröffnungskatastrophe
beim Gegner. Die Stellung war bereits nach 12 Zügen völlig gewonnen
für mich:
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Ich gegen Wolff
Die HSV-Jacke half
an keiner Front
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Modder - Wolff
Weiß am (Ab)Zug
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Hier folgte die einfache
Abwicklung
13. exd6 Lxd6 14. Lxd6 Dxd6 nebst dem Rammstoß
15.
d5 (der Gegner hatte nur sofortiges d5 berechnet ohne Zwischentausch
auf d6). Nach 15. … Sd8 16. dxe6 Sxe6 17. Tf-d1 Db6 war ich überzeugt,
eine interessante Partie zu sehen - nämlich Müer - Hort, diese
hier hatte ich abgehakt, es würde ein schnelles Ende geben. Ich nahm
mir nun richtig Zeit, um den Killer zu finden, und der Frust stellte sich
ein. Kinderleicht eigentlich alles: Sd5 nebst Sg5 und Dh5. Aber wie Hübner
es einmal formulierte, als er ein einfaches Matt nicht fand: „so glotzte
der Führer der weißen Steine glanzlosen Auges auf die Stellung.“**
Ich „fand“ aber Se4, was auch gewinnen muss, aber… letztlich konnte
ich weder die Rochade verhindern noch einen Bauern gewinnen. Am Ende wäre
ich im Schwerfigurenendspiel fast noch gequält worden, aber mein Gegner
sah in dieser Partie genauso wenig wie ich - Remis. Das war schon etwas
frustrierend.
Sonntag Nachmittag
Faule Eier im Osternest
- oder doch nicht!?
Für mich ging
es in dem Stil der vorangegangenen Partie weiter. Wieder ELO 2000/DWZ 1900.
Der Gegner würde 1. f4 spielen und wir grübelten, wie zu antworten
wäre. Meinen Vorschlag 1. … d5 fand Sebastian gut, aber er fürchtete,
ich würde positionell vielleicht Probleme bekommen. Ich entschied
mich dennoch für diesen soliden Weg, und die Eröffnung konnte
ich mit leichten Vorteilen verbuchen, ich eroberte das Läuferpaar.
Das Mittelspiel behandelte ich auch stark und sicherte mir nach einer taktischen
Abwicklung einen Bauern in einem Endspiel mit Läuferpaar gegen Läufer/Springer.
Hier hatte ich schnell taktische Möglichkeiten zu einer raschen Umwandlung,
aber tat mich zu schwer und konnte das Endspiel nicht gewinnen, da ich
meinen König zu spät aktivierte… Wieder nur Remis.
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Dette - Modder
Schwarz am Zug
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Im Diagramm gewann
natürlich alles für mich, aber Lxc3 kürzte sogar ab. Unfassbar,
dass man so etwas nicht findet. In jeder Aufgabe würde man den Zug
sofort in 5 Sekunden finden, und ich hatte hier massenhaft Bedenkzeit,
um einmal nach Wanne-Eickel und zurück zu fahren, wenn es denn erlaubt
wäre.
Bis dato ein gebrauchter
Tag für uns - Basts Hoffnungen in einem machbaren Endspiel gegen Hort
waren nicht in Erfüllung gegangen und ich habe zwei Gewinnstellungen
weggeworfen zu Remisen. Immerhin gegen bessere Gegner, aber „live“, also
unter Einbeziehung der aktuellen Mannschaftssaison, habe ich selber wieder
1900, also im Grunde kein sonderlicher Erfolg. Ja, und dann spielten noch
in der Fussball-Bundesliga unsere beiden Teams an diesem Sonntag Nachmittag…
Hamburg verlor gegen die Fischköppe aus Bremen und Schalke blamierte
sich beim Schlußlicht Darmstadt. Es lief bei uns - nicht.
Für Sebastian
ging es nun gegen einen guten 2000er mit Schwarz, welcher auch eine ambitionierte
Spielweise an den Tag legte. Bast meinte irgendwann, er hätte einen
Bauern weniger für eigentlich nichts. Ein bisschen Kompensation war
aber wohl da, er gewann auch den Bauern zurück bei einem sehr komplexen
Spiel. Weiß opferte einen Bauern und Sebastian hatte in dem letztendlichen
Läuferendspiel einen Mehrbauern. Es schien aber irgendwann so, als
könne er diesen nicht verwerten - für einen Moment. Der Tag schien
also wirklich kein Guter zu werden, aber Bast kämpfte über die
vollen 5 Stunden und knetete einen Sieg heraus. Die Stellung war auch wohl
immer gewonnen gewesen.
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Gülsen -
Müer
Schwarz am Zug
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Ein Eindruck des Endspieles,
nachdem nur noch die Läufer übrig waren. Schwarz hat den Mehrfreibauern
am Damenflügel, aber die Randbauern komplizieren die Lage - Schwarz
verfügt allerdings über den richtigen Läufer, sonst wäre
es wohl Remis. Aber selbst im Diagramm musste Schwarz noch 30 Züge
kneten und ein paar bange Momente überstehen.
Montag
Tell me why I don’t
like Mondays
5,0/6 - ein starkes
Turnier für Sebastian. Bis dato eine Performance von 2400 ELO-Punkten,
2340 entsprechend bei der DWZ. Und das Los bescherte ihm Weiß gegen
1794 ELO… hola! Was war da los? Ein 15jähriger Gegner aus Dänemark,
welcher erst vor einem Jahr sein erstes ELO-gewertetes Turnier gespielt
hat, stand ebenfalls bei 5 Punkten nach 6 Runden. Zwei Remisen zum Auftakt
und dann drei Siege gegen Gegner bis max. 2000er Bereich, dazu noch ein
kampfloser Sieg gegen einen IM, der aus dem Turnier ausgestiegen war. Ok,
ein Talent, die FIDE weist auch schon eine 1900er Zahl für die nächste
Auswertung für ihn aus, aber dennoch wohl ein Los, welches machbar
zu sein schien.
Sebastian meinte auch,
bei einem Sieg wäre er sicher auf Platz 3, was 600 EUR bedeutet hätte,
aber dies war eine Fehlkalkulation, die sich als verhängnisvoll erweisen
sollte. In der Partie hatte Sebastian gegen Königsindisch nichts rausholen
können und er stand letztlich schon leicht verdächtig:
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Müer - Maletti
Einen Zug vor der
Diagrammstellung
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Müer - Maletti
Weiß am Zug
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Gerade hatte Schwarz
mit einem Turm auf f5 eine Figur zurückgenommen. Hier ist nicht alles
Maletti für Bast: Die Computer sehen Schwarz einen halben Bauern
im Vorteil, er hat unangenehmen Druck, alle seine Figuren stehen aktiver
und eigentlich perfekt. Nun hatte der junge Mann aber entweder Angst vor
der eigenen Courage oder vor Sebastians Zahl, oder aber er „holte die Psychokeule
raus“*** und bot Remis an. Sebastian wollte aber das Geld und gambelte,
doch es ging sehr schnell zu Ende: 25. Dd2 Te5 26. Sh3? (Dd3 war
angesagt) Se2+ 27. Kh1 Dxc4. Schwarz hat einen Bauern und wird sich
auch noch d5 einverleiben. Der letzte Zug der Partie kürzte also nur
noch ab: 28. De1 Sg3+. Aus der Traum.
Besonders bitter: Auch
bei einem Sieg wäre es nur Platz 5 geworden und 300 EUR, das wären
150 EUR mehr als bei einem Remis und Platz 7. Vermutlich hätte Sebastian
das Remis angenommen und das geringere Preisgeld mitgenommen, wäre
er nicht von 600 EUR ausgegangen. Aber vielleicht kann man sich unterbewusst
auch nicht davon freimachen, „nur“ gegen „1700“ zu spielen. Kein Preisgeld
am Ende und sogar noch minimale ELO-Verluste - was für ein Irrsinn.
Aber okay, Remis hätte an der ELO-Front auch nicht so viel mehr bedeutet.
Bast sollte die 2400er-Performance der Runden 1-6 mitnehmen und beim nächsten
Turnier daran anknüpfen, er hat sehr starkes Schach gespielt, auch
wenn seine Performance letztlich "lediglich" der seiner eigenen Zahl entsprach.
Im Fazit gleich noch mehr dazu.
Mein Gegner war wieder
ein 2000er, diesmal auch nach DWZ. Und ich kam zum dritten Mal in Folge
sehr stark aus der Eröffnung. Dreimal spielten die Gegner richtige
Ranzzüge in den Eröffnungen, allerdings hatte ich diesmal ein
eher solides Abtauschsystem mit Weiß gewählt, in welchem er
mit Gewalt nach etwas suchte. Ich hatte Vorteil, konnte auch einen Bauern
gewinnen und hatte hier eine Chance auf mehr - aber nun war es wieder an
mir mit den Ranzzügen:
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Modder - Kutzner
Weiß am Zug
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Ich hatte soeben meine
Dame nach c1 gestellt und g5 angegriffen, der Gegner ließ den Angriff
aber zu und ich musste entscheiden, ob ich da nehmen sollte, beide
waren wir allerdings auch etwas in Zeitnot. Korrekt war hier tatsächlich
32. Dxg5. Ich sah noch … Tg6 33. e6!, konnte es aber nicht berechnen, obwohl
wirklich alles gewinnt… Nach ein paar Abtauschen drohte ich, etwas zu passiv
zu stehen und opferte den e-Bauern zurück, um meinen Läufer zu
aktivieren, wonach es unweigerlich und schnell Remis wurde. Immerhin für
mich am Ende eine Performance von ca. 2000 Punkten, was einem moderaten
Plus von 20 Punkten entspricht.
Fazit
Ein wirklich krankes
Turnier: Bis zur letzten Runde spielte Sebastian fantastisch, hatte 5,0/6,
Kombinationen teilweise auf IM-Niveau, Verlust nur gegen einen GM, eine
Performance von 2400 ELO-Punkten, und eine Partie später stand er
mit nichts da, keinem Preisgeld und sogar einer ELO-Verschlechterung um
3 Punkte. Und sein 1700er Gegner war punktgleich mit Turniersieger GM Hort.
Wir diskutierten noch mit dem Meister, der es unglaublich fand, und der
Sebastian ein starkes Turnier attestierte. Mein Turnier war anders, aber
auch komplizierter. Viele vertane Chancen auf beiden Seiten in fast allen
meinen Partien. Aber mein Niveau ist auch entsprechend schlecht. Vermutlich
habe ich es hier schon diskutiert, aber bis 2000 Punkte, häufig auch
bis 2100, werden die meisten Partien letztlich dadurch entschieden, dass
einer etwas einstellt. Man bleibt nicht sauber.
Ein undankbares Turnier
für einen Spieler mit Sebastians Spielstärke von 2250. Man muss
vier Partien gewinnenn, um überhaupt mal einen - den letztlich Einzigen
- stärkeren Gegner zu bekommen. Und wie extrem schwer ist es, eine
Partie überhaupt zu gewinnen auf dem Niveau ab 1900/2000 heutzutage,
auch wenn wie gesagt viele Patzer kommen. Was musste Sebastian in den Runden
3 und 4 für Kombinationen herausholen... und was musste er in Runde
6 für ein Endspiel kneten. Ich selber hatte zumindestens drei Gegner
dieser Spielstärke auf dem Acker - aber gewonnen habe ich am Ende
davon keine einzige Partie, Siege gab es nur gegen 1500 und einen Gegner
ohne Zahl. Dafür habe ich selber ausser gegen IM Podzielny mit meiner
bescheidenen Zahl keine einzige Partie verloren. Schach ist manchmal -
sick.
Offizielle
Turnierseite
- frank modder,
19.04.2017
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Siegerehrung.
Zweiter von links Hort,
daneben Jugelt, ganz
rechts Maletti.
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* Man muß natürlich
IMMER spielen.
** Über seine
Partie gegen Petrosian im Interzonenturnier 1976. Man lese z.B. hier.
*** Diesen Begriff
verwendete mal ein bekannter Meister in einer Analyse,
wenn mir der Ursprung
wieder einfällt, reichte ich es an dieser Stelle nach.
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